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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Semrau, Max: Zu Nikolaus Goldmanns Leben und Schriften, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0475
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ZU NIKOLAUS GOLDMANNS LEBEN UND
SCHRIFTEN Von MAX SEMRAU

II.

Goldmann hat zu Lebzeiten folgende fünf Werke veröffentlicht:
i. Elementorum architecturae militaris über (sic!) IV... Lugduni Batavor. Ex
Officina Elzeviriana 1643 (mit Tafeln und Figuren). 8°.
II. La nouvelle fortification . . . Leyde chez les Elzevir 1645. 2°-
III. Vitruvii Voluta Jonica hactenus amissa restituta a Nicolao Goldmanno — in
der Vitruv-Ausgabe des Antwerpeners Joh. de Laet (Amstelodami ap. Lud. Elze-
virium Anno 1649) S. 265—272.
IV. Tractatus de usu proportionarii sive circini proportionalis cum tabulis con-
structionum . . . Lugduni Batavorum. Ex Officina Philippi de Croy. Impensis
Autoris 1656. 2°.
V. Tractatus de Stylometris sive instrumentis quibus Quinque Ordines Archi-
tecturae Methodo qua facilior inveniri nequit expeditius et accuratius longe quam
ullo Proportionario in modica et majuscula forma designantur . . . Gebrauch dehr
Baustäbe... Lugduni Batavorum. Apud Autorem 1662. 20.
Diese seinen nachgelassenen Hauptwerken, der „Civilbaukunst“ und der
„Architectura sacra“, vorausgehenden Schriften sind vorwiegend technischen
und mathematischen Inhalts, stehen aber doch schon in einem erkennbaren
Zusammenhänge mit dem später von ihm behandelten Ideenkreise. Die Mather
matik — und zwar vor der Ausgestaltung der Infinitesimalrechnung die an-
gewandte Mathematik oder Mechanik (nach Goldmanns Bezeichnung) — war die
Lieblingswissenschaft des 17. Jahrhunderts. Die großen Denker des Zeitalters
gingen aus den mathematischen Studien hervor und die Methode dieser Wissen-,
schäft sich zu eigen zu machen, erschien nicht bloß Philosophen, sondern auch
Juristen, Theologen und Medizinern, Lernenden und Lehrenden, als ein so
erwünschtes Ziel, daß selbst an den Universitäten die Vertreter dieser Dis-
ziplinen oft zugleich Mathematiker waren. Der verführerische Gedanke einer
beweisbaren und unzweifelhaften Gewißheit führte zu solchen mit dem Pro-
gnostiken der Unfruchtbarkeit behafteten Gewissensehen1).
Die Verbindung der Architektur mit der Mathematik beruhte auf einem
ähnlichen Streben und wurde durch die Kriegsbaukunst vermittelt, gleich-
falls ein Lieblingskind des Zeitalters. Was konnte in diesen kriegerischen Zeit-
läuften den Menschen auch wichtiger erscheinen, als der sichere Schutz ihrer
Wohnstätten gegen Überfälle und Belagerungen! Die große Umwälzung aber,
die im Zusammenhang mit den Erfahrungen des Befreiungskampfes gegen die
spanische Herrschaft die neue, auf Erdwälle und Wassergräben aufgebaute Be-
festigungskunst der Niederländer herbeiführte, brachte die mathematische
Berechnung der Richtungs- und Neigungswinkel bei der Anlage aller Arten von
Befestigungen zu vorwiegender Geltung und setzte unzählige Federn in Bewegung.
Die friedlichsten Skribenten — Professoren, Pastoren, Schulmeister u. a. — sehen
wir in diesen Zeiten mit Feuereifer die subtilsten Probleme des Festungsbaus
erörtern und Methoden ersinnen, deren „Unfehlbarkeit“ wieder auf mathema-

(1) Bezeichnenderweise hat noch L. Chr. Sturm geglaubt, eine von ihm verfochtene
Deutung der Abendmahlsformel „mathematisch“ beweisen zu können (Mathematischer
Beweis vom hl. Abendmahl, Hamburg 1714).

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