ist, hat Friedländer es offenbar für zweckmäßig
gehalten, einigen Künstlern, die vergleichungs-
weise mit anderen behandelt werden, keine be-
sonderen Kapitel zu gewähren. Wenn dies auch
von dem Gesichtspunkte der künstlerischen
Ökonomie des Buches aus zweifellos berechtigt
ist, — das wissenschaftliche Bedürfnis des
Lesers ersehnt Vollständigkeit. Nicht ohne Be-
dauern denkt man an die Abhandlungen über den
Meister der Virgo inter Virgines, über die Ant-
werpener Manieristen und anderes, die man nun
nach wie vor in den schweren Bänden des Jahr-
buches der Preußischen Kunsthandlungen suchen
muß. Sollte es nicht möglich sein, die hoffent-
lich bald notwendig werdende Neuauflage des
Buches durch Aufnahme von Abhandlungen über
den Meister von Flemalle, über Aelbert Bouts,
Bles, Orley, die Frühholländer zu der idealen Ge-
schichte der altniederländischen Malerei zu er-
gänzen? Baum.
STRZYGOWSKI, JOSEPH, Die bil-
dende Kunst des Ostens (= Biblio-
thek des Ostens, Bd. III). Dr. Werner
Klinkhardt, Leipzig 1916.
Wie jedes neue Buch dieses so vielumstrittenen
Kunstgelehrten, ist auch das nun erschienene ein
mächtiger Schritt auf dem Pfade der um Wahr-
heit ringenden klaren Erkenntnis. Der Weg, der
einst auf der Suche nach den Quellen der Kunst
des europäischen Mittelalters über Byzanz nach
Kleinasien, Ägypten nach Syrien, über Mesopota-
mien nach Südasien und bis China führte, mußte
folgerichtig dort landen, woher eben jene Völker
ihre künstlerischen Keime mit sich brachten, die
die Träger unserer mittelalterlichen Kunst wurden.
Wie das Wort Ausdruck der Gehirntätigkeit ist,
so ist die Kunst Ausdruck des Herzens: die Sprach-
lehre hat es längst anerkannt, daß — trotz einem
noch so reichlichen Zuflusse fremden Kulturmate-
rials die Sprache in ihren Wurzeln doch stets
auf Urzusammenhänge der Sprachfamilien zurück-
geleitet werden muß, um wissenschaftlich einwand-
freie Erkenntnisse zu erreichen; nicht so die Kunst-
lehre, die, durch die Sucht nach — recht wandel-
baren — Schönheitsidealen irregeleitet, die pragma-
tische Gesetzmäßigkeit im Werden und Baue der
Kunst übersah. Daß hiedurch, auch von rein
künstlerischem Standpunkte, unermeßliche Werte
abseits fielen, dürfte Jedem, der mit der Kunst
Inner- und Hochasiens auch nur ein wenig ver-
traut ist, fürs Erste klar sein; und diesem Übel-
stande entgegenzuarbeiten dürfte auch ein Zweck
des besprochenen Buches sein.
Weitausladend sucht Strzygowski auf dem drei-
fachen Gebiete des Ornaments (und der damit im
nördlichen Asien eng verwobenen Skulptur), der
Baukunst und der Malerei, eine reiche Fülle von
neuen Tatsachen — neu für die landläufige Kunst-
historik — einzuführen. Im ersten der genannten Ge-
biete ist es die Sturmecke: Hindukus-Pamir-Tien-
san-Altai und das ihr gegenübergelagerte Steppen-
gebiet der Nomaden mit den Angelpunkten: Ural
und Jenissei, deren künstlerischen Nachlaß Strzy-
gowski als diakritische Merkmale zwischen Altaier-
tum und Arier walten läßt, wobei die Geburt der
„geometrischen" Arabeske zugleich auch auf das
hochasiatisch beeinflußte Wesen des semitischen
Ostens hinweist. Es tut der Sache keinen Ab-
bruch, wenn ich in diesem Belange gleich er-
wähnen möchte, daß der Begriff „sakisch" durch
Strzygowski zu einseitig als arisch angesprochen
wird. Es ist ja sicher, daß im aniranischen (vulgo:
turanischen) Gebiete ebenfalls eranische Stämme
herumschwärmten. Das ausschlaggebende Gros
dieser Steppenvölker, nach denen sie zeitweilig
benannt wurden, waren aber die türkischen Saka-
Stämme (tungusisch heute noch: jaka, wovon im
Osttürkischen der Plural jakut), deren türkischer
Plural sakuth (mit westasiatischer Endung: sa-
kith) lautete, in welcher Namenform sie sich
dann in der europäischen Literatur einbürgerten.
