W. Suida. Zur Dugentomalerei
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Abb. 1. GIOTTO, Altarwerk
Museo dell' Opera di S. Croce, Florenz
vollkommnung der Komposition zu erkennen, so
wäre es doch gewagt, ein Bild, das eine primi-
tivere Kompositionsform aufweist, deshalb auch
unbedingt früher zu datieren, als ein zweites,
das im Kompositionellen entwickelter ist. Na-
mentlich, wenn es sich um Erzeugnisse ver-
schiedener Schulen handelt, ist die Fixierung
ihres chronologischen Verhältnisses zu einander
schwer möglich. Ich habe in meinem früheren
Aufsatze versucht, einige Typen nebeneinander
zu stellen, daraus aber den Schluß auf chrono-
logische Folge gezogen, was unvorsichtig war.
Ich glaubte, die Madonna Ruccellai vor Cimabues
Madonnen in Assisi und Florenz setzen zu
müssen, weil die Komposition eine primitivere
ist. Aubert kehrt trotzdem das chronologische
Verhältnis um, und ich glaube, er hat darin
Recht. Auch darin stimme ich ihm bei, daß er
den Kompositionstypus der Madonna Ruccellai
für persönliche, aus der fortlaufenden Reihe
heraustretende Leistung eines Künstlers be-
trachtet.
Im allgemeinen scheint es mir möglich, drei
Typen zu konstatieren: für den ältesten ist die
Beifügung der kleinen Engelfigürchen in einer
mehr äußerlich dekorativenWeise charakteristisch:
anfangs sind sie ganz vom Throne getrennt
(bei Guido da Siena, auf dem Petrusaltar in der
Akademie von Siena, bei Coppos Bild von 1261),
dann werden sie allmählich mit diesem ver-
bunden. Sehr deutlich ist die Erinnerung an
die ältere Form der lose vor den Goldgrund
gestellten Figürchen noch in einem Madonnen-
bilde bei H. 0. Miethke in Wien (Abbildung 2),
das nun trotzdem aber gewiß nicht sehr früh
zu datieren ist, sondern etwa um 1300, und
nicht in Toskana, sondern etwa in den Marken
oder in Bologna entstanden sein dürfte. Wich-
tiger für die Erkenntnis der Entwicklung des
Typus in Toskana ist ein wohlerhaltenes und
bedeutendes Madonnenbild in S. Michele zu
Rovezzano bei Florenz (Abbildung 3), das uns
zeigt, wie die seelisch am Vorgange teilnehmenden
Engelchen die Thronlehne anfassen und auf
Mutter und segnendes Kind weisen. Die Ma-
donna in Rovezzano, auf welche ich schon früher
hinwies, die gleichwohl aber von Aubert unbe-
rücksichtigt blieb, ist als nächste Stufe nach
Coppos Madonna von 1261 sehr wichtig. Idi
glaube, hier dürfen wir unbedenklich als En-
stehungszeit etwa 1265 annehmen. Diesen Typus
übernimmt Cimabue in seiner Madonna in der
Kirche der Servi zu Bologna, die ich mit Thode
und Aubert für authentisch halte. Von da bis
zur grandiosen Komposition von S. Trinitä mit
der Engelwacht ist nun allerdings ein großer
Schritt. Und es ist gewiß berechtigt, zwischen
der Servimadonna, die auch kaum viel vor 1270
entstanden zu denken ist, und der Trinitämadonna
einen größeren zeitlichen Unterschied anzunehmen,
da beide Bilder verschiedene Entwicklungsstufen
eines Künstlers repräsentieren. Daher glaube
ich nicht, daß Aubert mit der Annahme, die
Trinitämadonna sei früh, vor den Assisifresken,
entstanden, Recht behalten wird. Vor 1280 un-
gefähr kann ich mir sie nicht entstanden denken.
