Ochsen in kolossaler Silhouette und starren ins Weite. Auf diese Weise hat der
Architekt die unermüdlichen Ochsen ehren wollen, welche soviel Jahre hindurch
die Steine zur Kathedrale aus der Ebene auf den Berg gezogen hatten. Er hat sie
dadurch gewissermaßen geheiligt.
Diese schönen Türme haben die Deutschen in Bamberg nachzuahmen versucht.
Die Kathedrale von Bamberg, die im 13. Jahrhundert wieder aufgebaut ist, bewahrt
noch heute den alten karolingischen Plan. Sie hat zwei sich gegenüberstehende
Apsiden und jede dieser Apsiden ist von zwei Türmen flankiert. Wenn man näher-
tritt, so erwecken die Öffnungen mit Rundbogen, die lombardischen Streifen, die
Galerie der Apsis, den Eindruck eines rein romanischen Baues. Bald entdeckt
man jedoch, daß die Türme im Westen in ihren oberen Teilen die Kathedrale
von Laon wiedergeben; der gleiche Übergang vom Quadrat zum Achteck, die
gleichen übereinander gestellten Baldachine, die gleichen Ochsenstatuen. Die
Ähnlichkeit wäre vollkommen, wenn nicht die schweren Dreiecke aus Stein, eine
rein germanische Überlieferung, diese Türme krönten, um der Spitze als Ansatz zu
dienen. Also hier haben wir, was die nomadisierenden Deutschen, welche aus
Frankreich zurückkamen, nach Hause mitbrachten: den Entwurf zu einem Turm.
Auch am Dom von Naumburg finden wir die Nachahmung der Türme von Laon.
Die beiden westlichen, im romanischen Zeitalter auf quadratischer Grundlage be-
gonnenen Türme, erhielten im 13. Jahrhundert einen achteckigen Aufsatz mit
Baldachinen, deren Muster nicht schwierig nachzuweisen ist.
Bei dem Halberstädter Dom geht die Nachahmung schon etwas weiter. Dem
Architekten hatten die drei vorspringenden Portale der Kathedrale von Laon be-
sonderen Eindruck gemacht, und er versuchte, sie nachzubilden.
Der Magdeburger Dom dagegen bringt nicht mehr Einzelheiten, sondern die
Nachahmung des Laoner Planes. Die Nachahmung würde vollkommen sein, wenn
der erste Architekt sein Werk hätte fortsetzen können, aber er konnte nur die
unteren Partien des Chors und der Querschiffe fertig machen. Was er im Stil
der Ile-de-France begonnen hatte, wurde im burgundischen Stil fortgesetzt. Aber
der Plan des Chors, seine Dimensionen, die Anbringung der Türme an den Seiten
des Querschnittes, alles verrät uns den Wunsch, mit der Kathedrale von Laon
zu wetteifern1).
In Limburg an der Lahn endlich finden wir eine Kirche, wo das gotische System
richtig aufgefaßt und die Nachahmung von Laon teilweise durchgeführt ist. Ein
oberflächlicher Betrachter könnte beim Anblick der sieben mit lombardischen Streifen
geschmückten Türme von St. George in Limburg glauben, eine rheinische Kirche —
so gut wie alle andern — vor sich zu haben. Aber es genügt, den Platz dieser
Türme (zwei an der Hauptfassade, zwei an der Fassade jedes Querschnittes und
einer über der Vierung) zu bemerken, um sofort die Hauptanordnungen von
Laon festzustellen. In Deutschland gibt es nichts Ähnliches. Außerdem findet
sich eine der Rosen von Laon, die schöne Rose des Transeptes, die aus einer
Krone von zusammengefaßten kleinen Rosen besteht, genau gleich über dem Portal
von St. Georg. Im Innern ist nach Abzug des schweren Untergeschosses, wo
massive Pfeiler die entzückenden runden Säulen von Laon ersetzen, der Aufbau
derselbe: dieselbe Empore, dasselbe Triforium, dieselben gepaarten Fenster, das-
(1) Der Magdeburger Architekt hat den ersten Chor von Laon (durch Ausgrabungen hat man seinen
Plan feststellen können) nachgebildet; er hatte einen Umgang ohne strahlenförmige Kapellen. Die
Magdeburger strahlenförmigen Kapellen sind post festum dazu gefügt worden.
