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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Lemcke, Heinrich: Das Kunsthandwerk bei den Indianern in Mexiko
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Hoerschelmann, Emilie von: Die Bluthochzeit des Astorre Baglioni in Perugia
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0171

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erkennen, unter denen namentlich die feingearbeiteten
und mit viel Farbensinn bemalten Spazierstöcke
in Amerika viel Anklang gefunden haben. Miss Alice
Roosevelt, dieTochterdes Präsidenten der Vereinigten
Staaten, fand so viel Gefallen an diesen Spazier-
stöcken, welche von jungen Kaffeebäumen her-
gestellt werden, dass sie dieselben bei der Damen-
welt in Washington als neueste niedliche Mode-
Handwaffen eingeführt hat.
Vielerlei Korbwaren und alle diejenigen kleinen
Kunsthandwerk- und Spielwaren-Erzeugnisse, die
man in Deutschland gemeinhin als „Nürnberger
Tand“ bezeichnet, werden hier von Indianern ver-
fertigt.
Als wirkliche Kunstgärtner übertreffen die
mexikanischen Indianer in der Zusammenstellung

farbenprächtiger Blumenbouquets und sonstiger
grosser Blumen-Arrangements und Dekorationen alle
und jeden modernen Kunstgärtner in der alten Welt.
Aber diese Indianer sind auch sehr geschickt
darin, alte archäologische Funde täuschend
ähnlich nachz ub ilde n, und manchem Welt-
reisenden, der Mexiko mitbesucht, um hier Anti-
quitäten zu sammeln, halsen sie ihre selbst-
verfertigten Götzen und sonstigen Figuren als
„ächt“ auf. Freilich sind sie auch hierbei wieder
so naiv, dass, als ein Reisender eine solche Götzen-
figur von einem Indianer einmal kaufte, er diesen
vorsichtshalber fragte: „Ist der Götze auch ächt?“,
worauf der Indianer treuherzig, in Deutsch über-
setzt, antwortete: „Ja, Senor, ich habe ihn erst
gestern selber neu angefertigt!“

o q o

Die Bluthochzeit des Astorre Baglioni in Perugia.
Von E. von Hoerschelmann.

Wie in den meisten gleichzeitigen italienischen
Kleinstaaten, so hat im Laufe des XV. Jahrhunderts
auch in Perugia die Herrschaft einzelner über-
mächtiger Signoren die ursprünglich demokratische
Verfassung zu einem blossen Schemen herab-
gedrückt.
Waren es zuvor die „della Corria“ und die
von jeher usurpatorische Tendenzen verfolgenden
„Oddi“, die miteinander um den Vorrang stritten,
so treten im Laufe des XV. Jahrhunderts dieselben
Oddi in die Schranken gegen die mächtige Sipp-
schaft der Baglioni, die auch schon seit Jahr-
hunderten eine hervorragende Stellung unter den
reichen Adelsgeschlechtern von Perugia behaupten.
Die „Oddi“, so lesen wir in einer zeitgenössi-
schen Chronik, „gleichen darin dem Cäsar, dass
sie keinen dulden, der über ihnen stände, und die
Baglioni dem Pompejus, der keinen neben sich
ertrug.“
Trotzdem fehlt es nicht an allerhand von Zeit
zu Zeit sich wiederholenden Versöhnungsversuchen
von beiden Seiten.
Als im Jahre 1470 Sforza degli Oddi sich
mit Isabella Baglioni vermählt, jubelt die ganze
Stadt und hofft auf „bessere Zeiten“.
Aber die erhofften „besseren Zeiten“ liessen
trotz einer ganzen Serie ähnlicher, in der Folge
sich vollziehender Verbindungen vergeblich auf sich
warten.

Wie es im Grunde um die Aufrichtigkeit
dieser anscheinenden Friedensansichten bestellt
war, das illustriert unter anderem einer jener Vor-
gänge, die mitunter — genau in dem Sinne, wie
es die Aufgaben der eigens dazu engagierten Hof-
narren im Mittelalter war — heut und zu allen
Zeiten mit groteskem Humor den Ernst der Dinge
durchbrechen.
Als wieder einmal durch eines jener Heirats-
projekte zwischen einem Oddi und einer Baglioni
die Ruhe in der Stadt wieder hergestellt werden soll
und in feierlicher Ratssitzung die bezüglichen Akten
geschlossen werden, erhebt sich Baldo Bartolini,
der angesehenste Advokat Perugias, der von beiden
Parteien ersucht wird, den nunmehr beschlossenen
Frieden offiziell zu beschwören. Die Hand zum
Schwur erhoben und unter Beobachtung aller vor-
geschriebenen Zeremonien ruft er mit lautschallender
Stimme: „Jo quiro ehe Quest e una Pappolata.“
(Ich schwöre das dies ein unsinniges Geschwätz ist.)
Gegen Ende des XV. Jahrhunderts erlischt der
Glücksstern der Oddi. Unter zahllosen blutigen
Fehden ebnen sie selbst durch wiederholte Nieder-
lagen ihrer Partei den verhassten Rivalen den
Weg zu der bisher von beiden Seiten angestrebten
Alleinherrschaft.
Der schwankenden Haltung des Papstes, für
dessen Privat-Interessen die Baglioni seit langem
schon in Perugia eintraten — wohl wissend, dass
 
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