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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 11
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Haenel, Erich: Internationale Kunstausstellung Dresden 1901, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0487

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452

flecken verschmilzt. Thomas, Broun-Morison und
Graham stehen von den Londonern den Schotten
am nächsten. Austen-Brown, dessen Meisterleist-
ungen im Porträt in Neven du Mont einen nicht
unwürdigen Nachschöpfer finden, steht mit den
„fischenden Kindern“ nicht ganz auf der sonstigen
Höhe, noch weniger Watts, der Vielbewunderte.
Seiner „Begegnung von Jakob und Esau“ fehlt jeder
Reiz, selbst der echter Empfindung, den man sonst in
den Gemälden dieses Künstlers so überschwenglich
preist. . W. Strang ist mit seiner „Toilette“ auf einem
bedenklichen Niveau interesseloser Nüchternheit
angelangt, und Walter Crane vermag in einer seiner
bekannten mythologischen Szenen zum Mindesten
nichts neues mehr zu bringen. Das elegante Treiben
im Hydepark schildert Harrington Mann mit viel
adäquater Vornehmheit und Delikatesse. Greiffen-
hagen’s tizianisch gefärbte Botticellimädchen er-
wecken lediglich — weibliches Interesse, ebenso
wie Bruckmanns hübsches Pastell „Die Königin der
Eitelkeit“. Kein schärferer Kontrast zu dieser, oft
überfeinerten, verwöhnten Kunst als das, was die
Skandinavier gesandt haben. Allen voran, ein
Könner ersten Ranges, ein Impressionist von Pariser
Schule, aber echt nordischer Kraftfülle, steht Anders
Zorn. Der „Jahrmarkt in Mora“ ist nicht nur als
Landschaft, sondern mehr noch alsTypenschilderung
meisterhaft; den Ausdruck eines Antlitzes mit
wenigen Pinselstrichen lebenswahr bis zum Greifen
zu schildern, gelingt ihm auch in der „Madonna“
mit dem roten Kopftuch vollendet. Die breite,
saftige Technik ist ein stets neues Entzücken. Auch
Thaulow lebt nun an der Seine, aber er bleibt als
Naturschilderer doch seiner alten Heimat treu.
Kroyer malt einen sonnenbeschienenen Strand mit
der „Abfahrt der- Schiffer“ in drei Tönen, blau,
schwarz und weiss, ruhig, fast nüchtern und doch
wunderbar echt, ja ergreifend. Ganz eigenartig
erscheinen Sjöbergs Tier- und Landschaftsstudien in
ihrer, uns Mitteleuropäern ganz unverständlichen
Beleuchtung, an Bjerres „Religiöser Versammlung“
fesselt die Tiefe des seelischen Ausdruckes, dem
indessen die malerischen Qualitäten nicht gleich-
wertig sind. Soldan-Brofeldt’s „Knaben am Ufer“
wecken die Erinnerung an den unvergesslichen
Stott of Oldham — wahrlich kein kleines Lob;
Wilhelmson bringt eine Reihe famoser Bauernköpfe
„Während der Messe“, Find einen rätselhaft blick-
enden modernen Jüngling, tiefsinnig vor einer ebenso
vielsagenden Wand, aber fein und solid gemalt.
Noch einen Blick auf Johannes Müllers echt ger-
manisch empfundenen „Mondschein“, und wir be-
treten den Saal der Niederländer. Hier vertritt
Leon Frederic mit einer Riesenleinwand, natürlich
Triptychon, den Symbolismus. Ob sich Beethoven,
dem dies Chaos rötlicher Kinderleiber unter dem Titel
„der Bach“ gewidmet ist, gerade an diesem selt-
samen Geschenk gefreut hätte, ist sehr fraglich.
Uns wenigstens scheint der Aufwand an Material
und Fleiss dem Gelingen absolut nicht zu ent-
sprechen. Wir erkennen gern die enorme Sicher-
heit der Zeichnung und die Einheitlichkeit der
Tönung an, aber als ganzes bleibt die Riesen-
leinwand trotz einzelner echter Schönheiten in der

