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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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158

Monatshefte für Kunstwissenschaft

C. Strompen erwähnt nämlich, daß auf der
Darstellung der Disputation des hl. Wolfgang
der Ketzer mit seinem Genossen in der ge-
bräuchlichen mittelalterlichen Weise als solcher
gekennzeichnet sei. Dazu muß bemerkt werden,
daß es eine eigene Ketzertracht wohl nicht ge-
geben hat. Wohl wurden aber noch im XVI. Jahr-
hundert öffentliche Mädchen und Juden ziemlich
gleichmäßiger Verachtung ausgesetzt und ver-
schiedene Kleiderverordnungen sorgten dafür,
daß sie als solche kenntlich waren. So be-
stimmte eine Kirchenversammlung im Jahre 1314
ausdrücklich, daß die Juden einen hornartig
gebogenen Hut von gelber oder gelbroter Fär-
bung tragen mußten.1) Der hornartige Hut ist
uns bereits bekannt; wir fanden ihn sowohl
auf dem von Strompen angeführten Bilde als
auch auf der großen Tafel. (Kat. No. 13.) Der
Maler scheint jedenfalls das Bedürfnis empfunden
zu haben, den Widersacher der Religion — hier
den mit dem hl. Wolfgang disputierenden Ketzer,
da den Henkersknecht und seine Genossen —
auch äußerlich zu kennzeichnen, wobei sich ihm
die Judentracht, der naturgemäß das Attribut
der Verächtlichkeit zukam, ungezwungen als
nächstliegend aufdrängen mußte; in diesem Sinne
wird wohl auch Strompens Bemerkung auf-
zufassen sein.
Die auf die Rückseiten der Grazer Tafeln
gemalten Symbole der Evangelisten Markus und'
Lukas machen es nahezu gewiß, daß die beiden
Tafeln einer Serie von vier zusammengehörigen
Bildern angehörten in denen wohl Reste eines
Altarwerkes zu erkennen sein werden. Trugen
die beiden fehlenden Tafeln die Symbole der
Evangelisten Matthäus und Johannes (Engel-
Adler) auf ihren Rückseiten und halten wir an
der üblichen Reihenfolge der Evangelisten fest,
so ergeben sich zwei Aufstellungsmöglichkeiten
für die vier Tafeln, aus denen man die Lage
unserer beiden Tafeln bestimmen kann. Ordnen
wir nämlich die 4 Evangelisten in umstehender
Reihenfolge

Matthäus
Lukas
(Graz)
Markus
(Graz)
Johannes

4 Herm. Weiss. Kostümkunde, Geschichte d. Trachten
und der Geräte vom XIV. Jahrhundert bis auf die Gegen-
wart (1872). Bd. III. 1. Abt. S. 147.

oder aber so:

Matthäus
Markus
(Graz)
Lukas
(Graz)
Johannes

In beiden Fällen müssen wir eine Szene vor
der Enthauptung und eine nach dem Wunder
an der Bahre des Heiligen erwarten.
Vielleicht gestattet ein glücklicher Fund, das
hochbedeutende Altarwerk in seiner ursprüng-
lichen Gestalt wiederherzustellen.
Ein Versuch die Grazer Tafeln zu datieren
muß zwar von vorneherein gewagt erscheinen;
soll er aber doch unternommen werden, so
könnten wohl die Jahre von 1489—1490, in
denen Michael Pacher am Kirchenväteraltar
der Allerheiligen Kapelle des Domes in Brixen
gearbeitet hatte 9 wegen der vielfachen stilisti-
schen Verwandtschaft des Werke, als die mut-
maßliche Entstehungszeit der Bilder bezeichnet
werden.
g
NOCH EINMAL DAS BILDNIS DES
VINCENZO CAPPELLO.
Vor ein paar Wochen durfte ich die Leser
dieser Zeitschrift auf ein Bildnis des venetia-
nischen Patricier Vincenzo Cappello hinweisen-)
das, eine Copie Cristofanos dell' Altissimo nach
einem datirbaren") und von Ridolfi 1) be-
schriebenen Portrait Tizians ist. Das Orginal
glaubte ich verloren und schloß darum meine
wenigen Zeilen über die Kopie in den Uffizien
mit dem zwar aufrichtigen, aber von keiner
Hoffnung getragenen Wunsche, es möchte
irgendwann und irgendwo noch einmal zum
Vorschein kommen. Hätte ich mich fleißiger
umgetan, so wäre meine kleine Studie nicht
in ein Gebet an den Gott des Zufalls, sondern
in ein vergnügtes „Heureka" ausgeklungen und
die Notiz im Handumdrehen ein „Artikel" ge-
worden. „Mea culpa, mea maxima culpa" . ..

9 C. Strompen a. a. 0.

s. Monatshefte für Kunstwissenschaft. 1908. I. Jahr-
gang. Heft 12, p. 1117f.

3) Nach einem Briefe Aretinos wurde es 1540 gemalt,
s. lettere di Pietro Aretino. In Parigi MDCIX. II. Bd.,
p. 189 (tergo).

4) Ridolfi: „Le maraviglie dell'arte." In Venetia
MDCXLVIII. vol. I. p. 181.
 
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