Karl Blechen in Berlin
Die Zeit vor der italienischen Reise 1)
Von G. J. Kern
(Fortsetzung und Schluß)
Die Tätigkeit Blechens als Theatermaler konnte nicht ohne nachhaltigen Einfluß
auf seine Landschaftsmalerei bleiben. Die Folgen treten bald zutage.
Auf die Ausstellung des Jahres 1826 hatte Blechen neun Landschaften gesandt.
Der Katalog führt sie als Werke „eigener Erfindung" auf. Leider summarisch, wo-
durch eine Identifizierung der einzelnen Bilder erschwert wird. Anscheinend, nach
dem Datum ihrer Entstehung und nach Zeitungsberichten, war die Winterlandschaft mit
dem verkrüppelten Baum 2) ausgestellt, die sicli heute im Besitz der National-Galerie
befindet (Abb., S. 455). Das Werk ist bezeiclinet „C. Bledien 1825." Ein Motiv aus der
sächsischen Schweiz, im Sinne einer Schweizer Landschaft heroisiert. Die Vorstellung
von „echten" Schweizer Landschaften schöpfte der Künstler aus Schweizer Bildern und
Veduten, die den Kunstmarkt überschwemmten. Blechen hatte früher selbst Schweizer
Prospekte kopiert, eine Wiederholung dieser Art bietet eine Landschaft Blechens in Öl
bei C. Brose.
In dem Bilde der Winterlandschaft von 1825 fällt der riesenhafte kahle Baum
ins Auge. Er versperrt den Zugang zum Tal. Wie ein Polyp im Meerwasser die
Fangarme streckt er rotgraue narbige Zweige in die kalte Winterluft aus. Aus der
Ferne schimmert durch den Nebel das einsame 8) Licht einer Hütte, bleiche Lichtstrahlen
wirft der Mond über beschneite Felsblöcke:
„Furchtbar gähnt
Der düstre Abgrund, welch ein Graun!
Das Auge wähnt
In einen Höllenpfuhl zu schaun! —
Wie dort sich Wetterwolken ballen,
Der Mond verliert von seinem Schein!
Gespenst'ge Nebelbilder wallen,
Belebt ist das Gestein!
Und hier — husch, husch!
Fliegt Nachtgevögel auf im Busch!
Rotgraue narb'ge Zweige strecken
Nach mir die Riesenfaust!" —
In Webers „Freischütz", in der fürcherlichen „Wolfschlucht", hatte Blechen die
Motive für sein Bild gefunden. Die Wolfschlucht selbst aber, wie sie Blechen vor
Augen stand, gibt ein anderes Werk des Künstlers wieder. Es ist unter der Bezeichnung
9 Die Ausführungen sollen bereits auf eine größere Monographie des Verfassers über
Karl Bledien hinweisen, die im Laufe des nächsten Jahres im Verlage von Klinkhardt & Biermann
erscheinen soll. Die Red.
, Es wird vom Referenten der Berlinischen Zeitung ein Bild mit einer „strippigen Eiche"
erwähnt, die ihm zu kahl schien „in Hinsicht ihrer Zweige".
3) Das Wort „der einzige Lebensfunke im weiten Reich des Todes", das
Brentano bezw. Kleist (s. oben) auf Friedrichs Mönch am Meer anwendet (Berliner Abendblätter
vom 13. Oktober 1810) findet durch Blechens Bild eine wörtliche Auslegung!
Die Zeit vor der italienischen Reise 1)
Von G. J. Kern
(Fortsetzung und Schluß)
Die Tätigkeit Blechens als Theatermaler konnte nicht ohne nachhaltigen Einfluß
auf seine Landschaftsmalerei bleiben. Die Folgen treten bald zutage.
Auf die Ausstellung des Jahres 1826 hatte Blechen neun Landschaften gesandt.
Der Katalog führt sie als Werke „eigener Erfindung" auf. Leider summarisch, wo-
durch eine Identifizierung der einzelnen Bilder erschwert wird. Anscheinend, nach
dem Datum ihrer Entstehung und nach Zeitungsberichten, war die Winterlandschaft mit
dem verkrüppelten Baum 2) ausgestellt, die sicli heute im Besitz der National-Galerie
befindet (Abb., S. 455). Das Werk ist bezeiclinet „C. Bledien 1825." Ein Motiv aus der
sächsischen Schweiz, im Sinne einer Schweizer Landschaft heroisiert. Die Vorstellung
von „echten" Schweizer Landschaften schöpfte der Künstler aus Schweizer Bildern und
Veduten, die den Kunstmarkt überschwemmten. Blechen hatte früher selbst Schweizer
Prospekte kopiert, eine Wiederholung dieser Art bietet eine Landschaft Blechens in Öl
bei C. Brose.
In dem Bilde der Winterlandschaft von 1825 fällt der riesenhafte kahle Baum
ins Auge. Er versperrt den Zugang zum Tal. Wie ein Polyp im Meerwasser die
Fangarme streckt er rotgraue narbige Zweige in die kalte Winterluft aus. Aus der
Ferne schimmert durch den Nebel das einsame 8) Licht einer Hütte, bleiche Lichtstrahlen
wirft der Mond über beschneite Felsblöcke:
„Furchtbar gähnt
Der düstre Abgrund, welch ein Graun!
Das Auge wähnt
In einen Höllenpfuhl zu schaun! —
Wie dort sich Wetterwolken ballen,
Der Mond verliert von seinem Schein!
Gespenst'ge Nebelbilder wallen,
Belebt ist das Gestein!
Und hier — husch, husch!
Fliegt Nachtgevögel auf im Busch!
Rotgraue narb'ge Zweige strecken
Nach mir die Riesenfaust!" —
In Webers „Freischütz", in der fürcherlichen „Wolfschlucht", hatte Blechen die
Motive für sein Bild gefunden. Die Wolfschlucht selbst aber, wie sie Blechen vor
Augen stand, gibt ein anderes Werk des Künstlers wieder. Es ist unter der Bezeichnung
9 Die Ausführungen sollen bereits auf eine größere Monographie des Verfassers über
Karl Bledien hinweisen, die im Laufe des nächsten Jahres im Verlage von Klinkhardt & Biermann
erscheinen soll. Die Red.
, Es wird vom Referenten der Berlinischen Zeitung ein Bild mit einer „strippigen Eiche"
erwähnt, die ihm zu kahl schien „in Hinsicht ihrer Zweige".
3) Das Wort „der einzige Lebensfunke im weiten Reich des Todes", das
Brentano bezw. Kleist (s. oben) auf Friedrichs Mönch am Meer anwendet (Berliner Abendblätter
vom 13. Oktober 1810) findet durch Blechens Bild eine wörtliche Auslegung!