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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Grautoff, Otto: Die Madonna von Persenbeug
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0167

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133 —

Die Madonna von Persenbeug.
Von Otto Grautoff.

Die kaiserliche Gemäldegallerie in Wien ist
kürzlich um ein neues Bild bereichert worden, das
an der rechten Wand des grossen Rubens-Saales
in der Nähe der „Madonna unter dem Apfelbaum“
und schräg gegenüber dem grossmächtigen Altar
des heiligen Ildefonso aufgehängt worden ist. Dar-
gestellt ist auf diesem neu aufgefundenem Gemälde
die heiligeFamilie (Taf. 28): Maria sitzt auf einer Bank,
auf dem Schosse das Jesuskind, das sich herunter-
beugt und den adorierenden Johannesknaben lieb-
kost, während es mit liebevollem Blick zu seiner
glücklich lächelnden Mutter aufschaut. Im Hinter-
gründe, den Kopf in die Hand und den Ellbogen
auf einen Sockel gestützt, steht Joseph, Marias
Gatte, der freundlich auf die Gruppe herabsieht.
Das Bild trägt auf der Säule in der Mitte des
Bildes in grossen Lettern die Bezeichnung P. P.
Rubens 1630. Im Vordergründe rechts steht ein
Wäschekorb, wie wir ihn auf niederländischen
Bildern öfters zu finden gewohnt sind. Die Kom-
position, der Bambino, die kräftige Madonnenhand
lassen allerdings lebhaft an Rubens denken; aber
das Kolorit: der murilloblaue Mantel, das Haar der
Maria erwecken so starke Zweifel an der Echtheit
des Bildes, dass man wiederum geneigt ist, die
Arbeit nur für eine Kopie zu halten. Jedenfalls
ist es keine Arbeit von Rubens Hand, sondern
ein Werkstattbild, das der Meister nicht einmal
überarbeitet haben wird. Darum hält dieses Bild
gegenüber den genialen, durchaus eigenhändigen
Wiener Werken von Rubens, dem Ildefonso-Altar,
dem Venusfest ans dem Anfang der dreissiger
Jahre des 17. Jahrhunderts, dem grossen, profanen
Historienbild, wie auch den anderen rühmlichst
bekannten Werken von Rubens nicht stand; es hat
bei einer Gegenüberstellung auch nicht dem in der
Komposition genau übereinstimmenden Exemplare in
der Galerie des königlichen Schlosses zu Sanssouci
bei Potsdam stand gehalten, das sich nach dem
Urteil hervorragender Berliner Gelehrten und des
Assistenten der Wiener Gemäldegalerie Dr. Glück,
als ein in allen wesentlichen Teilen von Rubens
eigener Hand gemaltes Werk erwies. Das Pots-
damer Original, dessen Entstehung Wilhelm Bode
um das Jahr 1616 festsetzte, war 1890 in der Aus-

stellung von Werken der niederländischen Kunst
in Berlin, veranstaltet von der Kunstgeschichtlichen
Gesellschaft ebendort öffentlich ausgestellt und wurde
damals in Band XI. S. 204 des Jahrbuchs der
preussischen Kunstsammlungen abgebildet und von
Wilhelm Bode als eigenhändiges Werk von Rubens
erkannt. Gegen die Wiener Replik mit der Be-
zeichnung von 1630 lässt sich vor allem noch der
Einwurf erheben, dass Rubens’ Söhne, die dem
Meister wie für manche andere Arbeiten offenbar
auch hier als Modelle dienten, 1630 schon 16 und
18 Jahre alt waren, während sie auf dem Wiener
Bilde als dreijährige Kinder dargestellt sind.
Die Persenbeuger Madonna ist eine interessante,
aber gerade keine sehr wertvolle Bereicherung der
kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien; denn nahe
darf man sie Rubens sicher nicht rücken, wenn sie
auch mit seinem Namen und der Jahreszahl 1630 ge-
zeichnet ist, was bei der mit Aufträgen kolossal über-
häuften Rubens-Werkstatt nicht allzuviel bedeutet.
Der Zustand des Bildes vor seiner Restaurier-
ung war wenig erfreulich; es war arg beschmutzt
und stark übermalt. Die verdienstvolle und in
Wien rühmlichst bekannte Malerin und Restauratorin
Fräulein Minna Högel hat sich der mühevollen
Arbeit unterzogen, das Bild zu reinigen und zu
restaurieren; es ist schwer zu sagen, ob sie bei
dieser Arbeit nicht ein wenig des Guten zu viel
gethan hat; die Farben sehen wenigstens jetzt gar
zu glatt, zu geleckt und „schön“ aus.
Die Provenienz des Bildes ist ziemlich in
Dunkelheit gehüllt. Die Geschichte des Bildes
lässt sich nur bis zum Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts zurückverfolgen, wo es in dem kaiser-
lichen Schlosse zu Persenbeug, im Bezirk Am-
stetten am linken Donauufer in Niederösterreich
auftauchte. Erzherzog Otto liess das Bild im letzten
Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts in der Kapelle
des Schlosses aufhängen, wo es sich bei der In-
ventarisierung als ein signierter Rubens erwies.
Auch diese unsichere Provenienz hebt die
Zweifel an dem Bilde nicht auf. Wäre das Bild
nicht so glänzend in Rubens Geiste komponiert,
ich glaube, man würde sich überhaupt über das
Bild nicht streiten.

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