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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Ein Kopf des Meisters der Marmorfiguren
vom Kölner Domaltar

In Köln wurde bei dem Abbruch eines spät-
gotischen Hauses, Ecke am Hofe — Unter Gold-
schmied, ein bemerkenswerter Fund gemacht.
Zwei Bruchstücke von Marmorskulpturen, die
wie Ziegelsteine in die Wand eingemauert waren,
kamen unter dem Abbruchsgemäuer zutage.
Eines, ein stark beschädigter Torso einer barocken
Ritterfigur, ist kunsthistorisch wertlos. Das andere
Stück ist der Kopf einer gotischen Madonna
aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts.
Schon das Material des Kopfes, weißer Mar-
mor, läßt den möglichen Entstehungskreis des
Werkes eng begrenzt erscheinen. Da sich im
Mittelalter in den Rheinlanden Marmor nur bei
dem plastischen Schmuck des Hauptaltars im
Dom nachweisen läßt, lag es nahe, diesen Kopf
mit der Domplastik in Verbindung zu bringen.
Die stilistische Verwandtschaft des Kopfes mit
den erhaltenen Figuren des Domaltares stellt es
außer Zweifel, daß es sich in beiden Fällen um
Arbeiten ein und desselben Meisters handelt.
Auch die ganze Art, wie der Kopf gefunden
wurde, gibt genügend starke Anhaltspunkte, an
eine Verbindung mit der Domplastik zu glauben.
Der im Norden seltene Marmor findet eine
zureichende Erklärung in der Vorliebe des Auf-
traggebers, des Erzbischofs Wilhelm von Gennep,
für dieses edle Material. An der plastischen
Ausstattung des Domes hatte der Erzbischof
einen bedeutenden Anteil. Während seiner Re-
gierungszeit von 1349—61 erhielt der Dom die
Statuen Christi, Mariae und der Apostel an den
Pfeilern des Chores. Audi wurde in seinem
Auftrage der Hochaltar des Domes ausgeführt,
der in der auffallenden Verbindung von schwar-
zem und weißem Marmor für seine Zeit prunkvoll
wirkte. Daß der Erzbischof den Altar erbauen
ließ, geht aus der Koelhoffschen Chronik hervor,
in der es S. 242 mit Bezug auf Wilhelm von
Gennep heißt:
„He dede machen dat hoiche altair in dem
doym van swartzen marmelsteyn ind dede dat
selve sich zieren mit den silveren bilden, die
men un tzer zyt siet."
Dieser Altar des Wilhelm von Gennep hat
sich in seiner ursprünglichen Gestalt nur bis ins
XVII. Jahrhundert erhalten. Schon 1633 würde
er durch das Denkmal des h. Engelbert ver-
baut. Dann, in der zweiten Hälfte des
XV11I. Jahrhunderts begann sich der Kölner

eine blinde Zerstörungswut gotischer Kunst-
werke zu bemächtigen. 1767 wurde das Innere
des Domes von dem Italiener Johann Syrus und
seinen Gehilfen dem Geschmack der Zeit ent-
sprechend restauriert. Dabei wurde 1770 der
Hochaltar vollständig verstümmelt und durch
einen kuppelförmigen Aufsatz verunstaltet. Zwei
Jahre vorher hatte man das neben dem Hoch-
altar stehende Sakramentshäuschen zerschlagen,
das, wie man vermuten kann1), auch von dem
Meister des Domaltares herrührte.
Die zerbrochenen und abgeschlagenen Bruch-
stücke wurden als Schutt in den Rhein gefahren.
Von diesen Stücken gelang es dem jungen
Wallraf einige zu retten. Diese kamen später
in das Wallraf-Richartz-Museum; andere, die
dem Untergang entgingen, in die Sammlung
Schnütgen in Köln.
Man könnte darnach vielleicht glauben, daß
der Kopf vom Domaltar selbst stamme. Allein,
es ist das unmöglich. Denn der Altar war von
niedriger, sarkophagartiger Form ohne Überbau.
Er war von allen Seiten zugänglich. Denn an
der Vorderseite hatten die Canoniken, an der
Rückseite der Erzbischof, mit dem Gesichte dem
Volke zugewandt, zu zelebrieren. Eine Figur,
in der Größe wie sie nach den Proportionen des
Kopfes anzunehmen ist, war auf diesem Altar
unmöglich.
Wahrscheinlicher ist es, daß es sich um das
Bruchstück einer einzelnen Skulptur handelt,
die vielleicht als alleiniger Schmuck eines Altares,
einer Säule oder des Sakramentshäuschens ge-
dient hat und die in derselben Zeit wie der
Domaltar dem Vandalismus zum Opfer gefallen
ist. So erscheint es nach dem Schicksal der
Domskulpturen nicht merkwürdig, daß sich der
Kopf in dem Gemäuer eines alten Kölner Hauses
fand. Vielleicht könnte man sogar darin einen
Hinweis finden1, ihn mit der Domplastik zu-
sammenzustellen.
Der Kopf hat eine Höhe von 17 cm und mit
den das Gesicht eng umrahmenden Haarmassen
ungefähr die gleiche Breite (Abb. 1). Durch dieses
quadratische Größenverhältnis ist der Eindruck des
Gedrückten von Anfang an bestimmt; um so mehr
als auch das Gesicht ähnliche Porportionen auf-

9 Vgl. Pfeilschmidt, Geschichte des Doms zu Köln.
S. 45.. Halle 1842.
 
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