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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Eisler, Robert: Mantegnas frühe Werke und die römische Antike
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159

Mantegnas frühe Werke und die römische Antike.
Von Robert Eisler.

Vasaris Biographie des Mantegna in der ersten
Auflage seiner Künstlerviten (1550) ist als Quelle
vollkommen wertlos. Insbesonders sind die An-
gaben über die Jugend des Künstlers ganz frei er-
funden. Vasari war über die Stellung, die Mantegna
am Hof der Gonzagas eingenommen hatte, unter-
richtet und hielt ihn deshalb für einen in der Um-
gegend von Mantua heimischen Künstler, der in
dieser Stadt auch seine erste künstlerische Aus-
bildung erhalten habe.
Als er im Jahre 1568 die zweite Auflage seines
Werkes veranstaltete, benutzte er die willkommene
Gelegenheit, seine unzulängliche Darstellung nach
den Angaben eines besser unterrichteten Lokal-
historikers zu ergänzen und zu berichtigen.
Bernardino Scardeone, Kanonikus in Padua,
hatte nämlich inzwischen (1560) in einem Quart-
band von 437 Seiten unter dem Titel „de antiquitate
urbis Patavii“ die Denkwürdigkeiten seiner Vaterstadt
gesammelt. Das Buch ist in einem ziemlich künst-
lichen, mit Quintilianischen und Ciceronianischen
Floskeln verzierten Latein abgefasst und enthält
u. a. die Biographien berühmter paduanischer
Dichter, Gelehrter und Künstler. Die in diesem
Zusammenhang eingeschaltete Lebensbeschreibung
des Mantegna, ergänzt durch die unmittelbar voran-
stehende des Squarzione, bildet, wie gesagt, die
Grundlage der jüngeren Darstellung des Vasari
und ist daher als die ursprüngliche Quelle für
diesen Abschnitt der Kunstgeschichte zu betrachten.
Die wichtigste Stelle dieses Berichtes hat bis
heute eine ausreichende kritische Behandlung noch
nicht gefunden. Sie lautet (Fol. 37 v.) folgender-
massen :
„Pinxit postmodum sacellum Eremitarum et
primo historiam D. Jacobi apostoli incertis coloribus:
quam cum Squarzonus eius magister et pater adop-
tivus satis commendasset et colores damnasset,
stomachatus eius verbis Mantinea, sub illa (?!) postea
pinxit historiam D. Christophori, quae ibidem pin-
genda restabat: et in ea non amplius imagines a
statuis Romanis, ut prius, quas adumbrare
tantum licebat, sed a vivis hominibus traxit: quae
quidem vulgo magis adprobantur ac longo inter-

„Lord Byrons verwandelter Teufel ist ein
fortgesetzter Mephistopheles und das ist recht.
Hätte er aus origineller Grille ausweichen
wollen, er hätte es schlechter machen müssen.
So singt mein Mephistopheles ein Lied von
Shakespeare und warum sollte er das nicht?
Warum sollte ich ein eigenes erfinden, wenn
das von Shakespeare eben recht war und eben
das sagte, was es sollte? Hat daher auch die
Exposition meines Faust mit der des Hiob
einige Aehnlichkeit, so ist das wiederum ganz
recht und ich bin deswegen eher zu loben als
zu tadeln.“
Goethes Gespräche mit Eckermann,
18. Januar 1825.
vallo prioribus praeferuntur: quamvis auctor ipse
picturas a Romanis imaginibus extractas quam a
vivis corporibus magis probaret. Hac potissimum
ratione,quod statuarii et sculptores antiqui demultis
corporibus perfectas ipsorum partes sibi eligebant,
absque vitio formandas. Sed qui naturam tantum
uniuscuiusque viventis imitatur, cum nullum fere
corpus reperiatur, quod vitiis careat, necesse sit
eos, qui eiusdem naturae imitatores esse velint,
eodem vitio cum ipsa natura peccare.“
Die hier gegebene chronologische Anordnung
der einzelnen Bilder ist bis jetzt kritiklos hin-
genommen und allgemein wiedergegeben worden,1)
was um so merkwürdiger berühren muss, als die
Bilder in der Tat auffallende Unterschiede unter-
einander aufweisen, wodurch sich ohne weiters
geeignete Anhaltspunkte für die zeitliche Einreihung
ergeben.
Erleichtert wird diese Aufgabe überdies da-
durch, dass von den sechs Feldern, die in Betracht
kommen,2) je zwei durch die Komposition zu einer
Einheit verbunden sind. So bleiben uns drei Gruppen:
a) die oberen Jacobusbilder,
b) die unteren Jacobusbilder,
c) die Christophorusbilder.
Davon müssen einmal unbedingt die unteren
Jacobusbilder die spätesten sein. Hier tritt nämlich
zum erstenmal die konsequent subjektive, d. h. auf
den tiefer stehenden Betrachter rücksichtnehmende
Augenpunktskonstruktion auf. Diese Neuerung ist
durchaus keine Grille oder individuelle Laune des
Künstlers, sondern ein notwendiges Ergebnis des
damaligen Kunstwollens überhaupt. Die antike
Malerei kannte die in der Perspektive gelegene
Rücksicht auf den örtlichen Standpunkt des Be-
schauers nicht. Erst die Renaissance führte diese
Neuerung ein und zwar zuerst an Tafelbildern.3)
In der Dekorationsmalerei erhielt sich die über-

1) Vgl. Crowe und Cavalcaselle, V. S. 380 ff. der deutschen Ausgabe
und Woermann, Gesch. d. M. II. S. 263, ebenso in den Monographien von
Thode, Yriarte und Kristeller.
2) Die Zwickel der Jacobuslegende sind nicht von der Hand des
Mantegna, wie Kristeller meint.
3) Vgl. die bezeichnende Stelle über die Guckkastenbilder des
Brunnelesco in seiner von Manetti geschriebenen Vita (ed. Frey, Berlin
1887. S. 68/69).
 
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