(Die in Sprache und Lautverhältnissen ganz alter-
tümliche Türkengruppe der Jakuten an der Lena
nennt sich heute noch sakalar, w. s. saka mit
dem türkisch-tatarischen Plural -lar).1) Wenn
nun auch in diesem weitläufigen Inaridimento-
Gebiete Asiens noch alle Grenzen fließen, so be-
gibt sich Strzygowski trotzdem durch Fallenlassen
dieses ethnischen Elementes eines der mächtigsten
Bindeglieder, die die Einheit des eurasischen Kon-
tinentes von der Bronzezeit an, bis zum Ende der
Völkerwanderungen (also zu den Mongolenein-
brüchen) als einen der mächtigsten Faktoren im
Entstehen unserer mittelalterlichen Kunst erweist.
Das nächste Gebiet, das Strzygowski uns vor
Augen führt, dasjenige der Baukunst, dürfte wohl
eine der glänzendsten Leistungen dieses Forschers
bedeuten. Die Art, wie er das quadratische Kuppel-
wohnhaus armseliger eranischer Dörfer — sonder
Zweifel ein Urtypus dieser Gegend — über die
armenische Kirchenarchitektur des frühen Mittel-
alters nach dem Süden Europas hinüberleitet, ist
ein würdiges Gegenstück jener Leistung, die den
altgriechischen Tempel aus dem prähistorischen
(1) Das Türkentum der Skythen dürfte heute nach den
Forschungen von Hommel, Neumann, Schurz, Wirth, Treid-
1er und G. Naqy so gut wie feststehen.
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg., 1917, Heft 1
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gehalten, einigen Künstlern, die vergleichungs-
weise mit anderen behandelt werden, keine be-
sonderen Kapitel zu gewähren. Wenn dies auch
von dem Gesichtspunkte der künstlerischen
Ökonomie des Buches aus zweifellos berechtigt
ist, — das wissenschaftliche Bedürfnis des
Lesers ersehnt Vollständigkeit. Nicht ohne Be-
dauern denkt man an die Abhandlungen über den
Meister der Virgo inter Virgines, über die Ant-
werpener Manieristen und anderes, die man nun
nach wie vor in den schweren Bänden des Jahr-
buches der Preußischen Kunsthandlungen suchen
muß. Sollte es nicht möglich sein, die hoffent-
lich bald notwendig werdende Neuauflage des
Buches durch Aufnahme von Abhandlungen über
den Meister von Flemalle, über Aelbert Bouts,
Bles, Orley, die Frühholländer zu der idealen Ge-
schichte der altniederländischen Malerei zu er-
gänzen? Baum.
STRZYGOWSKI, JOSEPH, Die bil-
dende Kunst des Ostens (= Biblio-
thek des Ostens, Bd. III). Dr. Werner
Klinkhardt, Leipzig 1916.
Wie jedes neue Buch dieses so vielumstrittenen
Kunstgelehrten, ist auch das nun erschienene ein
mächtiger Schritt auf dem Pfade der um Wahr-
heit ringenden klaren Erkenntnis. Der Weg, der
einst auf der Suche nach den Quellen der Kunst
des europäischen Mittelalters über Byzanz nach
Kleinasien, Ägypten nach Syrien, über Mesopota-
mien nach Südasien und bis China führte, mußte
folgerichtig dort landen, woher eben jene Völker
ihre künstlerischen Keime mit sich brachten, die
die Träger unserer mittelalterlichen Kunst wurden.
