Bildung hat H. sehr richtig analysiert. Man tut
am besten, hier das Meisterprinzip auch auf die
Architektur direkt anzuwenden (wie ich es in
„Maulbronn" durchgehends versucht habe) und
die Unbestimmtheiten dadurch zu beendigen, daß
man einen Meister annimmt, welcher dem „Naum-
burger" nahe steht, vom Maulbronner lernt und
zunächst dreiviertel des Bischofsgang nach dessen
Vorbild, ungeschickt genug, vollendet, sodann den
Chor ausführt. Auf ihn, nicht auf den Maulbronner
— der aus Montier-en —. Der allerdings wohl die
Anregung gebracht hatte — oder gar auf einen
untergeordneten Steinmetzen (H. S. 104) geht auch
die Einmauerung der Portalfiguren im Chorhaupt
zurück.
Widerspruch möchte ich dagegen erheben, daß
die Doppelgalerie am Chordache in diese Periode
(bis 1231) fällt. Derartige nüchterne gotische
Formen (H. gebraucht selbst das Wort „gotisch"!)
finden sich schwer vor dem Ende des XIII. Jahr-
hunderts. Hier lassen sie sich, samt der auf-
fälligen Verdoppelung, sehr einfach in die Zeit
der Langschiffswölbung einreihen, da man das
vordem niedrige Chordach auf die Höhe der
übrigen bringen wollte und die Aufhöhung in der
ansprechenden Form des Laufganges über dem
bisherigen Gesims vollzog. Der Gleichheit des
ganzen Baus wegen setzte man dann noch die
Galerie des Langhauses über diesem Laufgang fort.
Auch das Vorbild für das Fassadenportal ist
keineswegs in Straßburg zu suchen. Es ist viel-
mehr eine sehr tüchtige, in allen wesentlichen
Stücken getreue, aber doch plumpere Wiederholung
des Portals am Südtranssept der Kathedrale von
Rouen. —
Wie zu erwarten war, fallen durch die Ornament-
vergleichung auch auf die Plastik im Magde-
burger Dom einige helle und sehr erwünschte
Streiflichter. Als anmutige Überraschung erscheint
hier auch das Wiederauftauchen des Meisters vom
Magdalenentympanon an der Freiberger Goldenen
Pforte. Indessen sind diese Zusammenhänge noch
nicht geklärt und bedürfen auch noch der ge-
naueren Untersuchung. Auch die Ableitung des
Stiles der Madonna auf dem Drachen (im Nord-
transsept) und ihrer zugehörigen Gruppe von den
antikisierenden Figuren in Reims scheint recht
glücklich; vergessen sind nur die krontragenden
Englein über der ganz sonderbar zusammenge-
stoppelten Madonna im Südtranssept, die mit dem
Christkind jener Maria zusammengehen und
sicherlich ebenso wie der König, auf dem die
zweite steht, zur ersten gehörten. Über die Zu-
sammenkoppelung der beiden Verkündigungs-
figuren in der III. Chorkapelle müssen sich trotz
der Einmütigkeit in der Literatur (welcher Hamann
und auch P. J. Meier beitreten) Zweifel erheben;
nicht bloß die Größe, auch der Stil der beiden
Figuren ist ein gänzlich verschiedener, die Madonna
hängt weit eher mit dem Naumburger Gewandstil
zusammen als der Engel Gabriel. Diesen als reifstes
Werk der Hand zu bezeichnen, welche die klugen
und törichten Jungfrauen schuf, stehe ich keinen
Augenblick an; wie ich auch die Datierung der
Jungfrauen wegen der zwei frühgotischen Blatt-
basen und des entwickelnden Gewandstiles kaum
vor 1270 setzen möchte. Der Zusammenhang
dieser Figuren mit einigen Bambergern, dem
Stephan, dem Gabriel und der hl. Anna (im süd-
lichen Seitenschiff des Bamberger Doms) ist der
des Schülers vom Meister, aber es ist ein Schüler,
der seinen Lehrer übertroffen hat.
Gegenüber der Verschiebung des Einflusses, dem
die Portalfiguren im Magdeburger Chorhaupt unter-
liegen, nach Reims hin ist an der Goldschmidt-
schen These von Chartres festzuhalten.
Paul Ferd. Schmidt.
CATALOGUE of Early italian En-
gravings preserved in the Depart-
ment of Prints and Drawings in the
British Museum. By Arthur M. Hind,
Assistant. Edited by Sidney Colvin, Keeper.
London: gr. 8°; 1910. (Zwei Bände, L II,
627 SS. und XVI SS. nebst 198 Tafeln.)
Die Kataloge des Kupferstich-Kabinetts im British
Museum haben sich von jeher dadurch ausge-
zeichnet, daß sie weit mehr bieten als ein be-
schreibendes Verzeichnis der Gegenstände die sie
aufzählen, und mit Dodgsons Verzeichnis der
deutschen Holzschnitte, z. B. haben sie ein Werk
aufzuweisen, dessen wissenschaftliche Bedeutung
ersten Ranges ist. Der hier zu besprechende Katalog
schließt sich jenem völlig ebenbürtig an. Durch
den Umstand daß das British Museum fast alles
was es nicht im Original besitzt, wenigstens in
Reproduktionen hat, die es mit aufstellt, und die
in diesem Werk genau wie die Originale behandelt
worden sind, ist eigentlich nichts weniger wie ein
vollständiges Kompendium (eine Reservation muß
ich noch später machen) des italienischen Kupfer-
stichs der Zeit von ca. 1450 bis ca. 1520 zu Stande
gekommen. Es ist eine so erwünschte Gabe die
wir hier erhalten, ein Buch in dem ziemlich der
ganze Bestand an in Frage kommendem Material
uns wissenschaftlich angeordnet und kritisch be-
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am besten, hier das Meisterprinzip auch auf die
Architektur direkt anzuwenden (wie ich es in
„Maulbronn" durchgehends versucht habe) und
die Unbestimmtheiten dadurch zu beendigen, daß
man einen Meister annimmt, welcher dem „Naum-
burger" nahe steht, vom Maulbronner lernt und
zunächst dreiviertel des Bischofsgang nach dessen
Vorbild, ungeschickt genug, vollendet, sodann den
Chor ausführt. Auf ihn, nicht auf den Maulbronner
— der aus Montier-en —. Der allerdings wohl die
Anregung gebracht hatte — oder gar auf einen
untergeordneten Steinmetzen (H. S. 104) geht auch
die Einmauerung der Portalfiguren im Chorhaupt
zurück.
