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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Wolf, Georg Jacob: [Rezension von: Georg Hirth (Hrsg.), Der Stil in den bildenden Künsten und Gewerben aller Zeiten, 2]
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Escherich, Mela: Dürers Beziehungen zu gotischen Stechern
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0296

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244

ich gerne ein Wort gesagt hätte, Burne-Jones,
Feuerbach, Falguiere, Böcklin, Stuck, Hildebrand,
Max, Thoma und Lenbach, ja ich muss mir sogar
die lockende Nebeneinanderstellung der Kunst
Rodins und Klingers versagen, nur einem Einsamen
möchte ich zuguterletzt noch ein paar Worte
widmen: Hans von Marees (1837—1887). Man hat
Marees den Maler des goldenen Zeitalters genannt.
Es ist ein sorgloses Dasein, das aus seinen Bildern
spricht — „es ist wie der Traum von der südlichen
Insel, auf der dem Menschen ein Leben zu führen ver-
gönntist, fern von allem Lärm und aller Trübsal“. Eine
neue Welt, „deren ganzer Sinn in ihrer Gestaltung

zu einer möglichst realen Sichtbarkeit liegt“, neben
die reale, die wir mit allen Sinnen fassen, hinzu-
stellen — darin sah Marees seine Aufgabe. Seine
Auffassung vom schönen Menschen (z. B. auf dem
Bild der „Jünglinge in einer Landschaft“ — Tafel
179 —) ist eine neue, eigenartige. Eine Vereinigung
griechischer und italienischer Schönheit, die mit
deutschem Geist durchdrungen ist — es ist der
Weg zu einer neuen Schönheit, wie wir sie sonst
nirgends in dem prächtigen Werk, das uns die
schönen Menschen von sechs Jahrtausenden vor die
Augen stellte, gesehen haben, aber es ist wahrhaftig
nicht die schlechteste und schwächste Schönheit.

4)

Dürers Beziehungen zu gotischen Stechern.
Von M. Escherich.

In nachstehenden Notizen habe ich den Ver-
such gemacht den Zusammenhang einiger früher
Arbeiten Dürers mit den Stichen des Meisters E. S.
und denen des Hausbuchmeisters nachzuweisen.
Es ist vom stilkritischen wie allgemein kulturellen
Standpunkte gleich interessant zu sehen, wie der
junge Meister aus dem kurzen Anschluss an das
Vorbild zur eignen Selbständigkeit gelangte und
mehr noch, aus der alten Epoche der Gotik sich in
die neue Zeit, die Renaissance hinein entwickelte.
Den Aufschwung, den der Kupferstich gegen das
Ende des 15. Jahrhunderts genommen, bedeutete
die letzte Kraftleistung des scheidenden Stiles und
zugleich eine wichtige Grundlage für das neue
Künstlergeschlecht und die neue Kunst.
Die wachsende Erkenntnis, dass die grosse
Blütezeit deutscher Kunst, welche wir Renaissance
nennen, auch ohne die niederländischen und
italienischen Einflüsse hätte in Erscheinung treten
müssen, weist naturgemäss unsere Aufmerksamkeit
auf die Meister des 15. Jahrhunderts. Und dass
hier den Stechern die grösste Bedeutung zukommt,
ist klar, weil die gestochenen Blätter allgemeiner,
moderner, volkstümlicher waren als die an bestimmte
Aufstellungsorte gebannte Malerei und Plastik. Die
Blätter, die von Stadt zu Stadt flogen, waren Kultur-
träger wie heute die Lithographien und billigen
Meisterreproduktionen.
Im Hause des Goldschmieds Dürer und noch
mehr in dem nahebelegenen des Malers Wolgemut
waren die damals modernen Kupferstiche natürlich
auch bekannt. Man darf sogar annehmen, dass in

der Wolgemutischen Werkstatt davon Kopien an-
gefertigt wurden. Solche Dinge kopieren können,
war gewiss der Ehrgeiz des Knaben Dürer. In der
Werkstatt, wo er schon vor seiner Aufnahme als
Lehrling wahrscheinlich sich herumtrieb, begann er
es dann zuerst zu versuchen, wie’s die andern
machten, kopierte und kombinierte nach Herzenslust.
Die Madonna von 1485 (Kupferstichkabinet
Berlin) ist ein solches Beispiel einer variirten Kopie.
Sie verrät die Bekanntschaft mit Schongauer, dem
Hausbuchmeister und am stärksten mit dem Meister
E. S. Die nackte unschöne Figur des Kindes ist
für letzteren geradezu typisch.
Hierbei möchte ich bemerken, dass der Meister
E. S. speziell für das Jesuskind einen bestimmten
Typus geschaffen hat, der wie es scheint, stark zur
Nachahmung anregte. Direkt übernommen hat ihn
Schongauer, doch individuell ungewertet. Sorg-
samer hielt sich der seltsame Meister des Seligen-
städter Altars (Galerie Darmstadt) an das Vorbild,
nur dass bei ihm die Formen steifer, kümmerlicher
wurden. Auch die Madonna, das seidig flutende
Haar wie die eigentümliche Handstellung wirken
in der Zeichnung fast wie Kopie. Vor den Ge-
mälden kommt dies weniger zur Geltung als in der
Reproduktion. (Thode, Jahrb. d. pr. Kunsts. XXL)
Es darf nicht Wunder nehmen, dass dieser epoche-
machende Meister E. S. auf den vierzehnjährigen
Dürer ebenfalls beeinflussend wirkte. Dennoch
wagte sich der Knabe schon an Variationen. Ge-
wiss erregten die romantischen Jünglingsfrisuren
des Hausbuchmeisters seine vollste Bewunderung,
 
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