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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Landau, Paul: Delacroix und sein Tagebuch
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Wolf, Georg Jacob: [Rezension von: Georg Hirth (Hrsg.), Der Stil in den bildenden Künsten und Gewerben aller Zeiten, 2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0288

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236

So wird auf Seite 76 von einer Dichtung
Petrarcas „über Afrika“ („sur l’Afrique“) ge-
sprochen, wobei doch nur sein Epos Africa gemeint
sein kann, das den Scipio Africanus zum Helden
hat; Seite 187 lesen wir: „Voltaire lässt seinen
Huron sagen: Die Tragödien der Griechen sind
gut für die Griechen“, einen Ausspruch, den
doch nur der wackre Hurone in „l’ingenu“ tun
konnte.
Doch werden solche einzelne Ausstellungen den
Wert der Publikation nicht vermindern, die uns
doch die reiche und prachtvolle Gedankenwerkstatt

des Malers so richtig und klar vorführt, dass eine
Lektüre der grossen Ausgabe das Bild höchstens
vertiefen und bereichern, nicht aber irgendwie ver-
ändern kann.
Es ist das Tagebuch Delacroix’s ein kostbares
Behältnis ewig wahrer Ideen über das eigentliche
Gebiet und die eigentlichen Wirkungen der Kunst.
In der Mannigfaltigkeit seiner Gedanken, der Reife
und Durchbildung seiner Erkenntnis kann man es
wohl mit dem Musterwerke dieser Art, mit dem
Malerbuch des Leonardo vergleichen, dem es an
historischer Bedeutung freilich nachsteht.


Der schöne Mensch in der Kunst aller Zeiten.*)
Von Georg Jacob Wolf.

In Dr. Artur Weese hat Hirth einen sach-
kundigen und feinsinnigen Bearbeiter für den zweiten
Teil des Werkes, für „den schönen Menschen in
Mittelalter und Renaissance“ gefunden. In einer
knapp gehaltenen Vorbemerkung gibt Dr. Weese
Rechenschaft darüber, wie er sich seine Aufgabe
zurechtgelegt hat, was er sich über die Stellung
der Gotik und der Renaissance zur Antike denkt.
Derjenige, der dem schönen Menschen auf der
Spur sei, meint Weese, brauchte ohne Zweifel mehr
künstlerische Organe als wissenschaftliche Hand-
haben, gleichwohl aber seien ihm die Mittel und
Methoden gelehrter Arbeit nicht ganz entbehrlich,
zum mindesten nicht für die historische Ordnung
des Stoffes. Trotz dieser Bemerkung hat Dr. Weese
wiederholt auf die historische Ordnung verzichtet,
und er hat gut daran getan, z. B. gibt er uns
gelegentlich eine Gegenüberstellung von zeitlich
weit auseinander liegenden Darstellungen Adams
und Evas: Die Brüder Eyck stehen da neben
Masaccio, Signorelli neben Dürer und Tizian.
Aber diese Ausserachtlassung des historischen
Momentes glaube ich im ästhetischen Interesse
besonders anerkennen zu müssen, denn gerade
durch die uns damit aufgezwungene Vergleichung
gewinnen wir Einblick in eine grosse und tief-
gehende Entwicklung der Malerei, in eine Reihe
feiner nationaler und individueller Verschieden-
heiten, auf die ich gelegentlich noch zu sprechen
kommen werde.

II.
Ganz treffend ist, was Weese über die not-
wendigen Bedingungen bei der Betrachtung einer
solchen „Schönheitsgalerie“ sagt: „Man wende sich
ihr nicht zu mit dem subjektiven Schönheitsbegriff
von heute oder dem objektiveren des klassischen
Ideales. Die Schönheit ist ein relativer Wert, der
im Laufe der Zeiten einem ständigen Wechsel
unterworfen ist. — Am sichersten führt uns jene
offene Empfänglichkeit für künstlerische Dinge, mit
der wir in einem Museum vor Neues und Altver-
trautes hintreten, und sie macht es auch leicht,
ebenso in der zarten, zierlichen Figur der Gotik,
wie in der charakterstarken Individualität einer
Renaissancegestalt den „schönen Menschen“ zu
entdecken.“
Weniger als mit diesen Worten kann ich mich
damit einverstanden erklären, dass Dr. Weese be-
hauptet, die neuere Kunst hätte, wenigstens was
den schönen Menschen betrifft, der Antike gegen-
über einen schweren Stand. Gewiss, die Antike
hat den Menschen nackt und in jener absoluten
Norm dargestellt, die auf jeden Appell an Phantasie
und Empfindung verzichtet und nur mit dem rein
körperlichen Eindruck den Formensinn zu sättigen
sucht. Gewiss, „die stille Haltung und gelassene
Seelenruhe hellenischer Statuen ist es, die die
Pracht der menschlichen Glieder erst recht in
Wirkung setzt“. Aber ist diese gelassene Seelen-
ruhe nicht oft der Ausdruck der Seelenlosigkeit,
des mangelnden Geistes? Und was nützt die Pracht

*) Der schöne Mensch in der Kunst aller Zeiten. I. Serie des „Stils in den bildenden Künsten und Gewerben“. Herausgegeben von
Dr. Georg Hirth. G. Hirth’s Kunstverlag. München.
 
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