die Runde um Angers. Er drang nach Poitou durch und gab der alten Poitou-
Schule einen ganz neuen Charakter. Mit dem ii. Jahrhundert kennzeichneten sich
die romanischen Kirchen von Poitou durch drei Gewölbe-Kirchenschiffe, die sich
fast zu gleicher Höhe erhoben. Die Gewölbe der Seitenschiffe sicherten das Gleich-
gewicht des Mittelgewölbes. Die im Jahre 1166 begonnene Kathedrale von Poitiers
blieb den alten romanischen Überlieferungen getreu: die Seitenschiffe erhoben sich
fast ebenso hoch wie das Mittelschiff. Diesen drei Schiffen waren keine romani-
schen Gewölbe aufgesetzt, sondern solche von Anjou. Jene wundervollen Bogen
gestatteten, leicht und kühn wie sie waren, den Bau größerer, höherer und hellerer
Schiffe. Riesige Fenster lassen überall Licht eindringen. Das romanische System
erschien umgewandelt.
Die Kathedrale von Poitiers hat weder das Crescendo, noch die Lichter und
Schatten, oder die unvorhergesehenen Perspektiven der Kathedralen des Nordens,
aber sie ist erfüllt von Heiterkeit und Frieden. Ihre drei schönen Umgänge,
die im Allerheiligsten münden, erscheinen wie das Abbild eines geraden Lebens-
weges ohne Schatten, vom Glauben gewiesen.
Nichts ist eigentümlicher, als plötzlich in Westfalen die Gewölbe von Anjou und
die drei gleichen Kirchenschiffe von Poitou auftauchen zu sehen. Das Wunder er-
scheint unverständlich. Verschiedene Umstände jedoch weisen den Weg zur Auf-
klärung. In Holland, in den friesischen Provinzen und in Groningen begegnet man
einigen Kirchen mit einem einzigen Schiff, überdacht von den Spitzbogengewölben
des domikalen Typs, offensichtlichen Nachbildungen der Kathedrale von Angers;
allerdings etwas bäuerischen Nachbildungen, so wie man sie eben von einem Archi-
tekten zu erwarten hat, der in Backstein baut. Diese an den Küsten gelegenen
Kirchen lassen an übers Meer gekommene Einflüsse denken. Durch einige merk-
würdige Tatsachen wird die Vermutung unterstützt. So bemerkt man beispiels-
weise in Brügge, in Utrecht, in Lübeck, in Stralsund und in Rostock Kirchen, die
geradezu schlagende Ähnlichkeit mit den Kathedralen von Bayonne und Quimper
zeigen. Der Umgang und die lichten Kapellen haben statt zwei getrennten, ein
einziges Gewölbe; eine äußerst seltene Eigenheit. Man fühlt sich dadurch zu der
Annahme veranlaßt, daß die Handelsbeziehungen unserer westlichen Häfen mit
den Küsten der Nordsee und Ostsee lediglich diese Ähnlichkeit aufklären könnten.
Werkmeister sind augenscheinlich von Frankreich auf Schiffen abgereist, die in
flämischen und deutschen Häfen anlegten. Überall, wo sie sich aufgehalten haben,
haben sie Modelle geschaffen.
Auf diese Weise kann uns die plötzliche Erscheinung der Gewölbe von Anjou in
Westfalen nicht mehr Wunder nehmen. Zum ersten Male findet man sie vielleicht
in der Kathedrale von Münster. Der Plan der Kathedrale zu Münster ist ganz
altertümlich: es ist der alte karolingische Plan mit den beiden sich gegenüber-
liegenden Apsiden und mit dem doppelten Querschiff. Alles schien eine allen
andern deutschen Kirchen gleiche Kirche zu verheißen, als ein Architekt auf-
tauchte, welcher gerade die Bauten des Anjou studiert hatte. Unmittelbar darauf
nahm das Schiff eine ungewöhnliche Größe an: jede seiner Emporen erhielt ein
großes domikales Gewölbe, getragen von den Spitzbogen mit Rippen. Ein der-
artiges, von allem, was man zu Anfang des 13. Jahrhunderts in Deutschland
sehen konnte, so verschiedenes Kirchenschiff konnte nur durch die Kathedrale von
Angers inspiriert sein. Die Schönheit der Kathedrale in Münster ist nur ein Ab-
glanz jenes wunderbaren Urbildes. Einige Jahre später taucht die Nachahmung des
domikalen Gewölbes von Anjou bei der Kathedrale von Osnabrück wieder auf.
