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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Suida, Wilhelm: Von der Impressionisten-Ausstellung der Wiener Secession
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Von der Impressionisten-Ausstellung der Wiener Secession.
Von Dr. Wilhelm Suida.

Durch die XVI. Ausstellung hat es die Secession
verstanden, in hervorragendem Grade anregend zu
wirken. „Die Entwicklung des Impressionismus in
Malerei und Plastik“, so lautete das Thema. Ein
Vorwort des sorgsam gearbeiteten Katalogs von
der Hand des Präsidenten Wilhelm Bennatzik be-
lehrt den Laien über die Grundbegriffe des Im-
pressionismus: Das Auge zeichnet, auf einen be-
stimmten Punkt gerichtet, die seitwärts davon
liegenden Gegenstände unscharf, desgleichen be-
wegte und entfernte Dinge. So wird auch der
Künstler die betreffenden Objekte darstellen. Ferner
bestimmt sich die Farbe nach ihrer Umgebung,
nach der Relation für andere Nachbarfarben. End-
lich ist jedes Kunstwerk auf eine bestimmte Ent-
fernung berechnet, aus welcher gesehen es allein
zu richtiger Geltung kommt; der zu nahe hinzu-
tretende Beschauer bemerkt ein scheinbares Chaos
von Farbenstrichen. Dies die Thesen der Impres-
sionisten.
Einzelne derselben verfolgten schon jeneKünstler,
auf deren Schultern die Kunst des XIX. Jahrhunderts
sich aufbaute: die grossen Venezianer des XVI. Jahr-
hunderts, die an sie anknüpfenden Spanier des
XVII. Jahrhunderts und die Niederländer des
XVII. Jahrhunderts. Diese Anfänge des Impres-
sionismus werden an einzelnen Beispielen ersicht-
lich gemacht, einem Prokuratorenporträt des Jacopo
Bassano (nicht Tintoretto, aus der Akademie), einem
sehr interessanten Mönch in Verzückung von Teoto-
copuli, genannt el Greco (aus der Sammlung
Zuloaza, Sevilla) und einer Skizze Carrenos (aus
der Akademie). Ein Frauenbildnis, dem Velasquez
zugeschrieben, ist wohl nicht vor 1700 entstanden
und für den Impressionismus wenig charakteristisch.
Desgleichen dürften statt der Skizzen des Rubens
(aus der Akademie) und dem herrlichen Künstler-
atelier des Jan Vermeer van Delft (aus der Galerie
Czernin) Werke des Frans Hals, Rembrandt und
van Goyen am Platze gewesen sein.
Bedeutsam setzt mit Francisco Goya (1746
bis 1828) die moderne Kunst ein. Ein kraftvoll
phantasiereicher Künstler hat er die Spanier, die
seit dem Ende des XVII. Jahrhunderts von ihrer
hohen Kultur herabgesunken waren, ganz ent-
scheidend zu Worte gebracht.
Eine prachtvolle Landschaft (La Cucana), ein
wilderregtes Stiergefecht, ein Porträt der Marquisa
di Baena und mehrere Skizzen zeigen die erstaun-
liche Vielseitigkeit dieses geistvollen Künstlers, der

ausserdem durch eine reiche Kollektion von Radie-
rungen (zumeist aus den Capriccios) vertreten ist.
Mit sicherstem Instinkte schaffen in derselben
Richtung weitergehend die Engländer Turner und
Constable bedeutende und weit über ihre Zeit
hinausreichende Werke (sie fehlen auf der Aus-
stellung). In Frankreich bildet sich ein Delacroix
(von ihm eine Skizze ausgestellt), noch wesentlich an
Rubens und van Dyck sich anlehnend. Mrllet, Corot
und Courbetthun hier den entscheidenden Schritt. Nur
von Corot (1796 — 1875) ist ein überaus schönes
Bildchen einer Frau mit entblösstem Oberkörper
ausgestellt. Zu Uebertreibungen gelangten, der
Freiheit masslos sich freuend, Honore Daumier
(1808—1879) und Adolf Monticelli (1824—1888).
Der geistreiche Daumier verteilt frei Licht- und
Schattenmassen, um einen momentanen Ausdruck
eines Kopfes, einer Miene festzuhalten, Monticelli
setzt allzusehr, von derZeichnung absehend, mosaik-
artig einzelne Farbentupfen nebeneinander und
stellt damit ein Prinzip auf, dem folgend später
bisweilen eine eigenartige Durchlichtung der Farbe
erzielt wurde.
Als eine sehr begabte, das Positive scharf er-
fassende Persönlichkeit tritt uns Eduard Manet
(1833—1883) entgegen. Einige Gartenansichten,
ein Stiergefecht, eine vorzügliche Gruppe spanischer
Tänzer, endlich das Porträt der Malerin Songalös
fesseln durch ihre virtuose Ausführung, Farben-
freudigkeit und treffliche Charakterisierung. Zu
seinen besten Leistungen, wie dem „Frühstück im
Freien“ nähert sich ihm Claude Monet (geb. 1840),
dessen Landschaften unter den übrigen ausgestellten
Werken am anziehendsten sind, während die ganz in
schematischen Strichen durchgeführten Porträts von
Monsieur und Madame Paul einen Mangel an Formen-
gefühl verraten. Gerade als Bildnismaler ist dagegen
August Renoir (geb. 1841) vorzüglich vertreten.
Auffallend ist hier die Forderung genauer Einstellung
des Auges auf den vom Maler bestimmten Punkt,
meist im Auge der dargestcllten Hauptperson liegend,
dessen nahe Umgebung im Bilde scharf gezeichnet
ist, indes die Deutlichkeit nach der Peripherie zu
abnimmt. An Renoirs Werken, von denen nur
„Der Landungsplatz an der Seine“, „Die Theater-
loge“ und „Die heiteren Paare in der Laube“ ge-
nannt seien, bewundern wir eine grosse Feinheit
und Grazie verbunden mit zartem Farbengeschmack.
Durch scharfe Beobachtungsgabe und Erfassung der
Bewegung zeichnet sich Edgar Degas (geb. 1839)
 
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