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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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STUDIEN UND FORSCHUNGEN

ZUR DUGENTOMALEREI1)
von Wilhelm Suida
Einer Anzeige von Auberts äußerst fleißiger
und exakter Arbeit hätte ich gerne eine erneute
Überprüfung seiner Ausführungen in Assisi vor
den Originalen vorangehen lassen. Sein System
der parallelen Linien einer gleichmäßigen Berück-
sichtigung der ornamental dekorativen Teile wie
der figürlichen Szenen der Wandgemälde von
S. Francesco führt Aubert dazu, das Wesent-
liche der Entwicklung, wie es aus keinem zweiten
Denkmal der Dugentomalerei mit solcher Klar-
heit erkannt werden kann, noch genauer zu
präzisieren, als dies bisher gelungen war. Von
den ältesten Fresken im Langhause der Unter-
kirche leiten Teile der Dekoration des rechten
Querschiffes der Oberkirche, deren speziellen
gotisierenden Charakter Aubert zuerst genau
präzisiert, zu der schon von Thode als einheit-
lich erkannten Cimabuegruppe. Für die Datierung
ins letzte Drittel des Dugento und für die Be-
ziehung auf den Florentiner Cimabue, fügt
Aubert den von Thode und Strzygowski an-
gegebenen Gründen nach äußerst sorgfältiger
Untersuchung des gesamten Materials noch
weitere hinzu. Damit wendet sich Aubert gegen
Wickhoff, der das Datum um 1253 vorgeschlagen
und Cimabueausgeschaltethatte. DieserCimabue-
abschnitt mit feinsinniger Würdigung des Meisters
ist der Kern von Auberts Buch.
Nach Untersuchung des Verhältnisses Cima-
bues zur römischen Kunst widerspricht Aubert
der von Hermanin und Wickhoff geäußerten
Ansicht, die Malereien des Langhauses der Ober-
kirche seien römisch. Er findet, daß die alte
Beziehung auf „Nachfolger Cimabues" richtiger
sei. Daß der Bruch zwischen Altem und Neuem
dann mit den Bildern der Eingangswand (Pfingst-
fest und Himmelfahrt) den Isaakszenen, dem
Doktorengewölbe sich vollzieht, sieht Aubert
ebenso wie Thode. Aubert zweifelt aber, ob
diese Werke sowie auch die Franzlegende dem
jungen Giotto zugeschrieben werden dürfen.
Namentlich zu dem nach Auberts Annahme „ersten
beglaubigten" Werke Giottos, dem Altar von
S. Peter, findet Aubert keine Beziehungen, eher,
wie er selbst sagt, zu späteren Arbeiten (offen-
bar meint er hier die paduanischen Fresken).
Das römische Altarwerk ist aber weit davon
entfernt, für 1298 beglaubigt zu sein, die älteste
Quelle (Grimaldi), die eine Entstehungszeit nennt,

9 Rezension von Andreas Aubert: Die malerische De-
koration der San Francescokirche in Assisi, ein Beitrag
zur Lösung der Cimabuefrage; Kunstgeschichtliche Mono-
graphien VI. Leipzig, Hiersemann 19j7.

sagt „um 1320". Ein stilistisch mit den Assisi-
fresken noch eng zusammenhängendes, zugleich
doch auf spätere Arbeiten vorbereitendes Ge-
mälde, das Thode zuerst für Giotto in Anspruch
nahm, den fünfteiligen Altar des Museo del
l'Opera di S. Croce zu Florenz erwähnt Aubert
nicht. Die Ähnlichkeit der beiden Madonnen
dieses Altars und der Eingangswand der Ober-
kirche von S. Francesco ist doch sehr auffallend.
Ich füge hier eine kleine Abbildung dieses
wichtigen Altarbildes bei nach eigener, leider
unvollkommener Aufnahme, da dasselbe bisher
nirgends reproduziert wurde; nur das Mittel-
stück ist in Sirens Giottomonographie abgebildet
(Abbildung 1).
Da Aubert in der Frage der Zusammenstellung
und chronologischen Anordnung von Cimabues
oeuvre und Gelegenheit nimmt, sich mit den
von mir früher 9 geäußerten Ansichten aus-
einanderzusetzen, so sei es mir gestattet, bei
diesem Punkte etwas zu verweilen. Wir
stimmen völlig überein, daß die Madonna
Ruccellai nicht von Cimabue stammt. Mein
Streben ging nun in erster Linie dahin, die
Werke nachzuweisen, welche die schlagend-
sten Analogien mit der Madonna Ruccellai
haben: das Kruzifix in Paterno (das nach der
ganz verretouchierten, entstellenden Abbildung in
meinem Aufsatze nicht zu beurteilen ist), das
Kruzifix in der Carmine und die Madonna in
Crevole. Später konnte ich noch ein kleines
Triptychon der Gallerie von Budapest hinzu-
fügen.2) All diese Zuschreibungen, die sich auf
engste formale und technische Übereinstimmungen
in den genannten Bildern gründen, sind leider
von den Forschern, die sich mit dem Gegenstände
seither beschäftigten, wie mir scheint, nicht über-
prüft worden. Die Frage der Zuschreibung an
Duccio, die auch Aubert wie so viele andere
befürwortet, müßte meines Erachtens doch noch
sehr genau untersucht werden, wobei man die
von mir zusammengestellten Bilder nicht mehr
beiseite schieben dürfte.
Nun aber ein Wort zur Entwicklung des
Madonnentypus im Speziellen. Im Verlaufe der
letzten Jahrzehnte des Dugento läßt sich eine
Wandlung außer in der Behandlung der Detail-
formen namentlich in der Anordnung und Ge-
staltung der Engel sowie in Form und räum-
licher Wirkung des Thronsessels Mariae kon-
statieren. Ist nun auch eine allmähliche Ver-

9 Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen 1905,
Heft I. „Einige florentinische Maler aus der Zeit des
Überganges vom Ducento ins Trecento". I.

2) Alcuni quadri Italiani primitivi nella Galleria na-
zionale di Budapest L'Arte 1907.
 
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