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Architekt die unermüdlichen Ochsen ehren wollen, welche soviel Jahre hindurch
die Steine zur Kathedrale aus der Ebene auf den Berg gezogen hatten. Er hat sie
dadurch gewissermaßen geheiligt.
Diese schönen Türme haben die Deutschen in Bamberg nachzuahmen versucht.
Die Kathedrale von Bamberg, die im 13. Jahrhundert wieder aufgebaut ist, bewahrt
noch heute den alten karolingischen Plan. Sie hat zwei sich gegenüberstehende
Apsiden und jede dieser Apsiden ist von zwei Türmen flankiert. Wenn man näher-
tritt, so erwecken die Öffnungen mit Rundbogen, die lombardischen Streifen, die
Galerie der Apsis, den Eindruck eines rein romanischen Baues. Bald entdeckt
man jedoch, daß die Türme im Westen in ihren oberen Teilen die Kathedrale
von Laon wiedergeben; der gleiche Übergang vom Quadrat zum Achteck, die
gleichen übereinander gestellten Baldachine, die gleichen Ochsenstatuen. Die
Ähnlichkeit wäre vollkommen, wenn nicht die schweren Dreiecke aus Stein, eine
rein germanische Überlieferung, diese Türme krönten, um der Spitze als Ansatz zu
dienen. Also hier haben wir, was die nomadisierenden Deutschen, welche aus
Frankreich zurückkamen, nach Hause mitbrachten: den Entwurf zu einem Turm.
Auch am Dom von Naumburg finden wir die Nachahmung der Türme von Laon.
Die beiden westlichen, im romanischen Zeitalter auf quadratischer Grundlage be-
gonnenen Türme, erhielten im 13. Jahrhundert einen achteckigen Aufsatz mit
Baldachinen, deren Muster nicht schwierig nachzuweisen ist.
Bei dem Halberstädter Dom geht die Nachahmung schon etwas weiter. Dem
Architekten hatten die drei vorspringenden Portale der Kathedrale von Laon be-
sonderen Eindruck gemacht, und er versuchte, sie nachzubilden.
Der Magdeburger Dom dagegen bringt nicht mehr Einzelheiten, sondern die
Nachahmung des Laoner Planes. Die Nachahmung würde vollkommen sein, wenn
der erste Architekt sein Werk hätte fortsetzen können, aber er konnte nur die
unteren Partien des Chors und der Querschiffe fertig machen. Was er im Stil
der Ile-de-France begonnen hatte, wurde im burgundischen Stil fortgesetzt. Aber
der Plan des Chors, seine Dimensionen, die Anbringung der Türme an den Seiten
des Querschnittes, alles verrät uns den Wunsch, mit der Kathedrale von Laon
zu wetteifern1).
In Limburg an der Lahn endlich finden wir eine Kirche, wo das gotische System
richtig aufgefaßt und die Nachahmung von Laon teilweise durchgeführt ist. Ein
oberflächlicher Betrachter könnte beim Anblick der sieben mit lombardischen Streifen
geschmückten Türme von St. George in Limburg glauben, eine rheinische Kirche —
so gut wie alle andern — vor sich zu haben. Aber es genügt, den Platz dieser
Türme (zwei an der Hauptfassade, zwei an der Fassade jedes Querschnittes und
einer über der Vierung) zu bemerken, um sofort die Hauptanordnungen von
Laon festzustellen. In Deutschland gibt es nichts Ähnliches. Außerdem findet
sich eine der Rosen von Laon, die schöne Rose des Transeptes, die aus einer
Krone von zusammengefaßten kleinen Rosen besteht, genau gleich über dem Portal
von St. Georg. Im Innern ist nach Abzug des schweren Untergeschosses, wo
massive Pfeiler die entzückenden runden Säulen von Laon ersetzen, der Aufbau
derselbe: dieselbe Empore, dasselbe Triforium, dieselben gepaarten Fenster, das-
(1) Der Magdeburger Architekt hat den ersten Chor von Laon (durch Ausgrabungen hat man seinen
Plan feststellen können) nachgebildet; er hatte einen Umgang ohne strahlenförmige Kapellen. Die
Magdeburger strahlenförmigen Kapellen sind post festum dazu gefügt worden.
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