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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

(und ebenso auf der des Tobias) sich die Helligkeit scharf gegen den Schatten abzeichnet,
wie beim Engel Schlagschatten hinter den Locken und dem Ohr (in Dreiecksform)
hervortreten, und das Profil sich im Dunkel verliert. Wie auch bei Stomer gelegent-
lich, neigen sich die Köpfe voll Spannung vor; doch ist die Bewegung von größerer
Heftigkeit als bei dem niederländischen Meister. Die Köpfe der Gestalten selber, ob-
gleich ursprünglich an Stomersche Typen angelehnt, verraten doch eine starke persön-
liche Note; zumal ein Gesicht wie das des Tobias liegt von dem niederländischen Vor-
bild weit ab. Ebenso ist die Behandlung des Raumes eine andere, freiere, von der
etwas monotonen Art Stomers angenehm abstechend. Letzte Residuen jenes nun über-
wundenen Einflusses erkennt man noch in Einzelheiten wie etwa der Art, in der die
Haare und das runzelige Fleisch der Alten gebracht sind (cfr. den Kopf des Vaters
des Tobias mit dem des Nikodemus in Darmstadt). Ebenso verraten die Drapierungen
der Gewänder in ihren großen, etwas laschen, dabei ausgezeichnet charakterisierten
Falten noch den Stil des Vorbildes; allerdings möchte ein so prachtvoll studierter Ge-
wandwurf wie der des Vater Tobiae bei Stomer nirgends zu finden sein.
Mit großer Bestimmtheit erkenne ich die künstlerischen Charakteristika der beiden
Cataneser Bilder wieder in einem umfangreichen und sehr auffälligen „Christus unter
den Schriftgelehrten" der Münchener Pinakothek, der früher für einen Honthorst galt,
neuerdings aber als „holländische Schule von 1620" ^ angesprochen wird. Die (entfernte)
Beziehung zu Honthorst war also längst beachtet worden; und der Katalog verfolgte
die richtige Spur, als er (in einer kurzen Bemerkung) auf die oben besprochene
Unterredung Christi mit Nikodemus (Darmstädter Museum) hinwies. Denn die Fäden,
die sich von Stomer zum Meister des Sterbenden Cato hin- und herüberspinnen, haben
in der Tat auch dieses Bild mit jener Darmstädter Darstellung verwoben. Freilich er-
laubt uns die jetzt so erweiterte Materialkenntnis nicht mehr dem Verfasser des Kata-
logs zuzustimmen, wenn er das Darmstädter Bild dem gleichen Meister geben will:
jene nächtliche Unterredung mit ihrem typischen Kerzenschein, mit all den charakteris-
tischen Köpfen und Akzessorien Stomers und ihrem engen Verhältnis zu der Neapler
Serie ist nunmehr keinen Augenblick mehr aus dem Werke des Niederländers wegzu-
nehmen. Auch wird man die Ähnlichkeiten in diesem speziellen Falle nicht mehr ganz
so schlagend finden, und gerade die Gegenüberstellung wird noch stärker auf die
beträchtlichen Unterschiede beider Meister hinführen. Denn tatsächlich tobt in diesen so
lebhaft agierenden Händen, diesen erregten, gelegentlich verzerrten Gesichtern, eine
Leidenschaft, ein inneres Feuer, das sich nur mühsam mit den fast phlegmatischen
Requisiten des nordischen Lehrers begnügt.
Was vor allem gänzlich von Stomer abweicht, ist auch hier Technik und Kolorit.
Die etwas runzelige Beschaffenheit der Oberfläche erinnert lebhaft an die Cataneser
Bilder, ebenso die gemischten, kühlen Töne, die dem gelbrötlichen Gesamtton, dem
intensiveren Helldunkel des Niederländers entgegengesetzt sind. Auch im Gewandstil

9 Versuchsweise, nach Vorschlag von Dr. Buchheit, im neuesten Katalog „Baburen" ge-
nannt. Indessen scheint mir die Ähnlichkeit mit dem Stiche dieses Caravaggioschülers mehr eine
allgemeine zu sein.
 
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