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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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J. Vogel. Lucas Cranach in Wien.

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Smidtschen Handzeichnungen. Es ist erfreulich,
daß das Schicksal jene Privatsammhingen, die
einen gewissen Ruf haben, doch allmählich,
direkt oder auf Umwegen in die öffentlichen
Kabinette führt. Mit der Sammlung Beckerath
ist es so gegangen, nun mit der Sammlung
Smidt, die ihrerseits Bestandteile älterer be-
rühmter Sammlungen „rettete" — vielleicht wird
es auch mit der letzten großen Sammlung mit der
Kollektion Lanna im großen und ganzen so gehen.
Ganz möglich aber wird das nur durch die Hilfe
privater Kunstfreunde sein. E. Waldmann.
g
LUCAS CRANACH IN WIEN
Lucas Cranachs d.A.Aufenthalt „in Österreich"
wird durch die bekannte Anekdote bezeugt, die
Scheurl in seiner Lobrede auf den Künstler mit-
teilt: Cranach habe einstmals „in Österreich"
Trauben auf einen Tisch gemalt, mit solchem
Erfolg, daß in seiner Abwesenheit eine Elster
beständig herbeiflog und, unwillig über die
Täuschung, mit Schnabel und Klauen das neue
Werk zerhackte. Der Begriff „Österreich" ist
natürlich, selbst wenn man ihn geographisch so
eng wie möglich auffaßt, sehr dehnbar, wenn
es auch an sich sehr nahe liegt an Wien zu
denken. Verschiedene Werke weisen mit Ent-
schiedenheit auf den österreichischen Aufenthalt
hin, so die beiden um 1500 und im Jahre 1502
entstandenen Holzschnitte mit der Kreuzigung
Christi (vonFlechsig, Cranach, Studien I zu S. 8 u. 9
in Nachbildungen gegenübergestellt; vgl. auch
Friedländer im Jhrb.d.preuß. Kunsts.1902 S.228 ff.)
die wegen der darauf vorkommenden Gestalten —
ausgeprägt magyarische Typen — nach Flechsig
in der Nähe der ungarischen Grenze, sagen wir
allgemein an einem Orte entstanden sein werden,
wo solche nichtdeutsche Gestalten dem Auge
des Künstlers besonders auffielen. Sicher ist
auch mit Recht betont worden, daß das aus dem
Jahre 1503 stammende Bildnis des Professors
an der Wiener Universität Dr. Johann Stephan
Reuß eigentlich nur in Wien gemalt sein kann.
Hierher weist auch die von Dörnhöfer in dem
Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission für Kunst
und historische Denkmale II (1904) S. 175 ff. zum

ersten Male veröffentlichte und als Cranach er-
wiesene „Kreuzigung" in der Galerie des Schotten-
stiftes in Wien, eine figurenreiche Weiterbildung
der „Schleißheimer „Kreuzigung" vom Jahre 1503.
Holzschnitte, die in Wien entstanden sein müssen,
hat Dodgson im Jahrb. der preuß. Kunstsml. 1903
S. 284 ff. nachgewiesen und besprochen. Der
Aufenthalt Cranachs in Wien steht demnach
außer allem Zweifel. Interessant ist es, daß er
auch literarisch einwandsfrei beglaubigt ist, durch
das Zeugnis keines geringern als des Philipp
Melanchthon, das mir mein Freund Ernst Kroker,
dem es bei Gelegenheit seiner Lutherstudien
über die Bearbeitung der Lutherschen Tischreden
unter die Hände gekommen ist, in dankenswerter
Weise mit der Befugnis es an dieser Stelle zu
veröffentlichen, mitgeteilt hat. Es findet sich
abgedruckt im Corpus Reformatorum XX,
593 f. und lautet unter Nr. CCLXI. De Luca
pictore Wittenbergensi: „Lucas Cranach
pictor hat auf ein zeit mit dem Bischof von
Maintz geeßen. Da waren im kleine Fischlein
fürgesetzt worden, die hatten dem Lucas Maler
sehr wol geschmeckt, darüm er auch viel geeßen
hat, das sich yderman darüber verwündert hatte
Vnd wie auch der Bischof solches gesehen hat,
hat er in gefragt, ob er kranck wer geweßen?
Sagt Lucas Maler: Ja warlich ich bin sehr kranck
gewesen. Da hat er in gefragt, ob es auch
lang wer? Antwort er widerum: Für 32 Jaren
lag ich sehr kranck zu Wien in Österreich."
Die hübsche Geschichte, die Cranachs Gesund-
heit im übrigen das beste Zeugnis ausstellt, hat
Melanchthon im Jahre 1557 in einem seiner
Collegs erzählt, aufgeschrieben hat sie ein ge-
wisser Vendenheimer, ein junger Nürnberger.
Wann sie Melanchthon erfahren hat, vor allem
wenn der Künstler mit dem Bischof von Mainz
gemeinsam gespeist hat, wissen wir nicht. Die
32 Jahre lassen also leider keine Schlüsse nach
rückwärts zu. Wien ist nun quellenmäßig un-
zweifelhaft ebenso beglaubigt wie ein Er-
eignis im Leben des damals dreißigjährigen
Künstlers: daß er längere Zeit in der Donau-
stadt ernstlich krank gewesen ist. Möchte die
Lutherforschung noch mehr solche Zeugnisse
zutage fördern! Julius Vogel.

REDAKTIONEN DER MONATSHEFTE FÜR KUNSTWISSENSCHAFT
Herausgeber: Dr. GEORG BIERMANN, Leipzig, Liebigstraße 2.
Verantwortlich für die Redaktion: Dr. HERMANN UHDE-BERNAYS.
Zweigredaktionen:
Für Berlin: Dr. HERM. VOSS, Charlottenburg, Knesebeckstraße 32.
Für München: Dr. HERMANN UHDE-BERNAYS, München, Holbeinstr. 1.
Für Wien: Dr. WILHELM SUIDA, Mödling bei Wien, Kaiser Jubiläumsstr. 16.
Für London: FRANK E. WASHBURN-FREUND, The Cottage / Harrow on Hill
bei London, Lyon Road.
Für Paris: OTTO GRAUTOFF, Paris 11 Quai Bourbon.
Verlag von KLINKHARDT & BIERMANN, Leipzig, Liebigstr. 2.

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