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Monatshefte für Kunstwissenschaft
die Predella des Sebastiansaltars in Schwäbisch
Gmünd und die Holzsdiuher ~ Beweinung in
Nürnberg. Es fällt schwer, hier zu folgen. Trotz
der schon von Rieffel bemerkten kompositionellen
Übereinstimmungen des Beschneidungsbildes in
Dresden mit dem entsprechenden Holzschnitt
Wechtlins lassen sich gegen die Zuschreibung
der Dresdener Bilderfolge an diesen mancherlei
Bedenken geltend machen, und noch weniger
sind in der Altarstaffel aus Schwäbisch Gmünd
irgend sichere Beziehungen zu Wechtlin zu ent-
decken. Aber wie die Zugehörigkeit zum Werke
Wechtlins, so erscheint auch die Zusammen-
gehörigkeit der ganzen Gruppe, in der zum
mindestens die Karthäusermadonna fremd ist,
noch keineswegs sichergestellt. Andererseits
läßt sich gerade das Hauptwerk der Gruppe,
das Brigittenbuch, das mit der Benediktlegende
am engsten zusammenzugehören scheint, am
schwersten mit dem Stile Wechtlins vereinigen.
— Röttinger fährt fort mit der Zuschreibung
weiterer Zeichnungen, im wesentlichen Reiter-
und Todesdarstellungen, die bisher als Dürer
und Baldung gehen, es folgt das Abendmahl
bei Rodrigues, das sicher kein Dürer ist, die
bekannte Zeichnung in Rennes (Dürer-Soc.IX,17),
die ohne Frage zur Gruppe der Brigittenschnitte
gehört, und einige weitere.
Ein neues Gebiet wird mit der großen Holz-
schnittkreuzigung des Berliner Kabinets betreten,
die gewiß nicht von Dürer selbst herrührt, deren
Angliederung an die gesicherten Werke Wecht-
lins aber ebensowenig als gelungen angesehen
werden kann. Eher kann die Zugehörigkeit
des großen Sebastianschnittes (P. 182), der als
Nachschnitt nach einem verlorenen Düreroriginal
nicht hinreichend erklärt ist, zu einer Reihe der
von Röttinger für Wechtlin in Anspruch ge-
nommenen Arbeiten anerkannt werden.
Die roh geschnittenen Illustrationen zur Ros-
witha (1501) sind stilistisch schwer zu beurteilen.
Dagegen ist wieder die Zuschreibung der zwei
Titelschnitte des Buches, die namentlich seit der
Giehlowschen Entdeckung des Entwurfes für
den einen auf der Rückseite einer Dürerzeich-
nung allgemein für Dürer genommen zu werden
pflegen, nicht überzeugend. Sicher scheint die
Zusammengehörigkeit dieser mit den Holz-
schnitten der Quatuor libri amorum des Celtis
(1502). Die sogenannte Philosophie trägt das
Dürermonogramm. Wie weit dieses auf einem
Holzschnitt verbindlich ist für die Urheberschaft
des Meisters, wie weit auch Werkstattarbeiten,
an denen Dürer nur im Entwurf beteiligt ge-
wesen sein mochte, mit seinem Zeichen hinaus-
gingen, ist eine Frage für sich. Aber eine
bündige Entscheidung in unserem Sinne wird
in allen derartigen Fällen doppelt schwer. Das
Moment der Persönlichkeit, das wir gewiß viel
zu sehr in die Beurteilung der Erzeugnisse
vergangener Zeiten hineinzutragen gewöhnt
sind, spielt hier nicht eine so entscheidende
Rolle. Endgültige Gewißheit auf Grund stil-
kritischer Erwägungen, die immer die Persön-
lichkeit eines Künstlers als ganze mit ihrem
bewußten und unbewußten Wollen zur Voraus-
setzung haben, wird darum kaum zu erzielen
sein. Nur mit dieser Einschränkung möchte ich
hier die Bemerkung einfügen, daß sowohl
zwischen den zwei Titelschnitten der Roswitha
wie zwischen ihnen und den nachfolgenden
Illustrationen so weitgehende Stildifferenzen
bestehen, daß eine völlig gleichartige Ent-
stehungsweise ausgeschlossen erscheint.
