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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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G. E. Lüthgen. Ein Kopf des Meisters der Marmorfiguren vom Kölner Domaltar 573

winnt die Geste in den Handlungen des Einzelnen
an Bedeutung und Vertiefung. Der Körper wirkt
in seiner materiellen Substanz durch das Gewand
hindurch; er wird zum Träger des Gewandes,
zur Hauptsache.
Im einzelnen läßt sich dies an einer Fülle
von Beispielen nachweisen. Das Haar, das der
Meister der ersten Gruppe mehr in seine einzelne
Locken zerlegte, wird jetzt als Masse behandelt;
die langen, glied- und kraftlosen Finger werden
knochiger, und zugleich plumper, ja oft eckig;
die Hände erhalten Adern, das Gesicht auf der
Stirn und an den äußeren Augenwinkeln Falten
und Fältchen. Vor allem aber: es wird die
ganze Haltung freier. Der Kopf sitzt locker auf
einem beweglichen Halse, die Schultern dehnen
sich zur Seite und bieten starke Ansatzflächen
für muskulöse Arme. Die vom Hals zu den
Hüften in runder Linie abfallenden Schultern
sind endlich verschwunden.

Eine ganz neue Beobachtung des Lebens und
der Lebenstätigkeiten hat eingesetzt und be-
ansprucht naturgemäß einen bedeutenden Teil
der Schaffenskraft des fortgeschritteneren Künst-
lers. Diese neue Beobachtung des körperlichen
Lebens absorbiert gleichsam einen Teil seiner
künstlerischen Gestaltungskraft und bewirkt da-
durch zunächst ein gewisses Nachlassen der
Innerlichkeit des Ausdruckes, das aber durch
Lebendigkeit und Energie der Bewegung reichlich
ersetzt wird.
Wie sich in dieser zweiten Gruppe nochmals
eine Abgrenzung zweier Meister vornehmen läßt,
das zu zeigen, würde hier zu weit führen. Auch
sind hier die Unterschiede gering und für die
allgemeine Entwicklung der rheinischen Plastik
weniger bedeutsam als daß es sich lohnte, hier
des Näheren darauf einzugehen.
G. Eugen Lüthgen.
 
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