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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Lemcke, Heinrich: Das Kunsthandwerk bei den Indianern in Mexiko
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0169
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Das Kunsthandwerk bei den Indianern in Mexiko.
Von Heinrich Lemcke in Mexiko.

Die Gesamtzahl der gegenwärtig in Mexiko
lebenden Indianer wird auf 4,247,605 oder 43 Pro-
cent der Gesamtbevölkerung Mexikos geschätzt,
welche wiederum in eine grosse Anzahl einzelner
Indianer - Nationen und -Stämme, sowie Familien-
stämme zerfällt. Fast sämtliche Indianerstämme und
-Familien haben ihre eigenen Sprachen und zählt
man noch heutzutage über 150 verschiedene
Indianersprachen und Dialekte in Mexiko.
Wenn auch der hohe Kulturzustand dieser
Indianer zur Zeit der Azteken- und Tolteken-
Herrschaft in Mexiko, von dem uns Altertums-
forscher berichten und noch jetzt gewaltige Monu-
mente und sonstige archäologische und ethno-
graphische Funde Zeugnis geben, schon längst
verschwunden ist, da die Spanier in den drei
Jahrhunderten ihrer Herrschaft in diesem Lande
(1520—1820) alles gethan haben, die vordem zu
hoher Kultur gekommenen Indianerstämme in jeder
nur denkbaren Weise der Fortschritte in der Civili-
sation und Kultur verlustig zu machen und zu
gewöhnlichen Sklaven zu erziehen, so bekundet
doch noch jetzt ihre ganze Race einen sehr be-
obachtenden Verstand und unverkennbares Talent
für Nachbildung und Arbeiten des Kunsthandwerks,
bei dem zu öfteren geniale Veranlagung zu er-
kennen ist.
Die mexikanischen Indianer sind im allge-
meinen ein hart arbeitendes, fleissiges und nüch-
ternes Volk, aus dem, wenn gebildet, ganz hervor-
ragende Staatsmänner, Gelehrte und tapfere Krieger
hervorgegangen sind. Wir erinnern nur an den
edlen, genialen Präsidenten Juarez und den Priester-
Soldaten Morelos, welche beide Vollblut-Indianer
waren.
Wenngleich jetzt die meisten Indianer dem
Ackerbau und der Viehzucht obliegen, so gibt es
doch auch viele, die sich mit irgend einem Kunst-
handwerk beschäftigen, und ihr Fleiss, ihre Ge-
schicklichkeit und oftmals geniale Veranlagung für
einzelne Zweige des Kunsthandwerks haben es
im Laufe der Zeit dazu gebracht, dass das Kunst-
handwerk der Indianer in Mexiko sich zu einer
solch grossen Blüte entfaltete, welches nicht nur
Tausenden von ihnen Beschäftigung gewährt, son-
dern auch unter der Bezeichnung „Curiosidads de
Indios Mexicana“ (Mexikanische Indianer-Kuriosi-
täten) neuerdings im Welthandel in Erscheinung
getreten ist.

In der Hauptstadt Mexiko giebt es eine grosse
Anzahl derartiger Kuriositäten-Verkaufsläden, welche
von den Indianern im ganzen Lande deren Kunst-
handwerks-Erzeugnisse beziehen und nicht allein


Abbildg. 15.
Timoteo Panduro.
Ein Meister des indianischen Knnsthandwerkes.

damit in der Stadt selber, sondern auch nach dem
Auslande einen schwunghaften Handel betreiben.
Alle diese Produkte des indianischen Kunst-
handwerkes geben Zeugnis von feinem Kunst-
verständnis und Geschmack in der Ausführung

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