Der primitive Typus mit den kleinen über
die Thronlehne gebeugten Engelchen lebt in
Pisa fort, wo z. B. das große von zwölf
Legendenszenen umgebene Madonnenbild im
Museum (Fot. Alinari 9880) in verhältnismäßig
später Zeit ihn noch aufweist. Weiter ent-
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Abb. 1. GIOTTO, Altarwerk
Museo dell' Opera di S. Croce, Florenz
vollkommnung der Komposition zu erkennen, so
wäre es doch gewagt, ein Bild, das eine primi-
tivere Kompositionsform aufweist, deshalb auch
unbedingt früher zu datieren, als ein zweites,
das im Kompositionellen entwickelter ist. Na-
mentlich, wenn es sich um Erzeugnisse ver-
schiedener Schulen handelt, ist die Fixierung
ihres chronologischen Verhältnisses zu einander
schwer möglich. Ich habe in meinem früheren
Aufsatze versucht, einige Typen nebeneinander
zu stellen, daraus aber den Schluß auf chrono-
logische Folge gezogen, was unvorsichtig war.
Ich glaubte, die Madonna Ruccellai vor Cimabues
Madonnen in Assisi und Florenz setzen zu
müssen, weil die Komposition eine primitivere
ist. Aubert kehrt trotzdem das chronologische
Verhältnis um, und ich glaube, er hat darin
Recht. Auch darin stimme ich ihm bei, daß er
den Kompositionstypus der Madonna Ruccellai
für persönliche, aus der fortlaufenden Reihe
heraustretende Leistung eines Künstlers be-
trachtet.
Im allgemeinen scheint es mir möglich, drei
Typen zu konstatieren: für den ältesten ist die
Beifügung der kleinen Engelfigürchen in einer
mehr äußerlich dekorativenWeise charakteristisch:
anfangs sind sie ganz vom Throne getrennt
(bei Guido da Siena, auf dem Petrusaltar in der
Akademie von Siena, bei Coppos Bild von 1261),
dann werden sie allmählich mit diesem ver-
bunden. Sehr deutlich ist die Erinnerung an
die ältere Form der lose vor den Goldgrund
gestellten Figürchen noch in einem Madonnen-
bilde bei H. 0. Miethke in Wien (Abbildung 2),
das nun trotzdem aber gewiß nicht sehr früh
zu datieren ist, sondern etwa um 1300, und
nicht in Toskana, sondern etwa in den Marken
oder in Bologna entstanden sein dürfte. Wich-
tiger für die Erkenntnis der Entwicklung des
Typus in Toskana ist ein wohlerhaltenes und
bedeutendes Madonnenbild in S. Michele zu
Rovezzano bei Florenz (Abbildung 3), das uns
zeigt, wie die seelisch am Vorgange teilnehmenden
Engelchen die Thronlehne anfassen und auf
Mutter und segnendes Kind weisen. Die Ma-
donna in Rovezzano, auf welche ich schon früher
hinwies, die gleichwohl aber von Aubert unbe-
rücksichtigt blieb, ist als nächste Stufe nach
Coppos Madonna von 1261 sehr wichtig. Idi
glaube, hier dürfen wir unbedenklich als En-
stehungszeit etwa 1265 annehmen. Diesen Typus
übernimmt Cimabue in seiner Madonna in der
Kirche der Servi zu Bologna, die ich mit Thode
und Aubert für authentisch halte. Von da bis
zur grandiosen Komposition von S. Trinitä mit
der Engelwacht ist nun allerdings ein großer
Schritt. Und es ist gewiß berechtigt, zwischen
der Servimadonna, die auch kaum viel vor 1270
entstanden zu denken ist, und der Trinitämadonna
einen größeren zeitlichen Unterschied anzunehmen,
da beide Bilder verschiedene Entwicklungsstufen
eines Künstlers repräsentieren. Daher glaube
ich nicht, daß Aubert mit der Annahme, die
Trinitämadonna sei früh, vor den Assisifresken,
entstanden, Recht behalten wird. Vor 1280 un-
gefähr kann ich mir sie nicht entstanden denken.
Der primitive Typus mit den kleinen über
die Thronlehne gebeugten Engelchen lebt in
Pisa fort, wo z. B. das große von zwölf
Legendenszenen umgebene Madonnenbild im
Museum (Fot. Alinari 9880) in verhältnismäßig
später Zeit ihn noch aufweist. Weiter ent-
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