Nach einigen weiteren Buchillustrationen und
der Reihe der Probedrucke zu einem Hortulus
animae im Berliner Kabinet, deren Beziehung zur
Gruppe des Brigittenbuches einleuchtend ist,
dem Schnitt des Ursulaschiffes (Albertina), dem
Scheurl -Tücher - Exlibris (P. 214), dem ganz
fremden Kruzifixus (P. 228) und dem großen
Gekreuzigten mit drei Engeln (B. 58), dem
Flugblatt mit der Eule (P. 199) und dem großen
Christoph (B. 105) werden noch drei Kupfer-
stiche aus dem Dürerwerk eingereiht, die Be-
kehrung Pauli in Dresden (P. 110), der große
Postreiter (B. 81) und der gewalttätige Alte
(B. 92), den Röttinger als „Tod und Frau" neu
benennt. Daß alle drei aus dem Dürerwerk zu
streichen sind, ist ohne weiteres zuzugeben,
aber die Autorschaft Wechtlins ist noch nicht
überzeugend genug erwiesen. Zu wenig sicher
begründet ist sodann die Zuweisung einer Reihe
weiterer Gemälde, namentlich der vier Tafeln
in Köln (W.-R. Mus. 391—394). Daß derselbe
Künstler, der den klassisch großartigen Christoph
des Holzschnitts gezeichnet hat, ein paar Jahre
darauf zu der spätgotischen Zierlichkeit des
Christoph in dem Kölner Gemälde zurückgekehrt
sein solle, will ganz und gar nicht einleuchten.
Läßt sich so aus den z. T. noch heterogenen
Elementen eine Bestimmung des Stiles Wechtlins
schwer ableiten, so wird das Bild des Künstlers
nochmals kompliziert, indem Röttinger zurück-
greifend nun auch die ganze Gruppe der Basler
Buchillustration, die mit den Terenzzeichnungen
zusammengehört, Narrenschiff und Ritter vom
Thurn mitsamt den Dürerzeichnungen L. 3 und
209 seinem Wechtlin zuweist, und ebenso noch
weiter zurück die Gruppe der von Weisbach in
seinem „jungen Dürer" zusammengestelltenNürn-
berger Buchillustrationen zwischen 1488 und 1491
und die zeitlich vorangehenden Illustrationen in
Ulmer Büchern der 80er Jahre. Erschien in den
Monatshefte für Kunstwissenschaft
die Predella des Sebastiansaltars in Schwäbisch
Gmünd und die Holzsdiuher ~ Beweinung in
Nürnberg. Es fällt schwer, hier zu folgen. Trotz
der schon von Rieffel bemerkten kompositionellen
Übereinstimmungen des Beschneidungsbildes in
Dresden mit dem entsprechenden Holzschnitt
Wechtlins lassen sich gegen die Zuschreibung
der Dresdener Bilderfolge an diesen mancherlei
Bedenken geltend machen, und noch weniger
sind in der Altarstaffel aus Schwäbisch Gmünd
irgend sichere Beziehungen zu Wechtlin zu ent-
decken. Aber wie die Zugehörigkeit zum Werke
Wechtlins, so erscheint auch die Zusammen-
gehörigkeit der ganzen Gruppe, in der zum
mindestens die Karthäusermadonna fremd ist,
noch keineswegs sichergestellt. Andererseits
läßt sich gerade das Hauptwerk der Gruppe,
das Brigittenbuch, das mit der Benediktlegende
am engsten zusammenzugehören scheint, am
schwersten mit dem Stile Wechtlins vereinigen.
— Röttinger fährt fort mit der Zuschreibung
weiterer Zeichnungen, im wesentlichen Reiter-
und Todesdarstellungen, die bisher als Dürer
und Baldung gehen, es folgt das Abendmahl
bei Rodrigues, das sicher kein Dürer ist, die
bekannte Zeichnung in Rennes (Dürer-Soc.IX,17),
die ohne Frage zur Gruppe der Brigittenschnitte
gehört, und einige weitere.
Ein neues Gebiet wird mit der großen Holz-
schnittkreuzigung des Berliner Kabinets betreten,
die gewiß nicht von Dürer selbst herrührt, deren
Angliederung an die gesicherten Werke Wecht-
lins aber ebensowenig als gelungen angesehen
werden kann. Eher kann die Zugehörigkeit
des großen Sebastianschnittes (P. 182), der als
Nachschnitt nach einem verlorenen Düreroriginal
nicht hinreichend erklärt ist, zu einer Reihe der
von Röttinger für Wechtlin in Anspruch ge-
nommenen Arbeiten anerkannt werden.
