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Seite treten. Ein so sicheres Auge, eine so reiche Erfahrung liessen denn unsere Sammler alle die gefährlichen
Klippen der Fälschung glücklich umschiffen, die so vielen Sammlungen in neuerer Zeit verhängnisvoll geworden sind.
Der uns hier beschäftigenden Sammlung hat das Kennerauge des Herrn von Lippmann-Lissingen aber vor Allem
den schwerwiegenden und seltenen Vorzug der unzweifelhaften Echtheit und Originalität aller Stücke gesichert.
Wenn wir jetzt auf den Inhalt des Katalogs dieser Sammlung eingehen, so kann hier natürlich nur ein
resume rapide in Frage kommen, wir können nur im Fluge auf einige der hervorragendsten Stücke aufmerk-
sam machen und müssen dem verehrl. Leser im Uebrigen ein näheres Studium des Katalogs empfehlen. Der
Geschmack des p. t. Lesers wird ja bei der reichen Illustration, der ausführlichen und genauen Beschreibung
der Objekte das ihn speziell Interessierende schnell herausfinden.
An der Spitze steht die interessanteste Kategorie der ganzen Sammlung: das Steinzeug. Die inter-
essanteste Kategorie nennen wir diese Gruppe keramischer Arbeiten einerseits ihrer quantitativen und quali-
tativen Bedeutung wegen, hinsichtlich deren sie keinen Vergleich mit irgend einer Privatsammlung in Deutsch-
land zu scheuen hat — anderseits wegen der abzuwartenden Stellungnahme der Liebhaberkreise zu diesem
Steinzeug. In Bezug auf die Reichhaltigkeit der Sammlung an Primastücken der deutschen Steingutfabrikation
sei nur darauf hingewiesen, dass hier die verschiedensten Epochen dieses Zweiges deutschen Kunstfleisses ver-
treten sind. Von“den frühen Zeiten bis zur Blüte in der 2. Hälfte des 16, Jahrhunderts und darüber hinaus
finden wir in der Sammlung Lippmann-Lissingen die mannigfachsten merkwürdigen Typen.
Den Reigen eröffnen im Katalog die Creussener Gefässe. Wir finden da beachtenswerte Apostel-,
Portrait-, Trauer-, Brautkrüge, auch die seltenen Formen des hohen Humpens und der kantigen Vase sind unter
Anderem vertreten. Sodann beginnt das classische, das rheinische Steinzeug: Hier fangen an die Nassauer
Bart-, Wappen-, Warzen-, Bauerntanzkrüge, neben einer Anzahl vierseitigen Flaschen, Apothekervasen, Salz-
und Scherzgefässen niederrheinischen Ursprungs. Dann kommen wir zu den kostbaren Rärener und Frechener
Gefässen, deren jedes einzelne Stück besondere Erwähnung verdiente, was innerhalb des Rahmens des vorliegenden
Ueberblicks natürlich unmöglich ist. Die Siegburger Gefässe beschliessen diese Collection Steinzeug, die die
grosse Ausgabe des Katalogs durch 45 Einzelabbildungen (auf 5 Lichtrucktafeln) illustriert. Das alte deutsche
Steinzeug, dieser herrliche Zweig deutschen Kunstgewerbes, dessen beste Producte mit zu dem Vorzüglichsten
gehören, was die Keramik aller Zeiten an en relief ornamentierten Arbeiten geleistet hat, ist zwar von der nationalen
Kunstforschung arg vernachlässigt worden — wir haben nur ein grösseres Werk darüber und das ist ein
englisches : des um die Keramik verdienten Mr. L. Solon’s »The ancient art stoneware of the Low Countries
and Germany«5) — die Welt der Sammler und Kunstfreunde hat es hingegen immer geliebt und gesucht.
Freilich konnte man gerade in den letzten zehn Jahren eine Art Abkühlung der Kauflust gegenüber altem Steingut
wahrnehmen. Diese Erscheinung ist aber unseres Erachtens lediglich zurückzuführen auf die Thatsache, dass auf
keinem Gebiete des Antiquitätenmarktes so viel und so täuschend gefälscht worden ist, wie gerade hier. Die
Fälscherkünste wurden eben durch die starke Nachfrage nach altem Steinzeug veranlasst, hier mit besonderem
Eifer einzusetzen und das zeitigte die Folge, dass selbst der leidenschaftlichste Sammler durch die wiederholten
Täuschungen die Lust verlor, die an ihn herantretenden Kaufgelegenheiten wahrzunehmen. Es wird nun, um
auf unsere obige Andeutung zurückzukommen, interessant sein zu beobachten, ob diese gegenwärtige Situation
von Angebot und Kauflust wesentlich alteriert werden wird, wenn eine Sammlung zur Versteigerung kommt,
in der jedes Stück alt, echt und wertvoll ist und die den Namen eines Mannes trägt, dessen grosse Kenner-
schaft allgemein bekannt war. Das Sammeln eines solchen Mannes weiss das Echte, Alte vom Falschen, Post-
humen getreulich und sicher zu scheiden.
