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Monatshefte für Kunstwissenschaft
aber typisch für das Motiv der freien Bewegung und des Abstoßens zugefügt. Der
Unterschenkel hat eine dem entsprechende freie Korrektur erhalten.
Die Hauptzeichnung des Oberkörpers (VI. Teyler-Museum, Abb. 8, Studie 5)
zeigt neben den späteren Formen noch die ursprüngliche Anlage des steileren rechten
und des mehr nach außen stehenden linken Armes. Daß dieses ältere Motiv zuerst
für endgültig gegolten hatte, beweist die sorgsame Behandlung der linken Gesichts-
hälfte, die von der Hand des nach innen gewendeten Armes ganz verdeckt werden
müßte. Sie war also zeitiger wie dieser entstanden. Die Hand ist ohne Modell, in
nicht definitiver Fingerstellung, zu klein, in dünnen Strichen, ungefähr an ihren Platz
gesetzt worden. Ihre Ausführung war im Zusammenhänge nicht möglich, da sie das
Modell, das einen Strick hielt, falsch bot, ihre spätere Eintragung nicht, da auf ihrer
Stelle schon das Gesicht gezeichnet war (Rötel wird beim Radieren schmierig). Eine
Linie quer durch die Nasenspitze gibt vielleicht den Überschneidungspunkt an. — Das
rechte Ohr sitzt falsch an. Dadurch ist die Backe etwas zu schmal. Die Verkürzung
war zuerst nicht sicher erfaßt. Es ist mehrfach daran herumkorrigiert worden. Ansatz
und Verkürzung sind auf der kleinen Detailstudie über dem Kopfe gefunden.1)
Das Verso des Blattes der Malcolm-Sammlung (V. Abb. 7, Studie 6) zeigt den
rechten Arm noch steil, den linken schon nach innen gedreht, aber noch nicht in der
vollen Anstrengung. Die ganze Partie des Rumpfes war verändert. Darum ist hier
nur sie eingehend behandelt. Die doppelten Konturen an der Schulter, innen, bezeugen
den Moment der Entwicklung: die erste die tiefere, die zweite die heraufgezogene Lage.
Auf der Hauptstudie (5) des Teyler-Museums (VI.) ist der rechte Arm im zweiten
Stadium dargestellt, also die Schulter noch tief. Deren Abstand vom Ohre ist größer
als auf dem Fresko. Ergänzen wir sie nach der erhobenen, vorgedrehten Schulter der
achten Studie, oben rechts auf dem Blatte, so erhalten wir die definitive Erscheinung. —
Am Rande unten links ist eine kleine konstruktive Zeichnung der rechten Hand (ohne
Modell. Die Fingerstellung noch anders als auf der definitiven Lösung). Nach dieser
ist sie auf der Hauptstudie rasch angelegt. Wir sehen aber darunter den Kontur einer
anderen Daumenstellung: den der den Strick haltenden Hand. — Zu den Studien oben
(8 und 9), der wie gekreuzigten Hände ist zu bemerken, daß die der linken Hand nur
den Armansatz aufweist: der Arm war auf der Hauptstudie gelöst worden; der rechte
war auf dieser falsch, wurde also nun gleichzeitig mit der Hand endgültig studiert.
Die Echtheit der Blätter der Malcolm-Sammlung und des Teyler-Museums.
Wenn auf zwei inhaltlich ganz zusammengehörigen Studienblättern so ein-
dringlich der Gang der Arbeit verfolgt werden kann, kommt es mir fast wie ein
Scherz vor, deren Echtheit noch besonders beweisen zu müssen, oder wie ein Scherz,
sie anzuzweifeln.
Nur einer sehr oberflächlichen Beobachtung kann entgehen, daß sie teilweise
ganz andere Details enthalten wie der Haman der Sistina. Ich verweise als augen-
9 Das Ohrläppchen erscheint nur infolge der Untersicht besonders fleischig. Auf dem
Fresko ist es identisch. Vergl. Anm. 5, Seite 74.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
aber typisch für das Motiv der freien Bewegung und des Abstoßens zugefügt. Der
Unterschenkel hat eine dem entsprechende freie Korrektur erhalten.
