Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0239
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Museo Correr in Venedig vom Werke Bissolos abspaltet und für Arbeiten eines
verwandten Anonymus erklärt. Die beiden Bilder sind stilistisch von der vollbe-
bezeichneten Verkündigung der Sammlung Benson doch wohl nicht zu trennen, sie
repräsentieren zusammen mit dieser eine besondere Stilphase, die augenscheinlich
am Anfang der Laufbahn Bissolos liegt, als er ganz in den Bahnen des Pseudo-
basaiti wandelte.
An Werke dieser rätselhaften Persönlichkeit hat nun wohl auch Frimmel gedacht,
als er in Budapest Bellinis Namen aussprach, dessen Signatur mehrere Bilder des
Pseudobasaiti tragen, der in so enger Gemeinschaft mit dem greisen Meister ge-
arbeitet zu haben scheint, daß eine saubere Scheidung zwischen beiden oft nicht
durchführbar ist. So ist die Hand des Schülers in Partien des großen Bachanals
in Alnwick Castle nachzuweisen1) und andererseits hat der Meister zum mindesten
den Entwurf für die Mehrzahl der heute dem Gehilfen zugewiesenen Bilder geliefert.
Nicht ganz abzuleugnen ist eine gewisse Verwandtschaft zwischen den Pester
Köpfen und Werken des Pseudobasaiti, die aber doch nicht über eine bei Künstlern
der gleichen Stadt und Zeit und möglicherweise der gleichen Erziehung sich natur-
gemäß ergebende Familienähnlichkeit hinausgeht, hinter der die Verschiedenheit der
Persönlichkeiten deutlich sichtbar bleibt. Der Künstler der Bilder in Pest ist eine
derbere Natur als der subtile, bellineske Anonymus, der mit höchst zarten Licht-
und Schattenreizen und etwas preziösen Farbenzusammenstellungen arbeitet.
Ich habe, als ich das Jünglingsbild in der Budapester Galerie sah, wo es die
Etikette „Norditalienische Schule" trug — das weibliche Gegenstück war damals
noch nicht ausgestellt — schon bevor mir Herr Beer von seiner Identifizierung
gesprochen hatte, an Palma gedacht. Das bemerke ich hier nur um damit zu sagen,
daß ich mich bei der Zuschreibung der Bilder durch die alte Benennung im Inventar
der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm, in der ich andererseits eine wert-
volle Bestätigung erblicke, nicht beeinflußt fühle. Und zwar war es die für Palma
charakteristische emailleartige Behandlung der Farbe, die mich zu dieser Attribution
führte. Weiter scheinen mir die großen, namentlich in den Fleischpartien etwas
leeren, in weicher Rundung gegeneinander abgegrenzten Flächen ganz dem etwas
phlegmatischen Geiste Palmas zu entsprechen.
Wenn sich die beiden Bilder nicht sofort der üblichen Vorstellung von Palma,
die sich eben auf die reiferen Werke des Künstlers gründet, einfügen, so sollte
man daraus kein Argument gegen die Richtigkeit der alten Benennung herleiten,
denn es handelt sich augenscheinlich — darauf weist die beinahe kindliche Be-
fangenheit des Ausdrucks — um Jugendwerke, die sich höchstnatürlicherweise von
den späteren Arbeiten etwas unterscheiden. Zeigen doch andererseits die Pester
Köpfe genügend Beziehungen zu den Werken des späteren Palma, um das Unge-
wohnte an ihnen damit zu erklären, daß der Künstler sich von den Vorbildern seines
Lehrers Bellini noch nicht ganz frei gemacht, seinen Stil noch nicht völlig gefunden
hatte.
Leider fehlt es an passendem Vergleichsmaterial, denn die Zahl der in der Jugend-
zeit Palmas entstandenen Bilder ist sehr gering und diese wenigen eignen sich
wegen ihrer Kleinfigurigkeit nicht recht zur Konfrontation. So die Geburt Christi
und der büßende Hieronymus der Sammlung Borromeo in Mailand (Sala I. Nr. 6
und Nr. 14), früher dem Callisto da Lodi zugeschrieben, von Frizzoni -) aber als

(1) Gronau, Die Künstlerfamilie Bellini, S. 126.
{2) Gustavo Frizzoni in Rassegna d'Arte VI. p. 117t

225
 
Annotationen