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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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W. Suida. Studien zur lombardischen Malerei des XV. Jahrhunderts 493
Die theoretisierenden Bestrebungen haben schon bei Donato de' Bardi eine Rolle
gespielt, wie sich sicher behaupten läßt; „aus der Mass gemacht" sehen seine Gestalten
aus. Allerdings spielen perspektivische Raumkonstruktionen, Verkürzungen, bei ihm
noch keine Rolle, wenn man nach den beiden bisher allein nachweisbaren erhaltenen
Werken ein allgemeines Urteil wagen darf. Foppas Sinn für Raumkonstruktion zeigt
nun schon das von 1456 datierte Kreuzigungsbild. Ob später eine direkte Beziehung
zu Mantegna eintrat, ob Foppa, ohne abhängig zu sein von dem größeren Vicentiner,
parallel zu ihm seinen Weg fand, bis er indirekt Kunde von dessen Bestrebungen
durch Bramante (seit Mitte der 70er Jahre in der Lombardei, vorher sicher bei Man-
tegna) und Butinone (siehe III. Kapitel) erhielt, das können wir heute nicht mehr kon-
statieren, da Foppas datierte Werke, insbesondere die Freskenzyklen der entscheidenden
Jahre verloren sind. Erhalten blieb nur der Schmuck der Portinarikapelle, über dessen
Entstehung kein Dokument Auskunft gibt. Die Kirchenväter daselbst sind sicher von
Foppa. In ihrer plastischen Wucht, meisterhaften perspektivischen Verkürzung und ein-
fachen, großartigen Haltung scheinen sie eine volle Verwirklichung seiner Bestrebungen
zu sein — keineswegs frühe Versuche nach dieser Richtung. Die Annahme, Foppa sei
vor 1468 so weit gekommen, scheint mir ganz unhaltbar (s. oben). In weniger als
12 Jahren ist dem Künstler nicht eine Entwicklung zuzutrauen, wie sie zwischen dem
Kreuzigungsbild in Bergamo und den Kirchenvätern liegt. Vielleicht war die fixe Idee,
die Kirchenväter müßten vor 1468 entstanden sein, hauptsächlich Schuld daran, daß
Ffoulkes und Majocchi in den mit Recht oder Unrecht nach 1468 angesetzten Werken
Foppas keine Spur einer Entwicklung mehr finden konnten.
Wohl lassen die Kirchenväter das Ziel jahrzehntelanger Arbeit erkennen, deren
Errungenschaften in den einzelnen Etappen nachzuweisen uns aber die Lückenhaftig-
keit des Materials verwehrt. Nur vermutungsweise ließ sich die Reihenfolge der er-
haltenen Werke bestimmen. Sehr schwer, ja teilweise unmöglich ist es zu sagen,
welche Neuerungen Foppa der lombardischen Kunst gebracht habe, wann dieselben
zuerst bei ihm auftauchen und wie weit er Gebender, wie weit Empfangender im
Verhältnis zu Butinone, Zenale und Bramante gewesen sei. Daß der von Ffoulkes und
Majocchi ihm beigelegte Ehrentitel „Founder of the Lombard school" geradeswegs
falsch ist, brauche ich nach dem bisher Gesagten kaum mehr zu betonen.
Nach den heute erhaltenen Beispielen scheint es, daß Foppa der Schöpfer des
spezifisch lombardischen Poliptychons sei. Der einheitgebende Faktor desselben ist die
Architektur. Der Rahmenaufbau lenkt als Schaufassade den Blick in Räume, in denen
die gemalten Figuren oder Szenen sich bewegen. Die mit großer Kenntnis der Perspek-
tive auf den Bildtafeln gemalte Scheinarchitektur setzt in ihren Detailformen die Motive
des Rahmenwerks fort, wodurch dieses letztere als Teil eines architektonischen Ge-
füges (nicht als dekorative Flächenbegrenzung) sich deutlich erweist, das wiewohl pla-
stisch ausgeführt, sich doch in seiner Funktion für das Ganze von den gemalten Schein-
architekturen nicht unterscheidet. Es ist daher der Verlust des alten Rahmenwerks
für das lombardische Altarwerk unersetzlich. Der Altar in Savona ist ein Ganzes, die
Tafeln vom Bergamoaltar in der Brera sind, wiewohl vollzählig erhalten, doch nur
ihres Zusammenhanges beraubtes Stückwerk. Unter der Herrschaft des den Lombarden
 
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