Widerspruch möchte ich dagegen erheben, daß
die Doppelgalerie am Chordache in diese Periode
(bis 1231) fällt. Derartige nüchterne gotische
Formen (H. gebraucht selbst das Wort „gotisch"!)
finden sich schwer vor dem Ende des XIII. Jahr-
hunderts. Hier lassen sie sich, samt der auf-
fälligen Verdoppelung, sehr einfach in die Zeit
der Langschiffswölbung einreihen, da man das
vordem niedrige Chordach auf die Höhe der
übrigen bringen wollte und die Aufhöhung in der
ansprechenden Form des Laufganges über dem
bisherigen Gesims vollzog. Der Gleichheit des
ganzen Baus wegen setzte man dann noch die
Galerie des Langhauses über diesem Laufgang fort.
Auch das Vorbild für das Fassadenportal ist
keineswegs in Straßburg zu suchen. Es ist viel-
mehr eine sehr tüchtige, in allen wesentlichen
Stücken getreue, aber doch plumpere Wiederholung
des Portals am Südtranssept der Kathedrale von
Rouen. —
Wie zu erwarten war, fallen durch die Ornament-
vergleichung auch auf die Plastik im Magde-
burger Dom einige helle und sehr erwünschte
Streiflichter. Als anmutige Überraschung erscheint
hier auch das Wiederauftauchen des Meisters vom
Magdalenentympanon an der Freiberger Goldenen
Pforte. Indessen sind diese Zusammenhänge noch
nicht geklärt und bedürfen auch noch der ge-
naueren Untersuchung. Auch die Ableitung des
Stiles der Madonna auf dem Drachen (im Nord-
transsept) und ihrer zugehörigen Gruppe von den
antikisierenden Figuren in Reims scheint recht
glücklich; vergessen sind nur die krontragenden
Englein über der ganz sonderbar zusammenge-
stoppelten Madonna im Südtranssept, die mit dem
Christkind jener Maria zusammengehen und
sicherlich ebenso wie der König, auf dem die
zweite steht, zur ersten gehörten. Über die Zu-
sammenkoppelung der beiden Verkündigungs-
figuren in der III. Chorkapelle müssen sich trotz
der Einmütigkeit in der Literatur (welcher Hamann
und auch P. J. Meier beitreten) Zweifel erheben;
nicht bloß die Größe, auch der Stil der beiden
Figuren ist ein gänzlich verschiedener, die Madonna
hängt weit eher mit dem Naumburger Gewandstil
zusammen als der Engel Gabriel. Diesen als reifstes
Werk der Hand zu bezeichnen, welche die klugen
und törichten Jungfrauen schuf, stehe ich keinen
Augenblick an; wie ich auch die Datierung der
Jungfrauen wegen der zwei frühgotischen Blatt-
basen und des entwickelnden Gewandstiles kaum
vor 1270 setzen möchte. Der Zusammenhang
dieser Figuren mit einigen Bambergern, dem
Stephan, dem Gabriel und der hl. Anna (im süd-
lichen Seitenschiff des Bamberger Doms) ist der
des Schülers vom Meister, aber es ist ein Schüler,
der seinen Lehrer übertroffen hat.
Gegenüber der Verschiebung des Einflusses, dem
die Portalfiguren im Magdeburger Chorhaupt unter-
liegen, nach Reims hin ist an der Goldschmidt-
schen These von Chartres festzuhalten.
Paul Ferd. Schmidt.
CATALOGUE of Early italian En-
gravings preserved in the Depart-
ment of Prints and Drawings in the
British Museum. By Arthur M. Hind,
Assistant. Edited by Sidney Colvin, Keeper.
London: gr. 8°; 1910. (Zwei Bände, L II,
627 SS. und XVI SS. nebst 198 Tafeln.)
Die Kataloge des Kupferstich-Kabinetts im British
Museum haben sich von jeher dadurch ausge-
zeichnet, daß sie weit mehr bieten als ein be-
schreibendes Verzeichnis der Gegenstände die sie
aufzählen, und mit Dodgsons Verzeichnis der
deutschen Holzschnitte, z. B. haben sie ein Werk
aufzuweisen, dessen wissenschaftliche Bedeutung
ersten Ranges ist. Der hier zu besprechende Katalog
schließt sich jenem völlig ebenbürtig an. Durch
den Umstand daß das British Museum fast alles
was es nicht im Original besitzt, wenigstens in
Reproduktionen hat, die es mit aufstellt, und die
in diesem Werk genau wie die Originale behandelt
worden sind, ist eigentlich nichts weniger wie ein
vollständiges Kompendium (eine Reservation muß
ich noch später machen) des italienischen Kupfer-
stichs der Zeit von ca. 1450 bis ca. 1520 zu Stande
gekommen. Es ist eine so erwünschte Gabe die
wir hier erhalten, ein Buch in dem ziemlich der
ganze Bestand an in Frage kommendem Material
uns wissenschaftlich angeordnet und kritisch be-
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