selbe sechsteilige Gewölbe, dieselbe Auffassung des Strebepfeilers. Die Nach-
ahmung ist zeitweilig so buchstäblich, daß man diesmal das Recht hat zu fragen,
ob nicht ein französischer Architekt an dem Werke mitgearbeit hat. Die deutschen
Archäologen schreien umsonst: „Wer kann es wagen, hier von Kopie zu reden!"
Einige hartnäckige Überlebtheiten sind nicht imstande, der fast ganz französischen
Kirche von Limburg einen deutschen Charakter zu geben, sie zur Würde eines
nationalen Monumentes zu erheben.
Die Deutschen, die der Ruf von Laon anzog, gingen oft bis nach Soissons. Dort
fanden sie andere Modelle: die entzückende Kathedrale und die Kirche von Saint-
Leger. Hier und da in Deutschland erkennt man an dem einen oder andern dieser
Monumente gemachte Anleihen wieder. Die Rotunde von Sankt Gereon in Köln
hat Strebebogen mit Krabben und geteilte Fenster, ähnlich den Fenstern und
Strebebogen der Kathedrale von Soissons. Die Kirche der heiligen Elisabeth
in Marburg, deren drei gleich hohe Schiffe zu der Familie von Poitou gehören,
haben eine Saint-Leger von Soissons nachgeahmte Apsis: man findet darin die
beiden Stockwerke Fenster und die durchbrochenen Strebepfeiler, welche einem
Rundgang Platz geben.
Noch mehr aber als die Bauwerke von Soissons, verführte die benachbarte
Kirche von Saint-Yved de Braine die deutschen Meister. Die Kirche Saint-Yved
de Braine, deren Schiff fast ganz verschwunden ist, bleibt eines der echtesten Meister-
werke der französischen Kunst. Im Jahre 1180 begonnen und 1216 vollendet, ist
sie Zeitgenossin der Kathedrale von Laon. Sie besitzt mehr als einen ähnlichen
Zug mit ihr: wie sie, trägt sie jenen zauberhaften Stempel der Jugend. Früher
war die Kirche von Braine mit ihren Rittergräbern, welche die Prämonstratenser-
mönche hüteten, eins der vornehmsten Heiligtümer Frankreichs. Seine Anlage
zeigt eine gewinnende Eigenart. Zu jeder Seite des Chors öffnen sich zwei im
Winkel zueinander stehende Kapellen. Der Hochaltar entfaltet sich in Fächerform,
man umfaßt ihn ganz mit einem Blick und kann gleichzeitig die fünf Altäre der
fünf Kapellen sehen. In diesen reizvollen Kapellen, die sich wie die Verse einer
Litanei wiederholen, liegt etwas wie geistliche Poesie.
Dieser von außerordentlichem Geschmack zeugende Plan hat in Deutschland
wiederholte Nachahmung gefunden. Die älteste davon findet sich in der Liebfrauen-
kirche zu Trier. Diese vornehme Kirche, die uns die französische Kunst in voll-
endeter Reinheit darbietet, ist im Jahre 1242, im klassischen Alter des gotischen
Stils, begonnen worden. Auf den ersten Blick überrascht die Liebfrauenkirche von
Trier. Man glaubt eine ganz einzigartige Schöpfung vor sich zu haben, da die
Kirche rund ist. Aber bald wird man gewahr, daß der Baumeister Stück für
Stück zwei Hochaltäre miteinander verschmolzen hat; sie sind dem von Saint-
Yved de Braine mit seinen fächerförmig angeordneten Kapellen gleich. Der in
Braine halboffene Fächer öffnet sich in Trier ganz und bildet einen Kreis. In
Deutschland hat man nicht verfehlt zu versichern, daß der Erbauer der Liebfrauen-
kirche von Trier nur ein Deutscher sein könne. Aber ein aufmerksames Studium
läßt berechtigte Zweifel aufkommen. In dieser Kirche ist nichts, das nicht franzö-
sisch wäre. Die französischen Formen sind in einer solchen Vollendung wieder-
gegeben, wie man sie in Deutschland um diese Zeit nirgends findet. Wenn der Plan
aus Saint-Yved de Braine entliehen ist, so stammt der Aufbau von den Kapellen
der Kathedrale von Reims. Da sind dieselben Rosen, dieselben Teilungen, im Innern
findet sich derselbe Umgang, welcher in der Höhe der Fenster läuft, ebenso der-
selbe Streifen, die gleichen Ringe um die Pfeiler bildend. Wenn noch hinzugefugt
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ahmung ist zeitweilig so buchstäblich, daß man diesmal das Recht hat zu fragen,
ob nicht ein französischer Architekt an dem Werke mitgearbeit hat. Die deutschen
Archäologen schreien umsonst: „Wer kann es wagen, hier von Kopie zu reden!"
