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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Uhde-Bernays, Michael: [Rezension von: Robert Clermont Witt, How to look at pictures]
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Dannegger, Adolf: [Rezension von: Walter Pater, Die Renaissance]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0347
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Ausgangspunkt bedingt wurden. Und dieser ist be-
greiflich, aber auch sehr anfechtbar. Er ist aus-
gesprochen in dem schroff verkündeten Dogma
von der künstlerischen Minderwertigkeit erzählender
Bilder: „Solche Malerei ist nichts anderes als eine
verkleidete Geschichte (that painting is litterature
masquerading in disguise, S. 49)1“ Aber dieser Wert,
der aus dem offenen Visier des Kämpfers frisch
hervorschaut,hat dasAnheimelnde,dass er denGegner
halb entwaffnet. Und wenn auch einmal übers Ziel
hinausgeschossen wird, fehlen dafür hohle Phrasen
und verzückte Posen, selbstgefällige Heucheleien
und geschraubte Wendungen. Darum gewinnen wir
trotz seiner Fehler an dem Buche einen herzlich
willkommenen Gefährten.
Wie anfangs gesagt, müsste man viel tiefer gehen,
um ihm völlig gerecht zu werden. Jedes einzelne
der sechszehn Kapitel gibt zu Ergänzungen und Be-
trachtungen Anlass. Hier konnten nur der Grund-
fehler und der Hauptvorzug eingehend besprochen
werden. Warten wir also auf die nächste Auflage.
Aendert sie sich zum Guten, dann findet sie hoffent-
lich auch ihren Uebersetzer. Dann aber wird Herrn
Witt vorher empfohlen werden müssen, an deutschen
Galerien nicht so eilig vorüberzugehen, und neben
dem oft zitierten Lenbach auch Feuerbachs, Böcklins
und Klingers zu gedenken.
Hermann Uhde — Bernays.

Walter Pater. Die Renaissance. Studien in Kunst
und Poesie. Autorisierte Ausgabe aus dem Eng-
lischen von W. Schölermann. Leipzig, Eugen
Diederichs Verlag.
„Dieses Buch der Renaissancestudien scheint mir,
auch wenn ich die andern Bücher Paters zur Wahl
stelle, manchmal das schönste Prosabuch unsrer
ganzen Literatur zu sein. Nichts darin ist der
Inspiration überlassen, es ist als Ganzes inspiriert.
Hier ist ein Schriftsteller, der wie Beaudelaire die
Natur verbessern wollte; und in der Goldschmiede-
arbeit seiner Prosa hat auch Pater „reve le miracle
d’une prose poetique, musicale sans rhythme et
sans rime.“ Eine fast erdrückende Ruhe, eine Ruhe,
die tropischen Blumenduft auszuatmen scheint,

brütet über diesen Seiten; ein gedämpftes Licht
beschattet sie. In diesem Buche scheint die Prosa
eine neue Provinz erobert zu haben; und weiter
in dieser Richtung kann die Prosa nicht gehen.“
Hiemit gibt Arthur Symons, der geniale englische
Kritiker, wohl das treffendste Urteil, das über den
literarischen Wert der „Renaissance“ gefällt werden
kann. Die Forderung Oskar Wildes, dass die
höchste Kritik nur insofern sich um die Kunst
kümmern muss, als sie Eindrücke schafft, erfüllen
Paters Studien aufs glänzendste. Aus seiner eigenen
Seele heraus baut er eine Welt von Menschen und
Werken, die mit den wirklichen Dingen, welche sie
darstellen, oft wenig mehr als die Namen gemein-
sam haben. Und das leitet zur Frage über den
wissenschaftlichen Wert des Buches über. Nun
sind zunächst die rein wissenschaftlichen Forsch-
ungen, deren Ergebnisse für Pater feststanden —
das Buch erschien 1873 — mittlerweile zu weit
anderen Resultaten gekommen. Andrerseits bedingt
der poetische Charakter des Werks eine freiere,
oft von den Tatsachen abweichende Gestaltung der
einzelnen Stoffe. Freilich, was Pater über Piro
della Mirandola, über Sandro Botticelli, Leonardo
da Vinci und Giorgione sagt, wird eben wegen der
Form, in der es gesagt -wird, einen bleibenden
Wert behalten. Da es an dieser Stelle nicht mög-
lich ist, auf alle Einzelheiten einzugehen, so sei
nur ein besonders auffallender Irrtum Paters erwähnt.
Er meint, dass von Giorgione nur ein einziges Bild,
das „Konzert“ aus dem Pallazzo Pitti wirklich er-
halten ist. Was heute die Kunsthistorik zu einer
solchen Annahme meint, darüber unterrichtet der
sehr instruktive Essay von Wilhelm Schmidt
„Giorgione und Correggio“ in No. 1 des dritten
Jahrgangs dieser Zeitschrift, auf den deshalb auch
hier noch eigens hingewiesen sei.
Auf jeden Fall darf man von Paters Werk ohne
Uebertreibung behaupten, dass es mit dem Burk-
hardt’schen Buche und Gobineaus „Renaissance“
zu den vorzüglichsten Literaturdokumenten gehört,
welche das Wesen dieser gewaltigen Zeit zu er-
schöpfen suchen. Adolf Dannegger.


Bibliographische und Zeitschriften-Rundschau mussten wegen
Raummangel in dieser Nummer fortfallen. DIE REDAKTION.
 
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