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Schule einen ganz neuen Charakter. Mit dem ii. Jahrhundert kennzeichneten sich
die romanischen Kirchen von Poitou durch drei Gewölbe-Kirchenschiffe, die sich
fast zu gleicher Höhe erhoben. Die Gewölbe der Seitenschiffe sicherten das Gleich-
gewicht des Mittelgewölbes. Die im Jahre 1166 begonnene Kathedrale von Poitiers
blieb den alten romanischen Überlieferungen getreu: die Seitenschiffe erhoben sich
fast ebenso hoch wie das Mittelschiff. Diesen drei Schiffen waren keine romani-
schen Gewölbe aufgesetzt, sondern solche von Anjou. Jene wundervollen Bogen
gestatteten, leicht und kühn wie sie waren, den Bau größerer, höherer und hellerer
Schiffe. Riesige Fenster lassen überall Licht eindringen. Das romanische System
erschien umgewandelt.
Die Kathedrale von Poitiers hat weder das Crescendo, noch die Lichter und
Schatten, oder die unvorhergesehenen Perspektiven der Kathedralen des Nordens,
aber sie ist erfüllt von Heiterkeit und Frieden. Ihre drei schönen Umgänge,
die im Allerheiligsten münden, erscheinen wie das Abbild eines geraden Lebens-
weges ohne Schatten, vom Glauben gewiesen.
Nichts ist eigentümlicher, als plötzlich in Westfalen die Gewölbe von Anjou und
die drei gleichen Kirchenschiffe von Poitou auftauchen zu sehen. Das Wunder er-
scheint unverständlich. Verschiedene Umstände jedoch weisen den Weg zur Auf-
klärung. In Holland, in den friesischen Provinzen und in Groningen begegnet man
einigen Kirchen mit einem einzigen Schiff, überdacht von den Spitzbogengewölben
des domikalen Typs, offensichtlichen Nachbildungen der Kathedrale von Angers;
allerdings etwas bäuerischen Nachbildungen, so wie man sie eben von einem Archi-
tekten zu erwarten hat, der in Backstein baut. Diese an den Küsten gelegenen
Kirchen lassen an übers Meer gekommene Einflüsse denken. Durch einige merk-
würdige Tatsachen wird die Vermutung unterstützt. So bemerkt man beispiels-
weise in Brügge, in Utrecht, in Lübeck, in Stralsund und in Rostock Kirchen, die
geradezu schlagende Ähnlichkeit mit den Kathedralen von Bayonne und Quimper
zeigen. Der Umgang und die lichten Kapellen haben statt zwei getrennten, ein
einziges Gewölbe; eine äußerst seltene Eigenheit. Man fühlt sich dadurch zu der
Annahme veranlaßt, daß die Handelsbeziehungen unserer westlichen Häfen mit
den Küsten der Nordsee und Ostsee lediglich diese Ähnlichkeit aufklären könnten.
Werkmeister sind augenscheinlich von Frankreich auf Schiffen abgereist, die in
flämischen und deutschen Häfen anlegten. Überall, wo sie sich aufgehalten haben,
haben sie Modelle geschaffen.
Auf diese Weise kann uns die plötzliche Erscheinung der Gewölbe von Anjou in
Westfalen nicht mehr Wunder nehmen. Zum ersten Male findet man sie vielleicht
in der Kathedrale von Münster. Der Plan der Kathedrale zu Münster ist ganz
altertümlich: es ist der alte karolingische Plan mit den beiden sich gegenüber-
liegenden Apsiden und mit dem doppelten Querschiff. Alles schien eine allen
andern deutschen Kirchen gleiche Kirche zu verheißen, als ein Architekt auf-
tauchte, welcher gerade die Bauten des Anjou studiert hatte. Unmittelbar darauf
nahm das Schiff eine ungewöhnliche Größe an: jede seiner Emporen erhielt ein
großes domikales Gewölbe, getragen von den Spitzbogen mit Rippen. Ein der-
artiges, von allem, was man zu Anfang des 13. Jahrhunderts in Deutschland
sehen konnte, so verschiedenes Kirchenschiff konnte nur durch die Kathedrale von
Angers inspiriert sein. Die Schönheit der Kathedrale in Münster ist nur ein Ab-
glanz jenes wunderbaren Urbildes. Einige Jahre später taucht die Nachahmung des
domikalen Gewölbes von Anjou bei der Kathedrale von Osnabrück wieder auf.
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