Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

DOI Artikel:
Frimmel, Theodor von: Bilder von seltenen Meistern, 16, ein unbeschriebenes Bild von Georg Pencz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0112

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
91

Bilder von seltenen Meistern.
Von Dr. Th. v. Frimmel.
XVI.

Ein unbeschriebenes Bild von Georg Pencz.
Sehr gemischt war die Gesellschaft von Bildern,
die am 26. November 1901 in Wien unter den
Hammer kam. Die Sammlung, die versteigert
wurde — es war die Ludwig Herzfelder’sche aus
Budapest — enthielt mehrere gute, viele mittel-
mässige Bilder. Die Benennungen, die sie trugen,
haben sich in den meisten Fällen als verfehlt heraus-
gestellt. Der angebliche „Altdeutsche“ No. 4, die
Stigmatisierung eines Mönches (St. Franziskus)
darstellend, war augenscheinlich ein alter Bolognese
aus der Zeit und Richtung eines Aspertini. Ein
angeblicher F. Boi, No. 11, erwies sich als deut-
sches Bild von 1662. No. 12 war kein Bordone,
sondern eine niederländische Kopie nach einem
seiner Bilder. Man kann das Stück in der Nähe
des Otho Veenius unterbringen. No. 17 dürfte eine
flüchtige Arbeit von Momper dem Jüngeren und
Jan Brueghel II. gewesen sein. Von Jan Brueghel I.
war diese Landschaft gewiss nicht. Ebensowenig
passte die folgende Nummer 18 zu diesem be-
rühmten Namen. Ich meinte die Hand des
J. G. Platzer darin zu erkennen. Sicher fiel dieses
„Paradies“ um mehr als hundert Jahre später, als
die Blütezeit des Jan Brueghel. Und so könnte
die Kritik fast zu jeder Nummer eine Bemerkung
machen. Als das beste Bild der ganzen Ver-
steigerung und eines der wenigen, die richtig be-
kannt waren, erwies sich eine Lukrezia von Pencz.
Von Halbwissern wurde es für stark übermalt er-
klärt, von anderen, die billig kaufen wollten, sonst-
wie herunter gesetzt. Nun das Bild ist vortrefflich er-
halten gewesen und hat nur durch einen Sprung im
Brette ein wenig gelitten. Es wird anbei (Taf. 15) nach-
gebildet und einige beschreibende Angaben mögen
dem Bilddrucke nachhelfen. Der volle, fast üppig
gebildete Körper der Lukrezia zeigt Andeutungen
einer Schnürfurche. Die Hautfarbe ist die eines
gesunden blutreichen Körpers. Links oben ein
grüner Vorhang. Vom roten Mantel ist über der
linken Schulter der Lukrezia ein Pelzbesatz sicht-
bar. Dunkel bräunliche Architektur bildet rechts
(vom Beschauer aus genommen) den Hintergrund,
auf den rechts oben die folgende Signatur,
Datierung und erklärende Inschrift angebracht sind:
1548, symmetrisch geteilt und vom bekannten
Monogramm unterbrochen. Darunter zum
Teil verkommene Züge, aus denen sich übrigens
mit ziemlicher Sicherheit folgende Lesung ergibt:
FAMA MOR(TE)
TRIVMFHA(T)
Diese Inschrift spielt offenbar auf den Gedanken-
gang der Trionfi des Petrarca an, wonach Fama
über den Tod siegt. Dem Pencz, der ja Stiche

zu Petrarcas Gedicht gefertigt hat1), musste die
angedeutete Gedankenverbindung zwischen Fama
und Mors geläufig sein.
Diese Lukrezia des Pencz ist auf Lindenholz
gemalt. Höhe 81, Breite 66 cm. Lebensgrosse
Halbfigur.
Bei der Herzfelder’schen Versteigerung wurde
das Bild durch Herrn Gaston Ritter v. Mall-
mann erworben, einen Sammler, der es verstanden
hat, sich in verhältnismässig kurzer Zeit mit zahl-
reichen trefflichen und interessanten Bildern zu
umgeben. Im Laufe der jüngsten Jahre hat er auf
zahlreichen grossen und kleinen Auktionen (z. B.
bei Hirschler in Wien, Oldenbarnevelt in Amsterdam,
Grossmann in München) wertvolle, künstlerisch
und kunstgeschichtlich bedeutende Dinge erworben.
Die Reihe der „Bilder von seltenen Meistern“
dürfte noch wiederholt auf Mallmanns Galerie zu-
rückkommen, die seit einigen Monaten aus Wien
fortgebracht und auf das neue Schloss Blaschkon
in Böhmen übertragen worden ist.
Dass heute ein Bild von Georg Pencz unter
die „Seltenen“ eingereiht wird, bedarf vielleicht
einer Begründung. Pencz ist ein vielgenannter
Name in der Kunstgeschichte. Nimmt man die
Gesamtheit seiner erhaltenen Werke, so ist er ge-
wiss kein seltener Meister. Seine Stiche sind in
allen grossen Sammlungen durch Beispiele ver-
treten. Dagegen ist es gewiss gerechtfertigt, ein
Gemälde des G. Pencz als Seltenheit zu be-
trachten. Die „Forschungen zu Georg Pencz“. von
Albrecht Kurzwelly zählen nur 22 Werke des
interessanten Künstlers als sicher auf. Und von
diesen ist eines, das Ecce-homo-Bild aus der
Auktion Einsle von 1895 mit einem gewissen Vor-
behalt aufzunehmen.2)
Noch ein Punkt sei berührt. Die Literatur
über die Bilder in Schleissheim spricht von einer
Lukrezia in dem genannten Schlosse, die nach
Pencz kopiert sei. Ich habe keine Erinnerung an
dieses Stück bewahrt und musste behufs Ver-
gleichung mit dem Bilde der Galerie Mallmann
fremde Hilfe in Anspruch nehmen. In dieser Be-
ziehung bin ich den Herren Geheimen Rat Professor
Fr. v. Reber und Herrn Konservator H. Bever zu
Dank verpflichtet. Die Vergleichung hatte ein ver-
neinendes Ergebnis. Die Darstellungen beider
Bilder haben nichts Wesentliches gemeinsam.
1) Bartsch No. 117 bis 122. Die Reihenfolge, in der Bartsch die
Stiche aufzählt, ist nicht die richtige. Erst die folgende Umstellung ergibt
die zutreffenden Beziehungen zum Gedicht: 117, 118, 121, 119, 120, 122.
In meinen Beiträgen zu einer Monographie des Todes (S. 53 des Sonder-
abdruckes) ist längst auf diese Umstellung hingewiesen. Eine Abbildung
aus der Reihe wird geboten bei Comte d’Essling und Eug. Müntz „Les
Triomphes de Petrarque“. Als ältere Literatur zu den Trionfi des Pencz
ist auch P. J. Mariettes Abecedario zu nennen.
2) Eine ausführliche Kritik des wertvollen Buches von Kurzwelly
liegt mir diesmal ferne und ich unterdrücke eine Menge Gedanken und
Notizen über Pencz, die nur ganz mittelbar mit der Lukrezia Zusammen-
hängen.
 
Annotationen