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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Jugendwerke Palmas erkannt. Am ehesten möchte man den kleinen Tobias mit
dem Engel der Stuttgarter Galerie heranziehen, der ganz die Naivität der Pester
Köpfe besitzt}
Die beiden Bilder in Budapest bestärken mich nun in der seit längerer Zeit ge-
hegten Meinung, daß das Brustbildnis eines jungen Mannes im Museo Civico in
Verona (Abb. 3), dort früher unglaublicherweise Fra Bartolomeo benannt, dann,
wie ich hörte, auf Biermanns Veranlassung zu den Venezianern und zwar in die
Nähe Giorgiones versetzt, ebenfalls den Frühwerken Palmas zuzuschreiben ist.
Berenson ~) hat allerdings vor nicht langer Zeit diesen Kopf, wohl seines elegischen
Ausdrucks halber, Moretto zugeschrieben, aber das Bild ist viel zu stark stadt-
venezianischen Charakters, um an einen Brescianer zu denken und dann ist doch
auch das Sentiment zu wenig eigenartig, um mit ihm attributionistisch operieren zu
können. Palma gehört gewiß nicht zu den Künstlern, die uns in ihren Portraits
viel von dem inneren Menschen zeigen; tiefes psychologisches Erfassen des Indi-
viduums war nicht seine Stärke; aber sicherlich liegt der ja im Grunde sehr billige
und durch Neigung des Hauptes und Emporrichtung der Augen ja leicht erzielte
Gefühlseffekt nicht außerhalb seiner Natur und seines Könnens. Sein schönstes
Portrait, der fälschlich Ariost genannte und zu Unrecht Tizian zugeschriebene
„Dichter" in der National Gallery besitzt sogar Stimmungsreize sehr viel feinerer Art.
Der Veroneser Kopf zeigt neben den charakteristisch palmesken großen, ein wenig
monotonen Flächen und den weich gerundeten Konturen eine bei Bildern Palmas
oft zu beobachtende Eigentümlichkeit, nämlich eine sonderbare Sprungbildung, die
nicht wie die meisten Kraqueluren in der Veränderung des Malgrundes ihren Grund
hat, sondern in der Eigenart der Farbschicht, scheinbar der Bindung der Pigmente
durch stark harzige Mittel, die merkwürdig kleine, kurze, bald krähenfüßig, bald
sternförmig sich zusammenordnende Risse erzeugte. Von den zahlreichen Bildern
Palmas, die stellenweise eine derartige Kraquelure besitzen, seien hier nur genannt:
„Adam und Eva" in der Braunschweiger Galerie, die „Barbara" in S. Maria For-
mosa in Venedig und das bekannte Bildnis eines über die Schulter den Beschauer
anblickenden Jünglings in der Münchener Pinakothek, das L. Justi in seiner Gior-
gionebiographie ganz unglücklich dem Meister von Castelfranco vindiziert hat.
(1 ) Nach Niederschrift dieser Zeilen wurde mir ein Aufsatz von A. Foratti, L'Arte, 1911, fase., I. be-
kannt, der sich mit den Polyptychen Palmas in Serinalta beschäftigt, von denen das eine mit dem
Tempelgang als Mittelstück, dem Evangelisten Johannes sowie Franziskus auf den Seiten nach
Forattis Meinung vor dem Stuttgarter Tobias und vor der Madonna mit Franziskus Hieronymus und
einer Stifterin in der Galleria Borghese in Rom bereits 1500 entstanden wäre. Das besagte Altarwerk
in Serinalta ist eine ganz reife Arbeit Palmas, die schwerlich vor 1515 entstanden ist.
2) B. Berenson, The northitalian painters p. 266.

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