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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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E. Schaeffer. Noch einmal das Bildnis des Vincenzo Cappello

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Denn Tizians Portrait des Vincenzo Cap-
pello braucht die Kunstgeschichte nicht ins
Verlustkonto zu buchen; es existiert „incog-
nito", wie ich vorausahnte, und Jean Guif-
frey hat es bereits vor drei Jahren mit
anderen Gemälden aus der Sammlung des
Barons Schlichting zu Paris in der Zeitschrift
„Les Arts"1) als Bildnis des Andrea Doria von
Tizian abgebildet. „Le Portrait du
Titien" — meint Guiffrey — „est sans
doute, ä en juger par le visage plus
fatigue du modele posterieur ä celui
de Sebastian del Piombo; toutefois,
ce dernier, ayant ete peint en 1557
(sic!) et Andrea Doria etait mort en
1560, c'est entre ces deux dates qu'on
en doit placer l'execution..." Von
all' dem bleibt allein das Todesjahr
des Andrea Doria als zu Rechte be-
stehen. Denn Sebastiano starb bereits
anno 1547 und malte, laut Vasari,2)
das Portrait des gewaltigen Genuesen
unmittelbar nach einem Bildnis des
Pietro Aretino, das dieser bereits im
Jahre 1526") seiner Vaterstadt schenkte
. . . In Tizians Portrait, das „absichtlich
auf einen etwas schweren grauen Ton
gestimmt scheint", ist, immer nach
Guiffrey, Dorias Antlitz durch den näm-
lichen „Ausdruck von Trauer und Ent-
täuschung" verdüstert, der auch an
seinem von Piombo gemalten Bildnis
so ergreifend wirkt. Daß die beiden
Männer sonst auch nicht einen Zug
in ihrem Angesichte miteinander ge-
mein haben, einander nicht im min-
desten ähneln, fiel Guiffrey, nach dessen
Chronologie zwischen den Entstehungs-
daten beider Gemälde nur ein Zeit-
raum von höchstens drei Jahren liegt,
seltsamer Weise nicht auf.
Vergleicht man dagegen das Portrait der
Sammlung Schlichting, auf das überdies Ridolfis
Beschreibung vortrefflich paßt, mit Altissimos
Kopie, so erkennen wir in Tizians Modell ohne
große Mühe den venetianisdien Prokurator
Vincenzo Cappello. Vielleicht nicht auf den
ersten Blick. Denn Altissimo kopierte — und
das könnte den etwas veränderten Gesichts-
ausdruck „seines" Cappello erklären — nicht
das Original, sondern die Kopie des „museurn

Jovianum", über deren Art und künstlerische
Qualitäten wir ja nichts mehr wissen. Zudem
hatte er, gleich vielen Kopisten, die Angewohn-
heit, Einzelheiten der Tracht nach seinem Gut-
dünken zu verändern und die unvenetianisch
herbe Zeichnung der Nase ist ebenso charak-
teristisch für seine Manier wie die Behandlung
der Wangenpartien, die straff gespannt sein


TIZIAN, Vincenzo Cappello
(Paris, Sammlung Baron Schlichting)

sollen und trotzdem schlaff und verfallen wirken.1)
Aber Haltung und Richtung der beiden Häupter
stimmen vollkommen mit einander überein, die
Schädelform, der Mund, die Frisur der spär-
lichen weißen Haare, die Art, wie die linke
Gesichtshälfte sich gegen den Hintergrund ab-
setzt und endlich die Falten des Feldherrn-
mantels, all' dies hat Altissimos Portrait mit
Tizians Bildnis gemein2) und der Schluß, daß

9 „Les Arts." Fevrier 1906, Nr. 50, p. 1, Abb., u.
p. 2 (Text).
, Vasari: Le vite etc. ed. Milanesi vol. V. (Sebastian
Viniziano) p. 576. „Dopo ritrasse Sebastiano Andrea
Doria. . .

9 In einer Monographie über die Portraitsammlung
Cosimos I., werde ich Gelegenheit haben, diese allgemein
gehaltenen Behauptungen über die Kopien Altissimos im
Einzelnen zu beweisen.

2) Ich kann den Vergleich auf die Farben leider nicht
ausdehnen, da ich das Pariser Bild nur aus der Repro-

3) Ubaldo Pasqui. Nuova Guida di Arezzo. Arezzo duktion kenne und Guiffreys Angaben dafür zu allgemein
1882, p. 102. gehalten sind.
 
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