J. ANTOINE HOUDON IM GROSSHERZOG-
LICHEN MUSEUM ZU SCHWERIN
Mit achtzehn Abbildungen auf acht Tafeln Von ERNST STEINMANN
Am 23. November 1782 langten der Erbprinz Friedrich Franz von Mecklenburg-
Schwerin und seine Gemahlin Louise nach einer vom Wetter und von den
Umständen auffallend begünstigten Reise von London kommend in Paris an. Europa
hatte damals Paris, Paris hatte Europa entdeckt1), und wer nicht wie Friedrich der
Große in der Lage war, am eigenen Hofe den Glanz französischer Kultur zu ver-
breiten und zu fesseln2), der machte sich eben selbst auf den Weg, um in Frank-
reich jene Erhöhung des Lebensgefühls zu finden, die man damals in Deutschland
vergebens gesucht haben würde. Gab es doch deutsche Fürsten wie den Herzog
Christian von der Pfalz-Zweibrücken, die ihr halbes Leben am Hofe Ludwigs XV.
verbracht haben.
Allerdings war der Aufenthalt der Mecklenburgischen Herrschaften in Paris zu kurz
bemessen, um in den Geist der Dinge einzudringen. Aber man tat in einem einzigen
kurzen Monat, was man konnte, um zu sehen und zu lernen. Paris selbst und
seine Denkmäler hoffte man wenigstens einigermaßen kennen zu lernen. Von
Welt und Menschen nahm man mit, was der Augenblick bot 3).
So machten Prinz und Prinzessin den Majestäten und Mesdames de France ihre
Aufwartung in Versailles, sie besuchten den Salon der Herzogin von Polignac, sie
speisten beim Marschall von Biron — dem größten Blumenzüchter in Paris — bei
dem spanischen Granden Aranda, beim Grafen Diodati, und sie besuchten die
Konzerte des Grafen d'Albaret, bei dem, wie Madame Vigee-Le Brun versichert,
die beste Musik gemacht wurde, die man damals in Paris hören konnte4).
Das eigentliche Objekt, mit dem sich die Reisenden beschäftigten, blieb aber doch
die Stadt selbst. Es ist erstaunlich, was sie in wenig Wochen leisteten! Einer
der ersten Besuche galt jenem berühmten Institut des enfants trouves, dem Jean Jacques
Rousseau so großmütig die Erziehung seiner fünf Kinder anvertraut hatte. Man be-
suchte alle Kirchen von Bedeutung, Notre Dame, Les Carmelites, St. Louis, St.
Sulpice, und man bewunderte in Val de grace das Meisterwerk Mignarts und in
der Sorbonne das Grabmal des Kardinals Richelieu von Girardon.
Was gab es damals aber auch nicht alles in den Palästen und Landhäusern der
Französischen Großen zu sehen! Im Palais du Luxembourg, das der König dem
(1) Marquis de Segur, Julie de Lespinasse p. 229.
(2) „Heureux sont les hommes, qui peuvent jouir de la compagnie des gens d'esprit, plus heureux
sont les Princes, qui peuvent les posseder“, schrieb Friedrich II. an den Grafen Algarotti. Vgl.
Dom. Michelessi, Memorie intorno alla vita ed agli scritti del Conte Francesco Algarotti. Venezia
1770, p. CXI.
(3) Herr Archivrat Dr. Witte hatte die Güte mich auf das im Großherzoglichen Archiv bewahrte Reise-
journal der Frau von Rantzau aufmerksam zu machen, das in französischer Sprache abgefaßt und bis
heute völlig unbekannt geblieben ist. Das Manuskript trägt den Titel: Journal, fait par une des dames
de la suite de S. A. S. Mme la Princesse Frederic de Mecklenbourg du voyage quelle fit, par la
Hollande, l'Angletere, la France et l'Allemagne en 1782 et 83. Diesem fesselnd geschriebenen Reise-
bericht ist die Schilderung des Aufenthaltes der mecklenburgischen Herrschaften in Paris entnommen.
(4) Souvenirs de Mme Louise-Elisabeth Vigee-Le Brun. Notes et portraits 1755 — 1789° ed. Pierre
de Nolhac. Paris s. a. p. 133.
