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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 11. S. PIETRO IN CIVATE
Gewölbemalerei der Eingangshalle
Weise sind die einzelnen Glieder miteinander verwachsen und so wird eine starke
Illusion treibender Kräfte erzeugt. Die Ornamentik der Eingangshalle von S. Pietro,
die in ihrer einfachen und sauberen Ausführung an Erzeugnisse der Goldschmiedekunst
erinnert, erscheint wie ein Fremdkörper inmitten der mehr handwerklichen Kunst der
Comasken. Schon Dartein erkannte diese Sonderstellung, und suchte sie durch die
Annahme byzantinischer Ent-
lehnungen zu erklären. Diese
Hypothese hat viel Wahr-
scheinlichkeit für sich, da sie
ja dem entspricht, was wir
für den Charakter des Civa-
tener Hauptmeisters ange-
führt haben. Diesem möchte
ich nur noch hinzufügen, daß
wir bei einer genaueren
Kenntnis der Geschichte der
ornamentalen Kunst in Süd-
italien wohl ähnliche Ten-
denzen ermitteln können1).
In diesem Falle würde denn
Civate als wichtiger Vermitt-
lungspunkt für jenen starken
byzantinischen Strom erschei-
nen, der von Süden kommend
sich dann im Norden ver-
breitet.
Die Entstehungszeit der
Innendekoration von S. Pietro
in Civate ist nach der oben
versuchten Charakteristik der
Ornamentik ungefähr fest-
gelegt. Für die Platten des
Kryptaeingangs müssen wir
das 1. Viertel des XII. Jahr-
hunderts annehmen. Klar
ist es ferner, daß der Ver-
fertiger dieser Platten, sicherlich ein Lombarde, zeitlich dem Künstler, der die
Dekoration der Eingangshalle schuf, folgte, da letztere Arbeiten durch die bau-
y Vergleiche den Elfenbeinkasten der Sammlung Saltyng, London; Abb. bei Molinier:
Les ivoires S. 152. Der untere Fries setzt sich aus herzförmigen Gebilden zusammen, die aus
sich einhakenden, von verschiedenen Seiten kommenden Ästen hervorwachsen. Die Herzen sind
so aneinandergereiht, daß je 2 durch ein S-förmiges Glied verbunden sind, also ganz ähnlich dem
horizontalen Ornamentfriese der Eingangswand von S. Pietro. Molinier hält den Kasten für
italienische Arbeit unter stark byzantinischen Einfluß, er denkt dabei an Rom als Entstehungsort.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 11. S. PIETRO IN CIVATE
Gewölbemalerei der Eingangshalle
Weise sind die einzelnen Glieder miteinander verwachsen und so wird eine starke
Illusion treibender Kräfte erzeugt. Die Ornamentik der Eingangshalle von S. Pietro,
die in ihrer einfachen und sauberen Ausführung an Erzeugnisse der Goldschmiedekunst
erinnert, erscheint wie ein Fremdkörper inmitten der mehr handwerklichen Kunst der
Comasken. Schon Dartein erkannte diese Sonderstellung, und suchte sie durch die
Annahme byzantinischer Ent-
lehnungen zu erklären. Diese
Hypothese hat viel Wahr-
scheinlichkeit für sich, da sie
ja dem entspricht, was wir
für den Charakter des Civa-
tener Hauptmeisters ange-
führt haben. Diesem möchte
ich nur noch hinzufügen, daß
wir bei einer genaueren
Kenntnis der Geschichte der
ornamentalen Kunst in Süd-
italien wohl ähnliche Ten-
denzen ermitteln können1).
In diesem Falle würde denn
Civate als wichtiger Vermitt-
lungspunkt für jenen starken
byzantinischen Strom erschei-
nen, der von Süden kommend
sich dann im Norden ver-
breitet.
Die Entstehungszeit der
Innendekoration von S. Pietro
in Civate ist nach der oben
versuchten Charakteristik der
Ornamentik ungefähr fest-
gelegt. Für die Platten des
Kryptaeingangs müssen wir
das 1. Viertel des XII. Jahr-
hunderts annehmen. Klar
ist es ferner, daß der Ver-
fertiger dieser Platten, sicherlich ein Lombarde, zeitlich dem Künstler, der die
Dekoration der Eingangshalle schuf, folgte, da letztere Arbeiten durch die bau-
y Vergleiche den Elfenbeinkasten der Sammlung Saltyng, London; Abb. bei Molinier:
Les ivoires S. 152. Der untere Fries setzt sich aus herzförmigen Gebilden zusammen, die aus
sich einhakenden, von verschiedenen Seiten kommenden Ästen hervorwachsen. Die Herzen sind
so aneinandergereiht, daß je 2 durch ein S-förmiges Glied verbunden sind, also ganz ähnlich dem
horizontalen Ornamentfriese der Eingangswand von S. Pietro. Molinier hält den Kasten für
italienische Arbeit unter stark byzantinischen Einfluß, er denkt dabei an Rom als Entstehungsort.