Die Hauptzeichnung des Oberkörpers (VI. Teyler-Museum, Abb. 8, Studie 5)
zeigt neben den späteren Formen noch die ursprüngliche Anlage des steileren rechten
und des mehr nach außen stehenden linken Armes. Daß dieses ältere Motiv zuerst
für endgültig gegolten hatte, beweist die sorgsame Behandlung der linken Gesichts-
hälfte, die von der Hand des nach innen gewendeten Armes ganz verdeckt werden
müßte. Sie war also zeitiger wie dieser entstanden. Die Hand ist ohne Modell, in
nicht definitiver Fingerstellung, zu klein, in dünnen Strichen, ungefähr an ihren Platz
gesetzt worden. Ihre Ausführung war im Zusammenhänge nicht möglich, da sie das
Modell, das einen Strick hielt, falsch bot, ihre spätere Eintragung nicht, da auf ihrer
Stelle schon das Gesicht gezeichnet war (Rötel wird beim Radieren schmierig). Eine
Linie quer durch die Nasenspitze gibt vielleicht den Überschneidungspunkt an. — Das
rechte Ohr sitzt falsch an. Dadurch ist die Backe etwas zu schmal. Die Verkürzung
war zuerst nicht sicher erfaßt. Es ist mehrfach daran herumkorrigiert worden. Ansatz
und Verkürzung sind auf der kleinen Detailstudie über dem Kopfe gefunden.1)
Das Verso des Blattes der Malcolm-Sammlung (V. Abb. 7, Studie 6) zeigt den
rechten Arm noch steil, den linken schon nach innen gedreht, aber noch nicht in der
vollen Anstrengung. Die ganze Partie des Rumpfes war verändert. Darum ist hier
nur sie eingehend behandelt. Die doppelten Konturen an der Schulter, innen, bezeugen
den Moment der Entwicklung: die erste die tiefere, die zweite die heraufgezogene Lage.
Auf der Hauptstudie (5) des Teyler-Museums (VI.) ist der rechte Arm im zweiten
Stadium dargestellt, also die Schulter noch tief. Deren Abstand vom Ohre ist größer
als auf dem Fresko. Ergänzen wir sie nach der erhobenen, vorgedrehten Schulter der
achten Studie, oben rechts auf dem Blatte, so erhalten wir die definitive Erscheinung. —
Am Rande unten links ist eine kleine konstruktive Zeichnung der rechten Hand (ohne
Modell. Die Fingerstellung noch anders als auf der definitiven Lösung). Nach dieser
ist sie auf der Hauptstudie rasch angelegt. Wir sehen aber darunter den Kontur einer
anderen Daumenstellung: den der den Strick haltenden Hand. — Zu den Studien oben
(8 und 9), der wie gekreuzigten Hände ist zu bemerken, daß die der linken Hand nur
den Armansatz aufweist: der Arm war auf der Hauptstudie gelöst worden; der rechte
war auf dieser falsch, wurde also nun gleichzeitig mit der Hand endgültig studiert.
Die Echtheit der Blätter der Malcolm-Sammlung und des Teyler-Museums.
Wenn auf zwei inhaltlich ganz zusammengehörigen Studienblättern so ein-
dringlich der Gang der Arbeit verfolgt werden kann, kommt es mir fast wie ein
Scherz vor, deren Echtheit noch besonders beweisen zu müssen, oder wie ein Scherz,
sie anzuzweifeln.
Nur einer sehr oberflächlichen Beobachtung kann entgehen, daß sie teilweise
ganz andere Details enthalten wie der Haman der Sistina. Ich verweise als augen-
9 Das Ohrläppchen erscheint nur infolge der Untersicht besonders fleischig. Auf dem
Fresko ist es identisch. Vergl. Anm. 5, Seite 74.