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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft


Abb. 18. SESSHU. Jurojin
Kokka. Heft 111

ringelt sich unter dem Göttersitz hervor. Von allen Seiten drängen hohe Felsen und
eine knorrige Kiefer entfaltet ihr zackiges Geäst. Die Wirkung des Bildes beruht auf
dem überraschenden Gegeneinander der weichlinigen Kwannongestalt in ihrem lichten
Gewände und mit dem leuchtenden Heiligenschein zu der wuchtig gezeichneten fast grausigen
Umgebung. So wird die Göttin zur Friedens-
bringerin, zur Weltenberuhigerin. — Ebenso
überfüllt ist die Darstellung Jurojins, des Gottes
der Langlebigkeit, eines der berühmten sieben
Glücksgötter (Abb. 18). Hier wird in tief-
sinniger Weise das Verwobensein des Zen-
menschen mit der Natur symbolisiert. Denn
Niemand anders als ein frommer Eremit steht
vor uns, trotz seiner besonderen Attribute.
Von Kiefern-, Bambus- und Umezweigen um-
rankt, einen sich anschmiegenden Hirsch zur
Seite, lehnt der alte Mann an einem Kiefern-
stamm. In sein durchgeistigtes Gesicht hat
Grübeln und Meditieren tiefe Runzeln gegraben.
Vor diesem Werke darf man nicht an Tiefen-
wirkungen und verschwimmende Fernen denken;
denn der Eindruck eines Gobelins, eines Teppichs
ist viel eher beabsicht. Trefflich paßt dazu
die Komposiion, die alles ineinander verwebt,
die Bildfläche teppichartig füllt und doch die
Gestalt deutlich hervortreten läßt.
Sesshu ist einer der bedeutendsten Maler,
die Japan hervorgebracht hat, jedenfalls der
größte Landschafter. Er ist ein ganz strenger
und ernster Meister. Seine Landschaften atmen
immer heroischen und dramatischen Geist und
verlieren sich fast nie in lyrisch-sentimentaler
Stimmungsmacherei. Sie werden auch nie
genrehaft. Denn etwa auftretende Menschen

verschwinden meist in der Umgebung. Auch
die Figurendarstellungen fügen sich dieser
Strenge. Sesshu bevorzugt das ideale Einzel-
porträt. Weder jene humoristischen Gruppen, wie Hanshan und Shite1) oder die wein-
kostenden Eremiten ') noch die die vielfigurigen Idyllen, die die vier Hauptbeschäftigungen
der Weisen behandeln1), dürften den Meister zur Gestaltung angeregt haben. Dieselbe
Schlichtheit bei den Tierbildern. Fast alle Werke Sesshus sind monochrom. So ver-
langte es das Wollen der Zeit. Aber Sesshu weiß wie nur wenige, einen überraschen-

]) Beliebte Motive der chinesisch beeinflußten Schulen.
 
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