Die roh geschnittenen Illustrationen zur Ros-
witha (1501) sind stilistisch schwer zu beurteilen.
Dagegen ist wieder die Zuschreibung der zwei
Titelschnitte des Buches, die namentlich seit der
Giehlowschen Entdeckung des Entwurfes für
den einen auf der Rückseite einer Dürerzeich-
nung allgemein für Dürer genommen zu werden
pflegen, nicht überzeugend. Sicher scheint die
Zusammengehörigkeit dieser mit den Holz-
schnitten der Quatuor libri amorum des Celtis
(1502). Die sogenannte Philosophie trägt das
Dürermonogramm. Wie weit dieses auf einem
Holzschnitt verbindlich ist für die Urheberschaft
des Meisters, wie weit auch Werkstattarbeiten,
an denen Dürer nur im Entwurf beteiligt ge-
wesen sein mochte, mit seinem Zeichen hinaus-
gingen, ist eine Frage für sich. Aber eine
bündige Entscheidung in unserem Sinne wird
in allen derartigen Fällen doppelt schwer. Das
Moment der Persönlichkeit, das wir gewiß viel
zu sehr in die Beurteilung der Erzeugnisse
vergangener Zeiten hineinzutragen gewöhnt
sind, spielt hier nicht eine so entscheidende
Rolle. Endgültige Gewißheit auf Grund stil-
kritischer Erwägungen, die immer die Persön-
lichkeit eines Künstlers als ganze mit ihrem
bewußten und unbewußten Wollen zur Voraus-
setzung haben, wird darum kaum zu erzielen
sein. Nur mit dieser Einschränkung möchte ich
hier die Bemerkung einfügen, daß sowohl
zwischen den zwei Titelschnitten der Roswitha
wie zwischen ihnen und den nachfolgenden
Illustrationen so weitgehende Stildifferenzen
bestehen, daß eine völlig gleichartige Ent-
stehungsweise ausgeschlossen erscheint.
Nach einigen weiteren Buchillustrationen und
der Reihe der Probedrucke zu einem Hortulus
animae im Berliner Kabinet, deren Beziehung zur
Gruppe des Brigittenbuches einleuchtend ist,
dem Schnitt des Ursulaschiffes (Albertina), dem
Scheurl -Tücher - Exlibris (P. 214), dem ganz
fremden Kruzifixus (P. 228) und dem großen
Gekreuzigten mit drei Engeln (B. 58), dem
Flugblatt mit der Eule (P. 199) und dem großen
Christoph (B. 105) werden noch drei Kupfer-
stiche aus dem Dürerwerk eingereiht, die Be-
kehrung Pauli in Dresden (P. 110), der große
Postreiter (B. 81) und der gewalttätige Alte
(B. 92), den Röttinger als „Tod und Frau" neu
benennt. Daß alle drei aus dem Dürerwerk zu
streichen sind, ist ohne weiteres zuzugeben,
aber die Autorschaft Wechtlins ist noch nicht
überzeugend genug erwiesen. Zu wenig sicher
begründet ist sodann die Zuweisung einer Reihe
weiterer Gemälde, namentlich der vier Tafeln
in Köln (W.-R. Mus. 391—394). Daß derselbe
Künstler, der den klassisch großartigen Christoph
des Holzschnitts gezeichnet hat, ein paar Jahre
darauf zu der spätgotischen Zierlichkeit des
Christoph in dem Kölner Gemälde zurückgekehrt
sein solle, will ganz und gar nicht einleuchten.
Läßt sich so aus den z. T. noch heterogenen
Elementen eine Bestimmung des Stiles Wechtlins
schwer ableiten, so wird das Bild des Künstlers
nochmals kompliziert, indem Röttinger zurück-
greifend nun auch die ganze Gruppe der Basler
Buchillustration, die mit den Terenzzeichnungen
zusammengehört, Narrenschiff und Ritter vom
Thurn mitsamt den Dürerzeichnungen L. 3 und
209 seinem Wechtlin zuweist, und ebenso noch
weiter zurück die Gruppe der von Weisbach in
seinem „jungen Dürer" zusammengestelltenNürn-
berger Buchillustrationen zwischen 1488 und 1491
und die zeitlich vorangehenden Illustrationen in
Ulmer Büchern der 80er Jahre. Erschien in den