Wie das Wort Ausdruck der Gehirntätigkeit ist,
so ist die Kunst Ausdruck des Herzens: die Sprach-
lehre hat es längst anerkannt, daß — trotz einem
noch so reichlichen Zuflusse fremden Kulturmate-
rials die Sprache in ihren Wurzeln doch stets
auf Urzusammenhänge der Sprachfamilien zurück-
geleitet werden muß, um wissenschaftlich einwand-
freie Erkenntnisse zu erreichen; nicht so die Kunst-
lehre, die, durch die Sucht nach — recht wandel-
baren — Schönheitsidealen irregeleitet, die pragma-
tische Gesetzmäßigkeit im Werden und Baue der
Kunst übersah. Daß hiedurch, auch von rein
künstlerischem Standpunkte, unermeßliche Werte
abseits fielen, dürfte Jedem, der mit der Kunst
Inner- und Hochasiens auch nur ein wenig ver-
traut ist, fürs Erste klar sein; und diesem Übel-
stande entgegenzuarbeiten dürfte auch ein Zweck
des besprochenen Buches sein.
Weitausladend sucht Strzygowski auf dem drei-
fachen Gebiete des Ornaments (und der damit im
nördlichen Asien eng verwobenen Skulptur), der
Baukunst und der Malerei, eine reiche Fülle von
neuen Tatsachen — neu für die landläufige Kunst-
historik — einzuführen. Im ersten der genannten Ge-
biete ist es die Sturmecke: Hindukus-Pamir-Tien-
san-Altai und das ihr gegenübergelagerte Steppen-
gebiet der Nomaden mit den Angelpunkten: Ural
und Jenissei, deren künstlerischen Nachlaß Strzy-
gowski als diakritische Merkmale zwischen Altaier-
tum und Arier walten läßt, wobei die Geburt der
„geometrischen" Arabeske zugleich auch auf das
hochasiatisch beeinflußte Wesen des semitischen
Ostens hinweist. Es tut der Sache keinen Ab-
bruch, wenn ich in diesem Belange gleich er-
wähnen möchte, daß der Begriff „sakisch" durch
Strzygowski zu einseitig als arisch angesprochen
wird. Es ist ja sicher, daß im aniranischen (vulgo:
turanischen) Gebiete ebenfalls eranische Stämme
herumschwärmten. Das ausschlaggebende Gros
dieser Steppenvölker, nach denen sie zeitweilig
benannt wurden, waren aber die türkischen Saka-
Stämme (tungusisch heute noch: jaka, wovon im
Osttürkischen der Plural jakut), deren türkischer
Plural sakuth (mit westasiatischer Endung: sa-
kith) lautete, in welcher Namenform sie sich
dann in der europäischen Literatur einbürgerten.
(Die in Sprache und Lautverhältnissen ganz alter-
tümliche Türkengruppe der Jakuten an der Lena
nennt sich heute noch sakalar, w. s. saka mit
dem türkisch-tatarischen Plural -lar).1) Wenn
nun auch in diesem weitläufigen Inaridimento-
Gebiete Asiens noch alle Grenzen fließen, so be-
gibt sich Strzygowski trotzdem durch Fallenlassen
dieses ethnischen Elementes eines der mächtigsten
Bindeglieder, die die Einheit des eurasischen Kon-
tinentes von der Bronzezeit an, bis zum Ende der
Völkerwanderungen (also zu den Mongolenein-
brüchen) als einen der mächtigsten Faktoren im
Entstehen unserer mittelalterlichen Kunst erweist.
Das nächste Gebiet, das Strzygowski uns vor
Augen führt, dasjenige der Baukunst, dürfte wohl
eine der glänzendsten Leistungen dieses Forschers
bedeuten. Die Art, wie er das quadratische Kuppel-
wohnhaus armseliger eranischer Dörfer — sonder
Zweifel ein Urtypus dieser Gegend — über die
armenische Kirchenarchitektur des frühen Mittel-
alters nach dem Süden Europas hinüberleitet, ist
ein würdiges Gegenstück jener Leistung, die den
altgriechischen Tempel aus dem prähistorischen
(1) Das Türkentum der Skythen dürfte heute nach den
Forschungen von Hommel, Neumann, Schurz, Wirth, Treid-
1er und G. Naqy so gut wie feststehen.
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg., 1917, Heft 1
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