Unter den übrigen keramischen Objekten begegnen uns Hirschvogelgefässe, Majoliken, Fayencen, Por-
zellane etc. Als Glanzstück dieser Sammlung ist vielleicht Nr. 173 des Katalogs zu nennen: Grosser Henkel-
krug mit gebauchtem, en relief sehr reich verziertem Körper. Denselben schmücken drei vertiefte Medaillons,
deren mittleres die Kreuzigungsgruppe, die beiden seitlichen Christus am Kreuz darstellen. Unterhalb und zwischen
diesen Medaillons verschiedene religiöse Darstellungen wie: Abraham’s Opfer, die Kreuzabnahme und die
hl. Maria mit dem Kinde. Als Bekrönung des mittleren Medaillons, das eine rundbogenartige Nische bildet,
viele Figuren, unter welchen man die hl. Maria mit dem Kinde erblickt. Mit Zinndeckel und Zinnfuss. XVI. Jahr-
hundert. Hochbedeutendes Prachtstück allerersten Ranges, das zu den kunstvollsten Meisterschöpfungen der
Keramik zu zählen ist, und jeder auch noch so reichen, vornehmen Sammlung zur Zierde gereichen dürfte.
5) The ancient art stoneware of the Low Countries and Germany. or „Gres de Flandre“ and „Steinzeug“ during the XVIth'and XVII th
centuries. Mit 25 Tafeln in Radierung und 210 anderen Illustrationen. London 1892. 2 Folio-Bände. Angezeigt in Hugo Helbings [Katalog 37
(Katalog über kunstwissenschaftliche Litteratur) in den Original-Pergamenthüllen-’ für 84 Mk. statt 7 Pf. Sterl. 7 sh. Das jedem Sammler unent-
behrliche Werk ist nur in 300 Exemplaren hergestellt.
Seite treten. Ein so sicheres Auge, eine so reiche Erfahrung liessen denn unsere Sammler alle die gefährlichen
Klippen der Fälschung glücklich umschiffen, die so vielen Sammlungen in neuerer Zeit verhängnisvoll geworden sind.
Der uns hier beschäftigenden Sammlung hat das Kennerauge des Herrn von Lippmann-Lissingen aber vor Allem
den schwerwiegenden und seltenen Vorzug der unzweifelhaften Echtheit und Originalität aller Stücke gesichert.
Wenn wir jetzt auf den Inhalt des Katalogs dieser Sammlung eingehen, so kann hier natürlich nur ein
resume rapide in Frage kommen, wir können nur im Fluge auf einige der hervorragendsten Stücke aufmerk-
sam machen und müssen dem verehrl. Leser im Uebrigen ein näheres Studium des Katalogs empfehlen. Der
Geschmack des p. t. Lesers wird ja bei der reichen Illustration, der ausführlichen und genauen Beschreibung
der Objekte das ihn speziell Interessierende schnell herausfinden.
An der Spitze steht die interessanteste Kategorie der ganzen Sammlung: das Steinzeug. Die inter-
essanteste Kategorie nennen wir diese Gruppe keramischer Arbeiten einerseits ihrer quantitativen und quali-
tativen Bedeutung wegen, hinsichtlich deren sie keinen Vergleich mit irgend einer Privatsammlung in Deutsch-
land zu scheuen hat — anderseits wegen der abzuwartenden Stellungnahme der Liebhaberkreise zu diesem
Steinzeug. In Bezug auf die Reichhaltigkeit der Sammlung an Primastücken der deutschen Steingutfabrikation
sei nur darauf hingewiesen, dass hier die verschiedensten Epochen dieses Zweiges deutschen Kunstfleisses ver-
treten sind. Von“den frühen Zeiten bis zur Blüte in der 2. Hälfte des 16, Jahrhunderts und darüber hinaus
finden wir in der Sammlung Lippmann-Lissingen die mannigfachsten merkwürdigen Typen.
