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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Schmid, Ulrich: Der St. Ulrichskelch und der St. Ursulaschrein zu Ottenbeuren bei Memmingen in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0207

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171

Die beiden Schmalseiten führen uns das Martyrium
dieser Heiligen und ihrer Gefährtinnen vor Augen.
Bei diesen Reliefs zeigt sich deutlich, dass diese
Teile in der Uebergangszeit von der Gotik zur
Renaissance gefertigt wurden. Während nämlich
die Personen im Stile der Frührenaissance gehalten
sind, bemerkt man an der Gewandung der Figuren
spätgotische Nachklänge. Diese drei Seiten wurden
aber auch wirklich in der Uebergangszeit gefertigt,
nämlich im Jahr 1525 unter dem Abte Bernhard
Wiedemann aus Schrezheim bei Dillingen a. D.
(1508—1546). An den Ecken der zwei Langseiten

nebst den drei Weisen, welche ihre Opfergaben
darbringen. Besonders charakteristisch ist der
Kopf des Melchior; auf das Fläschchen, welches
er dem Jesuskinde darreicht, ist das Wappen des
Abtes Kaspar Kindelmann aus Stegen in der
Schweiz (1547—1584) und die Jahrzahl 1578 ein-
graviert. Links von Maria erblickt man ebenfalls
in Halbfiguren den hl. Petrus mit dem Schlüssel,
auf welchem die Buchstaben /. W. zu lesen sind,
und den hl. Benedikt und hl. Apostel Paulus. Die
Nebenseiten des Deckels sind je mit einem Engels-
kopf verziert. Die übrigen freien Flächen des


Abbildg. 16.
Der St. Ulrichskelch zu Ottenbeuren.

dieses Schreines sind die vier Evangelisten nebst
ihren apokalyptischen Zeichen abgebildet und zwar
auf der vorderen Langseite Matthäus und Johannes,
auf der anderen Markus und Lukas. Das Relief
der Rückseite hat als Gegenstand der Darstellung
das Martyrium der sieben Söhne der hl. Felicitas
und des hl. Theodor. Auf der Vorderseite des
Daches ist die hl. Dreifaltigkeit dargestellt; dabei
verdient besondere Erwähnung die Abbildung des
hl. Geistes mit einem menschlichen Leibe und
statt des Hauptes die strahlende Sonne. Man sieht
daraus, dass die Darstellung des hl. Geistes in
menschlicher Gestalt, welche ihre Erklärung in
1. Mosis 18,2 f. findet, wenn jetzt auch ungewöhnlich,
im Mittelalter und auch später öfters zur Anwendung
kam. Auf der Rückseite des Daches sind in Halb-
figuren abgebildet Maria mit dem Jesuskinde

Schreines sind mit hübschen Arabesken sehr fein
ziseliert.
Dieser noch sehr gut erhaltene Reliquiensarg
ist ein schönes Denkmal der Frührenaissance und
des deutschen resp. schwäbischen Gewcrbefleisses.
Derselbe wurde in der früheren Reichsstadt Mem-
mingen von dem Goldschmid J. Georg Werner im
Jahre 1578/79 gefertigt. Wahrscheinlich stammen
die oben besprochenen 3 Reliefs ebenfalls aus dessen
resp. seines Vaters Werkstätte. Zur Herstellung
dieses Schreines musste der Meister jenes Silber
benützen, welches bei dem Brande des Abtei-
stockes im Jahre 1565 in einen Klumpen zusammen-
geschmolzen war und erst einige Jahre später auf-
gefunden wurde. Im Innern ist der Deckel mit
Holz gefüttert, worauf sich folgende Inschrift
befindet:
 
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