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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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sprochen vorgeführt wird, daß wohl schwerlich
jemand doktrinär genug sein dürfte, um den Ver-
fassern vorzuwerfen, daß Blätter die das British
Museum nicht besitzt, auch in dessen Katalog
nicht mit aufzunehmen gewesen wären. Im Gegen-
teil! Ganz zu letzt steht noch ein kurzes Ver-
zeichnis bislang unbeschriebener früher italienischer
Stiche die den Verf. aus anderen Sammlungen
bekannt sind. Es ist zu bedauern, finde ich, daß
diese Blätter nicht auch gleich mit in den Haupt-
katalog verarbeitet worden sind: der Grund hier-
für ist mir überhaupt nicht recht klar. Wenn es
etwa der wäre, daß das British Museum von diesen
Blättern nicht einmal Reproduktionen besitzt, so
würde ich ihn für recht ungenügend erklären, be-
sonders da es sich diese Reproduktionen doch
noch leicht hätte beschaffen können.
Dies ist eins der wenigen Dinge, die an dem
Werk auszusetzen sind. Ein anderes wäre das
Abbildungsmaterial. Es stammt aus der Zeit um
1885, als der vorliegende Katalog bereits einmal
geplant war. Damals war die Photolithographie
noch ziemlich weit zurück und in einem heutigen
Buch nehmen sich diese beiläufig 200 Tafeln recht
sonderbar aus. Es ist natürlich keine Kleinigkeit
ein solches Abbildungsmaterial einfach wegzu-
werfen, aber einem Institut wie dem British Museum,
meint man, müßte das doch möglich gewesen
sein. Im übrigen bieten die Tafeln verkleinerte
Wiedergaben fast sämtlicher Originale des Museums.
Sie genügen, um die Komposition zu veranschau-
und der Beschreibung nachzuhelfen. Eine Con-
cordanz der früheren Nummern, die sich noch auf
den Tafeln befinden, mit den neuen des Katalogs
erlaubt es die gewünschten Bilder bald aufzufinden.
Es ist schon ein stattliches Korpus des früh-
italienischen Kupferstichs, das uns hier in Wieder-
gaben vorgeführt wird. Ist doch das British
Museum Kabinett das zweitreichste an diesen
Blättern, an Seltenheiten vielleicht das allerreichste
auf der ganzen Welt.
Sidney Colvin, der Direktor des Kabinetts im
British Museum hat stets den frühen italienischen
Kupferstich als ein Spezialgebiet gepflegt und hat
die weitgehendsten Vorarbeiten für diesen Katalog
geschaffen. Seine beruflichen Abhaltungen wohl
haben es ihm unmöglich gemacht die Arbeit selbst
herauszubringen. In Herrn Hind fand er die
arbeitsfreudige, geübte Kraft, der das gesamte
Material noch einmal durchging, und besonders
die neuesten Forschungen verwertet hat. Alles
Bibliographische und das meiste Tatsächliche ist
von ihm. Schießlich ist ein Buch zu Stande ge-
kommen von dem die beiden Verfasser bekennen,

daß sie von manchem Satz selber nicht wissen,
wer ihn eigentlich formuliert hat, während sie einer
Sache ganz gewiß sind, nämlich daß kein einziger
Satz stehen geblieben ist, den sie nicht beide
gleichmäßig vertreten können.
Das Katalogisieren des früh italienischen Stichs
rechnen die Verfasser zu den schwierigsten Auf-
gaben der Kupferstichkunde. Angefangen mit
Vasari, haben sich alle älteren Fachschriftsteller
bis auf die Mitte des vorigen Jahrhunderts herab,
darin gefallen, Märchen als Tatsachen vorzu-
tischen und auf jede noch so unverstandene Tat-
sache hin kühne Hypothesen aufzubauen. An
eigentlichen ernsten Vorarbeiten fanden die Ver-
fasser so ziemlich nur jene P. Kristellers vor.
Mit ihm, bekennen sie aber, können sie so gut
wie nie gehen, und müssen in allen wichtigen
Fragen sich stets auf die entgegengesetzte Seite
stellen.
Koloff hatte bereits die frühflorentinischen Stiche
in zwei Gruppen eingeteilt, jene in der feinen,
engen Stichweise, und jene in der derben, breiten.
Diese Einteilung nimmt der vorliegende Katalog
an und setzt, gegenüber Kristeller der die Sache
auf den Kopf stellt, die feinen Stiche als das
primäre, als die Leistung der Goldschmiede, zwi-
schen die Jahre 1460 und 1480 praeter propter; die
derben (unter denen es bekanntlich manche Wieder-
holungen aus der ersten Gruppe gibt), als das
Sekundäre, als die Schöpfung von Malern, zwischen
die Jahre 1475 und 1490. Mit ihrer Beweisführung,
gegenüber Kristeller, daß die feine Manier sich
ganz mit der Technik der Nielli —- der ausge-
sprochensten Goldschmiedearbeit also, — deckt,
treffen die Verfasser m. E. ganz das Richtige,
wie sie auch [richtig hervorheben, daß die reiche
Ornamentik dieser „feinen" Stiche, die bei den
„derben" stark vereinfacht wird, auch dafür spricht,
daß es Goldschmiedsarbeiten sind. Endlich ver-
weisen sie noch auf den Stich der ein Gold-
schmiedsinterieur zu Florenz im XV. Jahrhundert
darstellt, auf dem unter anderen der Kupferstecher
als mit zur Werkstätte Gehöriger erscheint.
Künstlerisch, bringen die Verf. diese „feinen"
Stiche in der Hauptsache mit dem Künstler und den
Künstlern der berühmten Florentiner Bilder Chronik
(im Besitz des British Museums) in Verbindung. Nicht
nur weisen sie die vielen Berührungspunkte nach,
sie beweisen auch einwandsfrei die Hinfälligkeit
der Hypothese Kristellers, der die Chronik als
nach den Stichen kopiert hinstellen möchte. In-
dem sie nun das was wir bestimmt von Finiguerra
überliefert bekommen haben, nochmals zusammen-
stellen, kommen die Verf. zu dem nicht allzu

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