Den Reigen eröffnen im Katalog die Creussener Gefässe. Wir finden da beachtenswerte Apostel-,
Portrait-, Trauer-, Brautkrüge, auch die seltenen Formen des hohen Humpens und der kantigen Vase sind unter
Anderem vertreten. Sodann beginnt das classische, das rheinische Steinzeug: Hier fangen an die Nassauer
Bart-, Wappen-, Warzen-, Bauerntanzkrüge, neben einer Anzahl vierseitigen Flaschen, Apothekervasen, Salz-
und Scherzgefässen niederrheinischen Ursprungs. Dann kommen wir zu den kostbaren Rärener und Frechener
Gefässen, deren jedes einzelne Stück besondere Erwähnung verdiente, was innerhalb des Rahmens des vorliegenden
Ueberblicks natürlich unmöglich ist. Die Siegburger Gefässe beschliessen diese Collection Steinzeug, die die
grosse Ausgabe des Katalogs durch 45 Einzelabbildungen (auf 5 Lichtrucktafeln) illustriert. Das alte deutsche
Steinzeug, dieser herrliche Zweig deutschen Kunstgewerbes, dessen beste Producte mit zu dem Vorzüglichsten
gehören, was die Keramik aller Zeiten an en relief ornamentierten Arbeiten geleistet hat, ist zwar von der nationalen
Kunstforschung arg vernachlässigt worden — wir haben nur ein grösseres Werk darüber und das ist ein
englisches : des um die Keramik verdienten Mr. L. Solon’s »The ancient art stoneware of the Low Countries
and Germany«5) — die Welt der Sammler und Kunstfreunde hat es hingegen immer geliebt und gesucht.
Freilich konnte man gerade in den letzten zehn Jahren eine Art Abkühlung der Kauflust gegenüber altem Steingut
wahrnehmen. Diese Erscheinung ist aber unseres Erachtens lediglich zurückzuführen auf die Thatsache, dass auf
keinem Gebiete des Antiquitätenmarktes so viel und so täuschend gefälscht worden ist, wie gerade hier. Die
Fälscherkünste wurden eben durch die starke Nachfrage nach altem Steinzeug veranlasst, hier mit besonderem
Eifer einzusetzen und das zeitigte die Folge, dass selbst der leidenschaftlichste Sammler durch die wiederholten
Täuschungen die Lust verlor, die an ihn herantretenden Kaufgelegenheiten wahrzunehmen. Es wird nun, um
auf unsere obige Andeutung zurückzukommen, interessant sein zu beobachten, ob diese gegenwärtige Situation
von Angebot und Kauflust wesentlich alteriert werden wird, wenn eine Sammlung zur Versteigerung kommt,
in der jedes Stück alt, echt und wertvoll ist und die den Namen eines Mannes trägt, dessen grosse Kenner-
schaft allgemein bekannt war. Das Sammeln eines solchen Mannes weiss das Echte, Alte vom Falschen, Post-
humen getreulich und sicher zu scheiden.
Unter den übrigen keramischen Objekten begegnen uns Hirschvogelgefässe, Majoliken, Fayencen, Por-
zellane etc. Als Glanzstück dieser Sammlung ist vielleicht Nr. 173 des Katalogs zu nennen: Grosser Henkel-
krug mit gebauchtem, en relief sehr reich verziertem Körper. Denselben schmücken drei vertiefte Medaillons,
deren mittleres die Kreuzigungsgruppe, die beiden seitlichen Christus am Kreuz darstellen. Unterhalb und zwischen
diesen Medaillons verschiedene religiöse Darstellungen wie: Abraham’s Opfer, die Kreuzabnahme und die
hl. Maria mit dem Kinde. Als Bekrönung des mittleren Medaillons, das eine rundbogenartige Nische bildet,
viele Figuren, unter welchen man die hl. Maria mit dem Kinde erblickt. Mit Zinndeckel und Zinnfuss. XVI. Jahr-
hundert. Hochbedeutendes Prachtstück allerersten Ranges, das zu den kunstvollsten Meisterschöpfungen der
Keramik zu zählen ist, und jeder auch noch so reichen, vornehmen Sammlung zur Zierde gereichen dürfte.
5) The ancient art stoneware of the Low Countries and Germany. or „Gres de Flandre“ and „Steinzeug“ during the XVIth'and XVII th
centuries. Mit 25 Tafeln in Radierung und 210 anderen Illustrationen. London 1892. 2 Folio-Bände. Angezeigt in Hugo Helbings [Katalog 37
(Katalog über kunstwissenschaftliche Litteratur) in den Original-Pergamenthüllen-’ für 84 Mk. statt 7 Pf. Sterl. 7 sh. Das jedem Sammler unent-
behrliche Werk ist nur in 300 Exemplaren hergestellt.