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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Das buddhistische Pantheon wurde ver-
größert, indem Götter fremder Religionen,
die Hindugötter Brahma und Putra und
ursprüngliche Lokalgottheiten aufgenom-
men wurden....
Der Name der indischen Götter Brahma und Indra

hat offenbar in Münsterbergs Gedächtnis eine Quin-
tanerreminiszenz aufsteigen lassen, und aus dem
mächtigen Strome Brahmaputra (— Sohn des
Brahma) ist das Götterpaar Brahma und Putra ge-
worden!
Yunlin, einer der großen Yuan-Meister, führt bei
Münsterberg die Aufschrift eines Gedichts auf
Bildern ein. Ich machte Münsterberg darauf auf-
merksam, daß er auf S. 244 gleich zwei Sungbilder
(also der vorhergehenden Dynastie) abbildet mit
solchen erst von Yunlin „eingeführten" Gedicht-
aufschriften. Münsterberg „berichtigt": er habe
S. 210 gesagt: „diese Art scheint schon in der
Sungzeit vereinzelt vorgekommen zu sein". Warum
führt er dann seine Leser irre durch die auf S. 244
bei Betrachtung der beiden mit Aufschriften ver-
sehenen Sungbilder fallende Bemerkung: „diese
Sitte scheint damals (d. i. in der Sungzeit! Ver-
fasser.) aufgekommen zu sein". Sie ist also, um
Münsterbergisch korrekt zu reden, in der Sungzeit
aufgekommen und von Yunlin, einem Maler der
nächsten Dynastie, eingeführt.
Und woher stammt diese erhabene Weisheit?
Aus jener Quelle, die Münsterberg „eine höchst
zweifelhafte" nennt, aus Tajima, Sel. Relics, Vol. 8.
Tajima:
Yun-lin 2), der während
der Yuan-Dynastie lebte
und der einer der vier her-
vorragendsten Künstler
der Zeit war, war ein be-
deutender Landschafts-
maler und ein geschickter
Kalligraph; er war es, der
die Sitte einführte, ein
Gedicht, eine Anspielung
(reference) oder doch sei-
nen eigenen Namen an ei-
ner auffallenden Stelle der

Münsterberg (ohne Gän-
sefüßchen) p. 210:
Erst Yunlin, einer der
großen Maler der Yuan-
dynastie, führte die Auf-
schrift eines Gedichts,
einer Bezeichnung (!)
oder eines Namens ein,
die, an einem geeigne-
ten Platze angebracht,
selbst ein Teil des Bildes
wurden.

Leinwand anzubringen.
Die Einwendung Münsterbergs, er hätte 30 Ab-
bildungen von nicht in Japan aufbewahrten Male-
reien im Abschnitt Malerei reproduziert, ist un-
wesentlich. Ein sorgfältiges Durchzählen der
Bilder (ich hatte die erbärmlich kleinen, undeut-
lichen und darum irreführenden Bildchen aus der

(1) Bekannter unter dem Namen Ni Tsan (geb. 1301, gest. der ihr (wie der Quelle Giles) fortwährend die Gänsefüß-
1374). Biographie bei Giles, p. 143. chen schuldig bleibt!

Zeitschrift Bijitsu Gwaho vorher etwas summarisch
behandelt) ergibt folgendes Bild:
Münsterberg druckt im Abschnitt Malerei ab:
179 Gemälde aus japanischem Besitz, nachgedruckt
japanischen Reproduktionswerken, 21 Gemälde aus
europ.-amerikanischem Besitz. Von diesen 21 Ab-
bildungen rühren wenigstens sechs Bilder aus ja-
panischem Besitz her, so daß also nur 15 Abbil-
dungen Malereien darstellen, die möglicherweise
direkt aus China stammen. Münsterberg kommt
zu der Ziffer dreißig, indem er eine in mehreren
Ansichten reproduzierte Malerei nicht als ein ein-
ziges Werk, sondern als verschiedene zählt. Mün-
sterberg behauptet in seiner Chinesischen Kunst-
geschichte, nur Kopien, Repetitionen oder Arbeiten
eingewanderter Künstler seien in Japan enthalten,
man könne also nach dem in Japan vorhandenen
Material nicht urteilen. „Trotzdem", so werfe ich
ihm vor, „baut er seine Geschichte der Chinesi-
schen Malerei auf diesen „Kopien und Repetitionen"
auf". Ist dieser Vorwurf ungerecht angesichts der
Tatsache, daß von 200 Bildern nur 15 möglicher-
weise direkt aus China stammen und daß alle üb-
rigen in japanischem Besitz sind oder waren? Ist
die Kunstgeschichte also etwa nicht auf dem von
Münsterberg unablässig angezweifelten japanischen
Material aufgebaut?
Von den 179 aus japanischen Reproduktions-
werken entlehnten Abbildungen des Abschnittes
sind allein 75 dem Werke Tajimas, Selected Re-
lics, entnommen. Da dieser verdienstvolle Autor
in seiner Eigenschaft als Leiter der Shimbi Shoin-
Verlagsgesellschaft in Tokyo gegen die unerlaubte
und unerhörte Ausnutzung seiner Publikationen
protestiert hat, so rächt sich Münsterberg für das
verständliche weitere Benutzungsverbot durch einen
Angriff in der Zeitschrift „März", 1911, Heft 23,
den die deutsche Wissenschaft Ursache hat, als eine
bedauerliche Entstellung von sich abzuschütteln.
Münsterberg sagt dort: „Was aber am meisten
zur Vorsicht mahnt, ist die in Japan übliche Ver-
quickung von Geschäft und Wissenschaft. Daß
zum Beispiel der Direktor einer Druckerei und
Verlagsanstalt gleichzeitig der Verfasser und Heraus-
geber fast aller Werke des Verlages ist, dürfte —
soweit mir bekannt — in Europa noch nicht vor-
gekommen sein. Sollte es wirklich möglich sein,
Geschäftsinteresse mit voller Objektivität bei Aus-
wahl und Kritik der abgebildeten Gegenstände zu
vereinen? Gerade diese höchst zweifelhafte Quelle
fließt heute am stärksten"1). Will Herr Münsterberg
(1) Nirgendwo wohl so stark wie bei Herrn Miinsterberg,

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