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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Dänemark
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0218

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182

Als Illustratoren haben sich ausgezeichnet H. N.
Hansen und Hans Tegner. Letzterer (geb. 1853)
ist ein brillanter Sittenschilclerer und vortrefflicher
Zeichner; seine Illustrationen zu Holbergs Ko-
mödien (1882— 1888) haben beinahe klassischen Wert.
Im allgemeinen herrschte bis zu dem Jahre
1878 in Dänemark die David’sche Tradition, durch
Eckersberg und Roed übertragen. Ein Reichtum
an Namen, aber nicht an Individualitäten war vor-
handen. Seit der Pariser Ausstellung 1878 wurde
es etwas besser. Die Dänen lernten nun die fran-
zösische Freilichtmalerei kennen und zwar ins-
besondere diejenige Leon Bonnats, bei dem auch
L. Tuxen und später P. S. Kroyer in die Schule
gingen. Im Jahre 1887 wurde alsdann die Aka-
demie reorganisiert und frisches Blut zugelassen.
Seit diesem Jahre übten auch private Malerschulen,
die vom Staat Unterstützung erhielten, Einfluss aus
(Zahrtmann, Tuxen, Kroyer). Besonders die Frauen-
klasse der Akademie wurde seit 1888 stark be-
sucht. Der Porträtmaler L. Tuxen (geb. 1853)
steht der französischen modernen Kunst am nächsten,
seine Bedeutung liegt mehr in der Lehrtätigkeit.
Der bedeutendste Maler und vielleicht be-
deutendste Künstler der dänischen Kunstgeschichte
ist der Porträtmaler Peter Severin Kroyer (geb.
1851). Die Entwicklung, die dieser Künstler ge-
nommen hat, ist erstaunlich. Seine Porträts und
Genrebilder aus den 70er Jahren sind noch alt-
modisch und schwächlich. Bereits aus dem Jahre
1881 aber datieren einige vorzügliche Bilder, wie
„Romersk Kampagnol“, „Sardinenfabrik in Con-
carneau in Bretagne“ (technisch hervorragend) und
vor allem „Italienische Arbeiter in den Abruzzen“, im
Besitz des Museums zu Odense. Aus dem Jahre 1882
stammt das gute Porträt des Kammerherrn Architekt
Meldahl in der Kopenhagener Galerie, aus dem
Jahre 1883 das ausgezeichnete Bild ebendort „Fischer
bei Skagen“. In den folgenden Jahren scheint es,
als ob er Rückschritte mache. Aus dem Jahre
1887 datiert ein vorzügliches Pastellbildnis Pietro
Krohn, aus dem Jahre 1879 das interessante Pastell
Künstlerfrühstück in der Bretagne (im Besitz des
Direktor Hornemann). Die neunziger Jahre bringen
wieder einen bedeutenden Fortschritt. Immer mehr
entwickelt er sich zu einem Helllichtmaler. Das
Bild „Badende“ aus dem Jahre 1899 in der Kopen-
hagener Galerie ist ein Meisterwerk. Berühmt ist
sein grosses Bild „Abendgesellschaft in der
Jacobsen’schen Glyptothek“, auf derartigen Bildern
entfaltet er eine bedeutende Kraft der Charakteristik.
Interessant war auch das kleine Selbstporträt, das
in der Rathaus-Ausstellung zu sehen war. Die

Stockholmer Galerie besitzt ein grosses, aus-
gezeichnetes Pastell seiner Hand „Sommerabend
bei Skagen“.
Nicht unterlassen dürfen wir indes zu bemerken,
dass eine grosse, starke Individualität auch Kroyer,
wie fast allen dänischen Künstlern fehlt. Aber sehr
möglich, dass mit der Zeit auch diese ans Licht
treten wird. Und zum mindesten hat Kroyer in
technischer Beziehung den Sieg der Moderne in
Dänemark entschieden.
Kroyer hatte nach einem Besuch Italiens und
Spaniens besonders Rembrandt und Velascpiez
studiert. Dann erst wandte er sich dem dänischen
Strande zu. Michael Ancher (geb. 1849) liess sich
auf Skagen nieder, wo sich bald eine ganze Künstler-
kolonie ansiedelte, so dass man von der „Akademie
auf Skagen“ sprach. Ancher hat das Seemanns-
leben gründlich studiert und seine Seemannsköpfe
zeichnen sich durch starke, realistische Auffassung
aus. Er hat allerdings auch manches schwache
Bild geliefert. Auf der Rathaus-Ausstellung war ein
hervorragend gutes Bild von ihm „Ein krankes
Mädchen“ (1883), im Besitz des Buchhändlers
Aug. Bang, zu sehen, von grosser technischer
Brillanz, sehr hell und harmonisch in der Farbe
(nur das Buch, das das Mädchen hält, zu dunkel).
Sehr talentvoll ist auch Viggo Johansen (geb.
1851), der Genrebilder, Seemannsbilder und Porträts
malt. Seine „Wohnstube auf dem Lande“ (1882),
im Besitz des Dr. Bramsen ist ausserordentlich
fleissig. Das Doppelporträt „Fritz und Lars“, das
auf der Rathaus-Ausstellung zu sehen war, darf
geradezu als genial bezeichnet werden.
Ein vortrefflicher Landschaftsmaler ist Thorwald
Niss (geb. 1842), seine Bilder sind an dem vor-
herrschenden gelben Ton zu erkennen.
Fast alle dänischen Künstler neuerer Zeit sind
von Frankreich beeinflusst. Das Jahr 1888, in dem
eine grosse nordische Kunstausstellung in Kopen-
hagen stattfand, bedeutet ein Markjahr in der
dänischen Kunstgeschichte. Von nun ab werden
Anfänge eines Mystizismus und Symbolismus auch
in Dänemark bemerkbar.
Im allgemeinen leidet, wie die vorstehenden
Aufführungen dargetan haben werden, die dänische
Kunst an einem bemerkbaren Mangel an Indivi-
dualitäten. Und nicht nur an persönlicher, sondern
auch an nationaler Individualität fehlt es. Möglich,
dass dies im Klima, Land und Boden begründet
ist. Zu wünschen und zu erstreben ist jedenfalls,
dass die dänische Kunst die nationale Selbständig-
keit, um die es politisch so schwer gerungen hat,
künstlerisch finde.

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