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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

geduldigen Papstes gegönnt war, den ganzen Freskenschmuck des Saales allein zu
entwerfen und auszuführen.
Als Julius II. am 20. Februar 1513 starb waren nachweislich vollendet —
außer der Decke, die jedenfalls nicht Raffael, vielleicht in allen ihren Teilen dem
Peruzzi angehört1) — die beiden Bilder des „Heliodor" und der „Messe von Bolsena".
Im Fenstergewände unter diesem letzteren Bild steht das Datum 1512, im neunten
Jahr des Pontifikats: also vor dem 1. November, dem Anniversar der Krönung. Aber
auch das dritte Wandbild, die Begegnung mit Attila war jedenfalls schon entworfen;
auf einer in Oxford bewahrten Zeichnung 2) zeigt der Papst die bärtigen Züge Julius II.
— an Stelle des bei der Ausführung eingefügten Porträts Leos X.
Andererseits sind die letzten Bilder in der Segnatura frühestens im Sommer 1511
ausgeführt worden. Bei der „Verleihung der Decretalen" ist Julius bereits mit seinem
weißen Bart porträtiert, in dem er zuerst bei seiner Rückkehr vom Bologneser Feldzug
28. Juni 1511 den erstaunten Römern erschienen war3). Ende August wird nach
einer Briefstelle des mantuanischen Gesandten das Porträt des jungen Federigo
Gonzaga in die Schule von Athen noch nachträglich eingefügt 4).
Besten Falls konnte also im Spätherbst dieses Jahres mit den Vorarbeiten
für das Heliodorzimmer begonnen werden; die Malerei selbst kann aber vor Ablauf
des Jahres schwerlich in Angriff genommen gewesen sein.
Eine eigentliche Berechnung der möglichen Arbeitsleistung Raffaels in dem
gegebenen Zeitabschnitt bleibt freilich ausgeschlossen, schon deshalb, weil über die
weiteren in den gleichen Zeitraum fallenden Arbeiten sichere Nachrichten fehlen,
namentlich aber, weil wir überhaupt über fast Alles was an praktischen Realien der
Entstehung der älteren Kunstwerke zugrunde liegt gänzlich im Ungewissen bleiben,
solange nicht die in den Quellen beiläufig gegebenen Hinweise in dieser Richtung
systematisch gesammelt sind.
Wir können somit die äußere Wahrscheinlichkeit einer Arbeitsteilung bei den
Fresken der Heliodorstanze nur schätzungs- und vermutungsweise aufstellen. Es bleibt
die Beurteilung der Bilder selbst und der (wie bereits gesagt) an ihnen hervortretenden
Ungleichheiten. Dabei möchte ich aber die Frage nach dem eventuellen Anteil Giulio
Romanos und Pennis ganz beiseite lassen. Sicher waren diese beiden im Jahre 1512
schon in Raffaels Werkstätte beschäftigt, aber nur als noch durchaus unreife und unselb-
ständige Gehilfen, die, wenn sie je etwas allein auszuführen bekamen, sich völlig an
die Vorlage und Art des Meisters anschlossen. Es ist also von geringer Bedeutung
zu wissen ob gewisse Härten der Zeichnung, gewisse Buntheiten im Kolorit eher
-— mit Cavalcaselle — auf das Konto dieser Schüler, als — mit Dollmayr — auf das
späterer Restauratoren zu schieben sind. Das Werk bleibt in seinem Charakter immer
raffaelisch, wie ein Musikstück immer den Charakter des Komponisten behält, auch
wenn es von einem Schüler mangelhaft vorgetragen wird. Dies gilt, wie wir zeigen

9 Dollmayr. Zeitschrift f. bild. Kunst 1890, p. 292f.

2) Abgeb. z. B. in Klaczko, Rome et la Renaissance. Jules II. bei p. 392.

3) Vgl. Klaczko a. a. 0., 285.

4) Steinmann, d. Sixtin. Kapelle II, p. 1162); 120.
 
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