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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Dänemark
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Die bildende Kunst in Dänemark.
Von Dr. Pudor.

Mit Dänemark verhält es sich bezüglich der
Entwicklung der bildenden Künste ähnlich wie mit
Norwegen und mit den skandinavischen Ländern im
allgemeinen. Auch die dänische Kunst hat schwer
gekämpft, ehe sie eine nationale Bedeutung erlangen
konnte. Auch sie ist fremdländischen Einflüssen,
sowohl Deutschlands, als Hollands und Frankreichs,
Italiens und der Antike mehr zugänglich gewesen,
als für ihre Entwicklung zur Selbständigkeit gut war.
Als ein baukünstlerisches Leben in Dänemark
erwachte, lieferte der romanische Stil die Formen;
im besonderen waren es die Dombauten der deutschen
Rheinlande, welche einen bestimmenden Einfluss
auf die Architekten der dänischen Kirchenbauten
übten. Hier sind die Domkirchen in Lund, Roskilde
und Veborg zu nennen. Und dieser Einfluss des
romanischen Baustiles der Rheinlande hat nach-
gewirkt bis auf die Gegenwart. Die Stilformen des
Chorschlusses der Domkirche in Lund, selbst ent-
lehnt den deutschen Domen romanischen Stiles
(Worms, Trier, Speyer etc.), sind von den Archi-
tekten des modernen Dänemarks auf die Profan-
bauten, auf öffentliche Bauten und Geschäftshäuser
übertragen worden.
Die gotische Baukunst entfaltete keinen be-
sonderen Glanz in Dänemark. In dieser Zeit waren
es die deutschen Ostseestädte, besonders Lübeck,
mit ihrer Backsteinarchitektur, welche den dänischen
Baukünstlern als Vorbilder dienten. Der Backstein
selbst war schon zur Zeit Waldemars des Grossen
als Baumaterial in Dänemark zur Verwendung ge-
kommen, um so mehr als Dänemark an natürlichen
Steinarten ziemlich arm ist.
In der Renaissance-Zeit wiederum gaben die
Bauten des nordwestlichen Deutschlands und be-
sonders Hollands der dänischen Architektur das
Gepräge. Auch in dieser Zeit war das Hauptmaterial
Backstein, während Sandstein zu den Umrahmungen
benutzt wurde. Diese Renaissance-Zeit ist die
glänzendste Periode der dänischen Profan - Archi-
tektur. Aus derselben stammen die Schlösser
Uranienburg, Frederiksborg, Rosenborg, die Börse
und das dänische Stamm- und Nationalschloss
Kronborg, sämtlich Bauten von grosser Stilreinheit,
bedeutender künstlerischen Schönheit und ausser-
ordentlicher malerischer Wirkung. Man muss ge-
stehen, dass die Verbindung, welche die dänische
Architektur mit der holländischen einging, eine
organische und eine äusserst glückliche war. In
der Tat ist das dänische Land von dem holländi-

schen nicht sehr verschieden. Wir finden hier und
da Marschboden, und das Klima, die Luft, die
Atmosphäre ist namentlich in Kopenhagen der
holländischen sehr verwandt. So schien es, als ob
man, indem man den holländischen Renaissancestil
herübernahm, sich im Besitze dessen, was für das
Land am besten passte, glücklich wähnte. Man
hat bei diesen Bauten nicht den Eindruck, als ob
Fremdländisches adoptiert sei, sondern als ob sie
auf dem heimischen Boden gewachsen seien. Kaum
möchte man sich Kopenhagen ohne die Börse
denken. Für die flachländische Kanalstadt Kopen-
hagen ist dieser Stil mit seinem Ausdruck des Be-
häbigen, des Gesunden und Freudigen wie ge-
schaffen. Der Giebel, der bei diesem Baustil eine
so wichtige Rolle spielt, diente bei den alten
hanseatischen Bauten dazu, den Krahn aufzunehmen,
welcher die Waren in den Speicher hinaufzog. An
diese Bestimmung des Giebels denkt man unwill-
kürlich bei den zahlreichen Giebeln der Kopen-
hagener Börse. Es ist wahr, dass dieser Bau im
einzelnen mehr die Stilformen der Spätrenaissance
zeigt und fast schon barock wirkt; es ist wahr,
dass die ganze Anlage auf der anderen Seite mehr
malerisch, als streng architektonisch - monumental
wirkt, aber doch ist von hier zu der Regellosigkeit
und Ueppigkeit des eigentlichen Barockstils noch
ein weiter Weg. Wenn die Kopenhagener Börse
auch nicht den strengsten Anforderungen der
Architektonik genügen kann, darf man sich an
diesem Kauffahrteihause mit vollem Rechte er-
freuen — erfreuen, wenn auch nicht erbauen. Und
ähnliches gilt von der Rosenborg in Kopenhagen,
bei der nur leider die meisten Masken in den
Giebelfeldern über den Fenstern wenig gelungen
sind. Dagegen sind es hier die zahlreichen, treff-
lich konstruierten, viereckigen und sechseckigen
Türme, welche dem Ganzen einen stimmungsvollen,
bewegten und auch hier wieder malerischen Ein-
druck verleihen. Ausserdem erhöht die sehr
glücklich getroffene Abwechslung zwischen Back-
stein und Sandstein, besonders an den Gebäude-
ecken, den günstigsten Eindruck. Und dieser
holländische Renaissancestil ist ebenso wie der
romanische Stil älterer Zeit für die dänische Archi-
tektur bis auf die Gegenwart von bestimmendem
Einfluss gewesen. Man baut heute in Kopenhagen
entweder im romanischen Stil oder im Stil Chri-
stians IV., wie man den holländischen Renaissance-
stil nennt, einen dritten giebt es nicht.

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