Landschaft besonders der Flügel, ungeniessbar, ja
unerfreulich. Gesund in jedem Zuge, kraft- und
farbenfroh zugleich, steht Gilsoul’s „Mühle“ da; in
demselben Geist schaffen Luyten, Marcette und
Diercks; Laerman’s Bauernbild, in der bekannten
derben Farbenflächenweis’ gemalt, wäre ohne den
symbolistischen Titel kaum beachtet. Claus, dessen
gediegener Impressionismus schon mehrfach Aner-
kennung fand, Collin, der einen alten Weber etwas
zu gelb, aber sonst tüchtig, beim Frühstück darstellt,
Baerson und Mathieu zeigen, was Landschaftskunst
in Belgien bedeutet. Ueber Khnopff’s wundersame
Pastelle fällt es schwer mit kurzer Notiz hinzu-
gehen. Wer diesen Künstler kennt, der weiss, wie
bei ihm die Technik, so raffiniert sie ist, nur im
Dienste eines sensitiven Ideenreichtums steht, dessen
Tiefen nachzuforschen uns hier nicht gegeben ist.
Bei den Holländern klingt überall der Einfluss
von Josef Israels nach. Wohl am stärksten in
Blommer’s „Sommer“: das Motiv der im Wasser
paddelnden Bauernkinder ist von dem grossen
Impressionisten oft gemalt worden. Theophile de
Bock ringt immer noch mit der Materie, seine
Kühe und Bäume, so gut durchgearbeitet sie sind,
stecken stets im Gel, und das Sonnenlicht wird
trüb und lastend. Da strahlt Soests Sonne doch
ganz anders im Schnee, wenn auch das funkelnde
Weiss, wie es Apol zur Verfügung steht, nicht er-
reicht ist. Mesdag’s Seestück ist diesmal etwas
matt. Die bekannten schwarz-roten Waisenkinder
der Therese Schwartz schliesslich haben zwei Ver-
treterinnen hergesandt, die uns beim Abschied von
den „Internationalen“ nicht gerade graziös, aber
unbefangen und freundlich grüssen.
Doch ehe wir der Kunst auf reichsdeutschem
Boden noch einen Blick schenken, müssen wir
uns einen Augenblick den Oesterreichern widmen.
Oesterreich, d. h. die Wiener Sezession, die recht
ansehnlich in einem wirklich geschmackvoll aus-
gestatteten Saal auftritt. Man lasse sich nicht durch
den revolutionären Namen zu dem Glauben be-
stimmen, es sei ein Geist kraftgenialer Jugend,
das Stürmen und Drängen gewaltiger innerer Leiden-
schaften, das hier um selbstgeschaffenen Ausdruck
ringt. Nein, davon ist in der Donaustadt nichts
zu spüren. Was wir in Dresden sehen, zeigt viel-
fach vornehme Eleganz, verfeinertes koloristisches
Empfinden, Geschmack in jeder Beziehung, aber
dafür, als negative Faktoren einen starken Hang
zu femininer Verallgemeinerung, Oberflächlichkeit
und liebenswürdigem Schematismus. Ueber das so
gezeichnete Niveau ragen auch Klimt’s grosse
dekorative Gemälde wenig hervor. Die viel-
besprochene „Philosophie“ für die Wiener Univer-
sität, eine geschickt in einem grünlich-flimmernden
Ton gehaltene und mit eine Reihe gutgemalter
Akte versehene Leinwand, wird bei öfterer Be-
trachtung nicht interessanter; der „Schubert“ ist
dagegen nicht nur liebenswürdig aufgefasst, son-
dern auch als Beleuchtungsprobe brillant wieder-
gegeben. Bei der „Musik“ lösen sich starke
Reminiszenzen an Khnopff in eine das Stoffliche
wieder vorzüglich ausdrückende dekorative Fläche
auf. Von den beiden Landschaften desselben
 
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