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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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576

Monatshefte für Kunstwissenschaft

dem Meister der Bergmannsdien Offizin ge-
mein1).
Man mag noch einen großen Teil des Jahres
1493 Dürers Aufenthalt in Basel zuerteilen; das
ganze Jahr 1493 hindurch war er jedenfalls nicht
dort, denn gerade in den zwei „1493" datierten
Zeichnungen 2) und in dem Selbstporträt 8) aus
demselben Jahre zeigt sich plötzlich etwas völlig
Neues, mit einer Tätigkeit in Basel meiner An-
sicht nach Unvereinbares. Die Formensprache
macht eine auffällige Wandlung durch: vom
fleischlosen zum vollen; die Körper runden sich,
besonders die früher ziemlich dürren, langen,
Spinnenfinger werden wohl proportioniert
und fleischig. Auch die Gesichtstypen unter-
scheiden sich ausnehmend von denen Basels und
Schongauers. Bei welchem Meister Dürer da-
mals weilte, wird natürlich mathematisch genau
nicht zu erweisen sein, zumal uns die historische
Überlieferung für dieses Jahr bis jetzt im Stiche
läßt; mir drängt sich jedoch die Vermutung
immer stärker auf, daß dies bei dem „alten
Straßburger Meister", den Burckhardt zu leugnen
sucht, gewesen sein könnte. Gehen wir jedoch
zuvor auf die Gründe ein, die Burckhardt be-
stimmen, den Straßburger Aufenthalt im Jahre
1494 für nicht geschehen zu betrachten. Der
Hauptgrund ist natürlich, daß „zwischen der
ungemein reichen Tätigkeit, die der junge Meister
in Basel entfaltete, und welche sicher in die
ersten Monate des Jahres 1494 reichte, und hin-
wiederum der Ankunft Dürers in Nürnberg ein
Aufenthalt in einer Straßburger Werkstatt kaum
mehr Platz finde4)." Nun teilt aber das von
Wilboldt Imhoff 5) angelegte Kunstinventar 6)
von 1573 folgendes mit:

M. Montagu Peartree, Jahrb. d. preuß. Kunsts. 25 (1904
p. 119 ff.)
9 Vql. auch Hans Koegler: zu Dürers Aufenthalt in
Basel (Rep. f. Kunstw. XXX [1907] p. 199 ff.).

2) Nackte Frau stehend (L. 345), Sammlung Leon Bonnat-
Paris; Jesusknabe mit Weitkugel (L. 450), Temperamalerei
auf Pergament. Albertina-Wien.

3) Selbstporträt 1493, Sammlung Leopold Goldschmidt-
Paris früher Eugen Felix-Leipzig, von Pergament auf
Leinwand übertragen.

4) Burckhardt, a. a. 0. p. 162.

") Hier folgt der Wichtigkeit halber ein kurzer Stamm-
baum dieser Familie.
Hans Imhoff I Wilibald Pirkheimer
Hans Imhoff II ~ Felicitas Pirkheimer
Wilboldt Imhoff (f 1580)
IWilibald, Philipp, Karl, Hans, Katherina, Anna |
Hans Hieronymus, Paul |

6) Im Namen Gottes des Herrn wirdt Inn diss puech

No. 31. Ein Alter Mann In ein tefelein ist
zu Straspurg sein meister gewest, auf pergamen.
4 fl.
No. 32. Ein weibspild auch In ein tefelein
olifarb, So darzu gehoertt. gemalt von Im zu
Straspurg 1494. 3 fl.
Diese für Burckhardt ziemlich ungünstige
Quelle wird von ihm nun folgendermaßen er-
klärt: Dürer wohnt in Basel bei Georg Schon-
gauer; kurz vor seiner Abreise fertigt er zum
Andenken die beiden unter Nr. 31 und Nr. 32
genannten Gemälde an und nimmt sie dann
nach Nürnberg mit. Unterdessen (zwischen 10. Juli
1494 und 2. Juni 1495) zieht Georg Schongauer
nach Straßburg; dies erfährt Dürer und setzt
später gelegentlich, was ja öfters bei ihm vor-
kommt, etwa folgende Inschrift auf die Bilder:
No. 31. Georg Schongauer, Goldschmied zu
Straßburg, ist mein Meister gewesen.
No. 32. Apollonia, seine Hausfrau. Gemalt
von mir Albrecht Dürer, a. D. 1494.
Wilboldt Imhoff liest nun bei seiner Inven-
tarisierung diese Beischrift und deutet sie, als
ob Dürer 1494 in Straßburg gewesen wäre. —
Dem ist folgendes entgegenzuhalten. Erstens
ist Georg Schongauer, man kann es wenden
und drehen, wie man will, eben 1494 noch kein
alter Mann 4), denn zwischen 1445—1468 geboren,
hat er damals ein Alter von mindestens 26
höchstens aber 49 Jahren erreicht. In keinem
Falle verdient er also die Bezeichnung „alter
Mann"; übrigens ist bis jetzt kein triftiger Grund
vorhanden, das Maximalalter anzunehmen; viel
naheliegender erscheint es mir sogar, daß Georg
Schongauer, da er 1482 zum ersten Male in
Basel auftaucht, dort als junger Meister von
etwa 25 Jahren eingewandert ist. Wir kämen
somit auf ein Alter von zirka 37 Jahren. Doch
gebe ich gerne zu, daß dieser Einwand allein
nicht genügen würde, Burckhardt zu wider-
legen. —
Dazu kommt zweitens noch ein viel wich-
tigeres Beweisglied: es wird mir nämlich mög-
lich sein, zu beweisen, daß eine solche Insdirift,
wie sie Burckhardt konstruiert hat, gar nicht
existiert haben kann; sondern alles, was von
dieser Inschrift übrig bleiben wird, wird, wie
wir nachher sehen werden, höchstens die Jahres-
zahl 1494 auf Nr. 32 sein, und das ist nicht
von mir Wilbaldten Im Hoff dem Eltern aufgezeichnet vnd
geschrieben, was Ich für Antiquitaett auch andere Kunst
vnd gemel hab, Audi wie Idi solche wirdig vnd Sdiecz
(1573-1574).
9 Unwahrscheinlich bei den damaligen Verhältnissen,
wenn auch nicht unmöglich, kommt es mir vor, daß ein
so betagter, alteingesessener Meister (nadi Burckhardt)
seine Stadt verläßt, um in eine ziemlich entfernte über-
zusiedeln, wo er nicht einmal das Bürgerrecht besitzt.
 
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