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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Landschaft, auf die der Ausblick sich öffnet, sehen
wir eine Stadt dargestellt mit hohen Türmen und
einem Festungsgürtel, von einem Strome durch-
zogen; die charakteristische Pyramide des Dom-
turmes, der die Stadt überragt, das breite Band
des Flusses, der sie durchzieht, ferner die alte
Kirche links im Vordergrunde, die in ihrer Lage
wie in ihrer Gestalt die älteste Form der Seck-
bacher Kirche wiedergibt und schließlich das Holz-
hausensche Besitztum, die Oede, die zwischen dem
Arm des Mannes und dem Fensterpfeiler sichtbar
wird, lassen uns keinen Zweifel daran, daß die
Stadt Frankfurt hier dem Maler zum Vorbild ge-
dient hat, etwa in der Ansicht, die sie von Norden,
vom Lohrberg aus bietet. Dieses Frankfurt aber, wie
der Maler es hier dargestellt hat, ist kein anderes
als das umlagerte Frankfurt des Faberschen Be-
lagerungsplanes; wir sehen die Zelte eines Kriegs-
heeres vor den Toren, die Kanonen auf den
Wällen blitzen, feindliche Heerhaufen rücken an,
alles genau wie auf jenem Plane. Auf dem Bilde
erscheint sogar die Oede in genau derselben Grup-
pierung der beiden Baugruppen, wie auf dem Plan,
obwohl auf dem Belagerungsplan die allgemeine
Orientierung von Süden her, auf dem Gemälde von
Norden her genommen ist. Wenn man das be-
lagerte Frankfurt des Planes mit dem des Gemäldes
vergleicht, kann man nicht darüber im Zweifel sein,
daß der Zeichner des Planes auch der Maler des
Bildes, daß also der Meister C. v. C. wirklich Conrad
Faber ist. Das Merkwürdige ist nun, daß Bild und
Plan nicht, wie man zunächst anzunehmen geneigt
ist, aus der gleichen Zeit stammen. In der Fenster-
scheibe rechts auf dem Bilde findet sich Justinians
Wappen mit der Umschrift: Justinianus von Holtz-
hausen 1536. Frankfurt ist in dieser Zeit gar keiner
Belagerung ausgesetzt gewesen. Nun war aber
Justinian im Jahre 1535 der Anführer des Kontin-
gents, das die Stadt Frankfurt zur Belagerung des
Wiedertäufersitzes Münster ins Feld stellte. Der
Maler, vor die Aufgabe gestellt, die Kriegstat Ju-
stinians zu verherrlichen, und unbekannt mit dem
Aussehen der Stadt Münster, konterfeite einfach
Frankfurt ab und umgab es mit einem Belagerungs-
heer. Daraus erklären sich auch manche Abwei-
chungen vom Tatsächlichen als beabsichtigt, so
wenn er beispielsweise aus der von zwei kuppel-
bedeckten Türmen begleiteten Leonhardskirche eine
zweitürmige Anlage im Stile französischer Kathe-

dralen macht. Möglich, daß dieser aus der Phan-
tasie geschöpfte Belagerungsplan dann in der Zeit
der wirklichen Belagerung in Faber den Gedanken
eines großen Planes hat entstehen lassen.
Wir wissen übrigens urkundlich, daß Faber nicht
nur einmal, sondern zweimal die Belagerung Frank-
furts zeichnerisch festgehalten hat. Nach seinem
1553 erfolgten Tode wandte sich seine Witwe an
den Rat, um für die Arbeit ihres Mannes Belohnung
zu fordern und zwar beanspruchte sie für seine
erstere kleinere Zeichnung sechs Taler, für die zweite
größere 90 Taler (Lersner, Chronica der Stadt
Franckfurth, II, S. 500). Diese Forderung kann uns
einen ohngefähren Anhalt für das Größenverhält-
nis der kleineren Zeichnung Fabers zu dem ganzen
zehn Folioblatt umfassenden Belagerungsplan an
die Hand geben; wir dürfen uns darnach den
ersten Entwurf etwa in der Art des belagerten
Frankfurt auf dem Bildnisse Justinians denken.
Gleichwohl gibt uns dieses Bild nicht die erste Dar-
stellung, die Conrad Faber von Frankfurt entworfen
hat. Auf zwei anderen Bildern der Holzhausenschen
Familie, auf den Bildnissen des Gilbrecht von Holz-
hausen (1514 — 1550) und seiner Gemahlin Anna
Ratzenbergerin (geb. 1511), finden wir, von pittores-
ken Bergen umgeben, eine Stadt, die gleichfalls keine
andere ist als Frankfurt, und zwar auf dem Bilde
des Gibbrecht die Frankfurter, auf dem der Anna
die Sachsenhäuser Seite; die Mainbrücke geht auf
beiden Seiten über den Bildrand. Diese Porträts
sind, wie die Inschrift auf ihrer Rückseite besagt,
1535 gemalt. Auf ihnen haben wir die überhaupt
erste bildliche, und in allen Einzelheiten getreue
und deutlich zu erkennende Darstellung, die um
15 Jahre älter ist als die in der Kosmographie
Münsters, um 17 Jahre älter als die nächste Dar-
stellung Conrad Fabers selbst.
Übrigens läßt sich auch die Frage, warum
Meister Conrad in den Urkunden stets als Conrad
Faber erscheint und warum er selbst als Conrad
von Creuznach signiert, leicht beantworten. Die
Signaturen stammen aus der Zeit, als Conrad noch
nicht Frankfurter Bürger, als er eben noch der
Conrad von Creuznach war, die Urkunden aber
reden von dem Frankfurter Bürger, den sie nicht
nach seiner Herkunft zu bezeichnen brauchten,
sondern dem sie einfach seinen Familiennamen
Faber geben konnten. Carl Gebhardt.

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