Einige hartnäckige Überlebtheiten sind nicht imstande, der fast ganz französischen
Kirche von Limburg einen deutschen Charakter zu geben, sie zur Würde eines
nationalen Monumentes zu erheben.
Die Deutschen, die der Ruf von Laon anzog, gingen oft bis nach Soissons. Dort
fanden sie andere Modelle: die entzückende Kathedrale und die Kirche von Saint-
Leger. Hier und da in Deutschland erkennt man an dem einen oder andern dieser
Monumente gemachte Anleihen wieder. Die Rotunde von Sankt Gereon in Köln
hat Strebebogen mit Krabben und geteilte Fenster, ähnlich den Fenstern und
Strebebogen der Kathedrale von Soissons. Die Kirche der heiligen Elisabeth
in Marburg, deren drei gleich hohe Schiffe zu der Familie von Poitou gehören,
haben eine Saint-Leger von Soissons nachgeahmte Apsis: man findet darin die
beiden Stockwerke Fenster und die durchbrochenen Strebepfeiler, welche einem
Rundgang Platz geben.
Noch mehr aber als die Bauwerke von Soissons, verführte die benachbarte
Kirche von Saint-Yved de Braine die deutschen Meister. Die Kirche Saint-Yved
de Braine, deren Schiff fast ganz verschwunden ist, bleibt eines der echtesten Meister-
werke der französischen Kunst. Im Jahre 1180 begonnen und 1216 vollendet, ist
sie Zeitgenossin der Kathedrale von Laon. Sie besitzt mehr als einen ähnlichen
Zug mit ihr: wie sie, trägt sie jenen zauberhaften Stempel der Jugend. Früher
war die Kirche von Braine mit ihren Rittergräbern, welche die Prämonstratenser-
mönche hüteten, eins der vornehmsten Heiligtümer Frankreichs. Seine Anlage
zeigt eine gewinnende Eigenart. Zu jeder Seite des Chors öffnen sich zwei im
Winkel zueinander stehende Kapellen. Der Hochaltar entfaltet sich in Fächerform,
man umfaßt ihn ganz mit einem Blick und kann gleichzeitig die fünf Altäre der
fünf Kapellen sehen. In diesen reizvollen Kapellen, die sich wie die Verse einer
Litanei wiederholen, liegt etwas wie geistliche Poesie.
Dieser von außerordentlichem Geschmack zeugende Plan hat in Deutschland
wiederholte Nachahmung gefunden. Die älteste davon findet sich in der Liebfrauen-
kirche zu Trier. Diese vornehme Kirche, die uns die französische Kunst in voll-
endeter Reinheit darbietet, ist im Jahre 1242, im klassischen Alter des gotischen
Stils, begonnen worden. Auf den ersten Blick überrascht die Liebfrauenkirche von
Trier. Man glaubt eine ganz einzigartige Schöpfung vor sich zu haben, da die
Kirche rund ist. Aber bald wird man gewahr, daß der Baumeister Stück für
Stück zwei Hochaltäre miteinander verschmolzen hat; sie sind dem von Saint-
Yved de Braine mit seinen fächerförmig angeordneten Kapellen gleich. Der in
Braine halboffene Fächer öffnet sich in Trier ganz und bildet einen Kreis. In
Deutschland hat man nicht verfehlt zu versichern, daß der Erbauer der Liebfrauen-
kirche von Trier nur ein Deutscher sein könne. Aber ein aufmerksames Studium
läßt berechtigte Zweifel aufkommen. In dieser Kirche ist nichts, das nicht franzö-
sisch wäre. Die französischen Formen sind in einer solchen Vollendung wieder-
gegeben, wie man sie in Deutschland um diese Zeit nirgends findet. Wenn der Plan
aus Saint-Yved de Braine entliehen ist, so stammt der Aufbau von den Kapellen
der Kathedrale von Reims. Da sind dieselben Rosen, dieselben Teilungen, im Innern
findet sich derselbe Umgang, welcher in der Höhe der Fenster läuft, ebenso der-
selbe Streifen, die gleichen Ringe um die Pfeiler bildend. Wenn noch hinzugefugt
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