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 5. 15 207
LICHEN MUSEUM ZU SCHWERIN
Mit achtzehn Abbildungen auf acht Tafeln Von ERNST STEINMANN
Am 23. November 1782 langten der Erbprinz Friedrich Franz von Mecklenburg-
Schwerin und seine Gemahlin Louise nach einer vom Wetter und von den
Umständen auffallend begünstigten Reise von London kommend in Paris an. Europa
hatte damals Paris, Paris hatte Europa entdeckt1), und wer nicht wie Friedrich der
Große in der Lage war, am eigenen Hofe den Glanz französischer Kultur zu ver-
breiten und zu fesseln2), der machte sich eben selbst auf den Weg, um in Frank-
reich jene Erhöhung des Lebensgefühls zu finden, die man damals in Deutschland
vergebens gesucht haben würde. Gab es doch deutsche Fürsten wie den Herzog
Christian von der Pfalz-Zweibrücken, die ihr halbes Leben am Hofe Ludwigs XV.
verbracht haben.
Allerdings war der Aufenthalt der Mecklenburgischen Herrschaften in Paris zu kurz
bemessen, um in den Geist der Dinge einzudringen. Aber man tat in einem einzigen
kurzen Monat, was man konnte, um zu sehen und zu lernen. Paris selbst und
seine Denkmäler hoffte man wenigstens einigermaßen kennen zu lernen. Von
Welt und Menschen nahm man mit, was der Augenblick bot 3).
So machten Prinz und Prinzessin den Majestäten und Mesdames de France ihre
Aufwartung in Versailles, sie besuchten den Salon der Herzogin von Polignac, sie
speisten beim Marschall von Biron — dem größten Blumenzüchter in Paris — bei
dem spanischen Granden Aranda, beim Grafen Diodati, und sie besuchten die
Konzerte des Grafen d'Albaret, bei dem, wie Madame Vigee-Le Brun versichert,
die beste Musik gemacht wurde, die man damals in Paris hören konnte4).
Das eigentliche Objekt, mit dem sich die Reisenden beschäftigten, blieb aber doch
die Stadt selbst. Es ist erstaunlich, was sie in wenig Wochen leisteten! Einer
der ersten Besuche galt jenem berühmten Institut des enfants trouves, dem Jean Jacques
Rousseau so großmütig die Erziehung seiner fünf Kinder anvertraut hatte. Man be-
suchte alle Kirchen von Bedeutung, Notre Dame, Les Carmelites, St. Louis, St.
Sulpice, und man bewunderte in Val de grace das Meisterwerk Mignarts und in
der Sorbonne das Grabmal des Kardinals Richelieu von Girardon.
Was gab es damals aber auch nicht alles in den Palästen und Landhäusern der
Französischen Großen zu sehen! Im Palais du Luxembourg, das der König dem
(1) Marquis de Segur, Julie de Lespinasse p. 229.
(2) „Heureux sont les hommes, qui peuvent jouir de la compagnie des gens d'esprit, plus heureux
sont les Princes, qui peuvent les posseder“, schrieb Friedrich II. an den Grafen Algarotti. Vgl.
Dom. Michelessi, Memorie intorno alla vita ed agli scritti del Conte Francesco Algarotti. Venezia
1770, p. CXI.
(3) Herr Archivrat Dr. Witte hatte die Güte mich auf das im Großherzoglichen Archiv bewahrte Reise-
journal der Frau von Rantzau aufmerksam zu machen, das in französischer Sprache abgefaßt und bis
heute völlig unbekannt geblieben ist. Das Manuskript trägt den Titel: Journal, fait par une des dames
de la suite de S. A. S. Mme la Princesse Frederic de Mecklenbourg du voyage quelle fit, par la
Hollande, l'Angletere, la France et l'Allemagne en 1782 et 83. Diesem fesselnd geschriebenen Reise-
bericht ist die Schilderung des Aufenthaltes der mecklenburgischen Herrschaften in Paris entnommen.
(4) Souvenirs de Mme Louise-Elisabeth Vigee-Le Brun. Notes et portraits 1755 — 1789° ed. Pierre
de Nolhac. Paris s. a. p. 133.
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 5. 15 207