Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0444
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BERICHTIGUNG EINER „BERICH-
TIGUNG"1).
Herr Dr. Münsterberg unternimmt es im Juliheft
der Monatshefte, meine im Mai erschienene Kritik
seiner Chinesischen Kunstgeschichte zu „berich-
tigen". Er macht mir in dieser „Berichtigung"
(sie werden nachgerade zu einer Spezialität dieses
Herrn) den Vorwurf, ich hätte mit keinem Wort
irgendwo etwas Wesentliches berührt, sondern nur
Geringfügigkeiten beanstandet.
Als gröbsten Lapsus des Herrn Münsterberg habe
ich es bezeichnet, daß er fünfmal fünf hervor-
ragende Maler in verschiedenen Jahrhunderten,
einen sogar in drei Gestalten, auftreten läßt. Diesen
Vorfall will Herr Münsterberg bereits in der Frank-
furter Zeitung vom 9. April richtiggestellt haben.
Mit keinem Worte geht Herr Münsterberg dort
auf den ihm gemachten Vorwurf ein. Er nennt
das eine Richtigstellung. In seiner neuerlichen
„Berichtigung" kann er indes nicht umhin, wenig-
stens an einem Beispiel zu zeigen, wie bösartig
ich ihn mißinterpretiert habe. Er habe ausdrück-
lich bei Chao Chung-mu (den, wie ich behauptete
und noch behaupte, M. einmal als Sung-Repräsen-
tanten und ein andermal als Meister der Yuan-
zeit aufführt) auf S. 247 bemerkt: Ende Sung-
oder Yuanzeit. „Perzynski", so fügt Münsterberg
hinzu, „hat wohl dieses „und Yuanzeit" über-
sehen".
Man urteile selbst: Münsterberg bildet auf S. 247
ein klassisches Reiherbild von Chao Chung-mu
(den er Chan Chung-mu nennt) ab, sagt von ihm
dort: Sohn von Chan Mangtun, geb. 1254. Ende
Sung- oder Yuanzeit. Diese „schöne Komposition
an Linien und Farbenflecken" (ich zitiere wörtlich,
S. 248) wird als charakteristisches Bild der Sung-
zeit behandelt. Dreißig Seiten später, am Ende
des Abschnittes Yuanzeit, reproduziert Münsterberg
ein anderes Tierbild von einem Künstler, den er
„Chao Chungmuh, 14. Jahrhundert" bezeichnet.
Mit keinem Worte weist Münsterberg darauf hin,
daß dies derselbe Chan Chung-mu (er heißt rich-
tig Chao Chung-mu) ist, den er bereits als Reprä-
sentanten der Sungzeit mit dem Geburtsdatum 1254
behandelt hat. Dieses Geburtsdatum hat Münster-
berg zudem noch falsch von seiner Quelle abge-
schrieben. Abbildung 203 ist nämlich dem japa-
nischen Reproduktionswerke Sel. Relics, Vol. II
entlehnt. Tajima schreibt dort:
(1) Die Redaktion gibt dem Rezensenten der Münsterberg-
schen „Kunstgeschichte" noch einmal das Wort, erklärt
damit aber die Diskussion über dieses Thema ein für alle-
mal geschlossen.

Münsterberg schreibt:
Chan Chungmu, Sohn
von Chan Mangtun, geb.
1254, Ende Sung- oder
Yuan-Zeit.

Zur Zeit des Sturzes der
Sung - Dynastie, 1254,
wurde ein großer Künst-
ler, Chang Mang-teau1),
ein Sprößling der kaiser-
lichen Familie, geboren.
Eine andere Probe, wie Herr Münsterberg „be-
richtigt". Er bezweifelt den Gebrauchswert des
Po ku t'u lu, des im XII. Jahrhundert herausge-
gebenen kaiserlichen Bronzenkatalogs, da alle „un-
klaren Reliefs... in scharfen Linien aufgeführt
seien. Töpfereien der Hanzeit und Spiegel der
T'angzeit, die aus Gräbern ausgegraben sind, zeigen
eine rohe und minderwertige Ausführung.... Alle
erhaltenen Bronzen bis zur T'angzeit sehen recht
anders aus und das Relief erscheint meist ganz
verschwommen". Als ich ihm vorhalte, es sei
umgekehrt, gerade frühe Bronzen hätten scharfe
Reliefs, wie ja auch die seit der T'angzeit im
kaiserlichen Schatzhaus zu Nara aufbewahrten
Metallspiegel bewiesen, will er nur von ausge-
grabenen Spiegeln gesprochen haben. Ja, soll
der Dreck, der an ausgegrabenen Stücken zu haften
pflegt (der sich durch Bürsten oder Salmiakgeist-
bäder meist entfernen läßt) irgendein Beweis da-
für sein, daß frühe Bronzen verschwommene Re-
liefs haben, wo wir doch gute und authentische
Stücke besitzen, die beweisen, daß die Reliefs
klar sind? Ich bin einer solchen Spiegelfechterei
nicht gewachsen.
Münsterberg beklagt sich, daß ich seine Rassen-
theorien nicht richtig begriffen habe. Er hat recht.
Was er auf S. 11 und 12 (oben) zusammenschreibt,
hat sicherlich nur der Autor selbst verstanden. Der
Geist des Gottes Putra schwebt darüber, den
Münsterberg so glücklich war, zu entdecken. Auf
S. 1 69 der Chinesischen Kunstgeschichte
des Herrn Dr. O. Münsterberg ist nämlich
zu lesen:
(1) Gemeint ist Chao Meng-fu, den der etwas spätere kaum
weniger berühmte Sammler und Maler Ni Tsan (Yun lin)
mit Huang Kung-wang, Kao K'o-kung und Wang Meng zu
den vier größten Landschaftsmalern der Yuan-Dynastie
rechnet. (Giles, Chinese Pictorial Art, p. 142). Der von
Tajima in der japanischen Ausgabe richtig geschriebene
Name Chao Meng-fu ist von dem englischen Übersetzer
verballhornt worden. Münsterberg hat diesen Namen durch
eine falsche Abschrift noch weiter entstellt und läßt außer-
dem im Text (p. 248) den Sohn (statt des Vaters) um 1254
geboren werden. Alles dieses sind natürlich in den Augen
des Herrn Münsterberg Kleinigkeiten. Er will ja nicht
„eine Geschichte der Künstler und ihrer Werke", sondern
„in zusammenhängender Weise eine Entwicklung der chi-
nesischen Kunstsprache" geben. Man kann sich von diesem
„Zusammenhängen" der chinesischen Kunstentwicklung
einen Begriff machen, wenn man hört, daß Münsterberg den
Maler Chao Chung-mu als Repräsentanten der Sungzeit (960
bis 1280) und den Vater dieses Künstlers, Chao Meng-fu, als
Meister der nächsten Dynastie (1280—1368) behandelt, volle
zwanzig Seiten nach dem Sohne!

430
 
Annotationen