DIE DEUTSCHMEISTER - SCHLOSSKIRCHE
ZU MERGENTHEIM und IHRE BAUMEISTER
Mit einer Abb. im Text u. vier Abb. auf zwei Tafeln Von WILLY P. FUCHS
Bis zum Jahre 1909, wo sich in dem schmucken Tauberstädtchen eine erlauchte
Gesellschaft aus aller Herren Länder zusammenfand, um einer Friedensübung
des deutschen Heeres in größtem Stil anzuwohnen. — Wer von denen, die damals
dabei waren, hat wohl geahnt, daß es eine der letzten Vorübungen war zum blu-
tigen Ernst eines Weltkrieges?! — bis zu jenen Tagen war dem großen deutschen
Publikum die ehemalige Reichsstadt Mergentheim nicht nur ein schwäbisches, son-
dern gar ein „böhmisches" Dorf. Abseits von den großen Reisestraßen schlief es
seit dem Ende der Deutschmeisterherrschaft einen Dornröschenschlaf, aus dem es
erst das laute höfische und militärische Treiben des kaiserlichen Hauptquartiers
aufgeweckt zu haben scheint. Denn eine wenige Jahre vorher eingeleitete Reklame
für „Das deutsche Karlsbad" war bis dahin ohne wesentlichen Erfolg geblieben.
Schon in früheren Zeitläuften hatte Mergentheim manchen fürstlichen Besuch in
seinen Mauern beherbergt. So kamen im Jahre 1445 die Markgrafen von Branden-
burg und Baden, Graf Ulrich von Württemberg, die Pfalzgrafen und der Erzbischof
von Mainz in Mergentheim zusammen, zum Abschluß eines Schutz- und Trutz-
bündnisses. 1539 nahm Kurfürst Joachim II. von Brandenburg hier Quartier und
ein Jahr darauf der römische König Ferdinand.
Im Jahre 1632 ließ sich König Gustav Adolf von Schweden von der Stadt Mer-
gentheim huldigen und verlieh sie dann seinem General Horn, der sie das Jahr
zuvor eingenommen hatte, „als erb- und eigentümliche Herrschaft". 1645 kam der
große Kurfürst mit seinen Truppen durch, 1711 rastete hier Kaiser Karl VI. und
1741 Karl VII. auf der Fahrt zur Krönung in Frankfurt. Dem Historiker ist
Mergentheim weiterhin bekannt durch zwei Ereignisse von allgemein-politischer
Bedeutung. Im November 1387 wurde hier im Auftrag des römischen Königs
Wenzel von seinen Räten eine Einigung zwischen dem schwäbischen Städtebund
und den Fürsten erzielt und mehrere Jahrhunderte später, nach der Niederlage
Napoleons bei Aspern, war Mergentheim die erste deutsche Stadt, die kaum erst
württembergisch von Napoleons Gnaden, sich gegen ihn auflehnte und die württem-
bergische Besatzung gefangen nahm. Übrigens ist der Mergentheimer „Grund"
ältester Kulturboden. Der Name weist auf eine altchristliche Ansiedlung im Tauber-
grund hin, die jedenfalls zu der Zeit erfolgte, als der heilige Kilian das Christentum
in Franken einführte. Eine Kapelle mit dem Gnadenbild der Jungfrau war das Ziel
aller Gläubigen der Umgegend: „es geschah große Wallfahrt und Gelauf dorthin",
wie ein alter Chronist zu melden weiß. Um diese Kapelle herum entstanden dann
wohl die üblichen Ansiedlungen. Ums Jahr 1058 findet man zum erstenmal in den
Urkunden einen Ort Namens Mergintaim als Sitz des über die Grafschaft des
Taubergaus herrschenden Gaugrafen von Hohenlohe. Im Jahre 1182 übergab Al-
brecht von Hohenlohe das Patronatsrecht der Mergentheimer Kirche dem Johanniter-
orden, der es jedoch nicht lange behielt, da schon 40 Jahre später drei Brüder
Hohenlohe, Andreas, Heinrich und Friedrich, in Mergentheim eine Kommende des
deutschen Ritterordens errichteten. Von da ab datiert die kulturelle Vorherrschaft
dieses Ordens im ganzen Mergentheimer Gebiet. Infolge andauernder Vermehrung
seines Güterbesitzes wurde Mergentheim bald zu einer der bedeutendsten Kom-
menden der fränkischen Ballei. Heinrich von Hohenlohe, seit 1232 Deutschmeister
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ZU MERGENTHEIM und IHRE BAUMEISTER
Mit einer Abb. im Text u. vier Abb. auf zwei Tafeln Von WILLY P. FUCHS
Bis zum Jahre 1909, wo sich in dem schmucken Tauberstädtchen eine erlauchte
Gesellschaft aus aller Herren Länder zusammenfand, um einer Friedensübung
des deutschen Heeres in größtem Stil anzuwohnen. — Wer von denen, die damals
dabei waren, hat wohl geahnt, daß es eine der letzten Vorübungen war zum blu-
tigen Ernst eines Weltkrieges?! — bis zu jenen Tagen war dem großen deutschen
Publikum die ehemalige Reichsstadt Mergentheim nicht nur ein schwäbisches, son-
dern gar ein „böhmisches" Dorf. Abseits von den großen Reisestraßen schlief es
seit dem Ende der Deutschmeisterherrschaft einen Dornröschenschlaf, aus dem es
erst das laute höfische und militärische Treiben des kaiserlichen Hauptquartiers
aufgeweckt zu haben scheint. Denn eine wenige Jahre vorher eingeleitete Reklame
für „Das deutsche Karlsbad" war bis dahin ohne wesentlichen Erfolg geblieben.
Schon in früheren Zeitläuften hatte Mergentheim manchen fürstlichen Besuch in
seinen Mauern beherbergt. So kamen im Jahre 1445 die Markgrafen von Branden-
burg und Baden, Graf Ulrich von Württemberg, die Pfalzgrafen und der Erzbischof
von Mainz in Mergentheim zusammen, zum Abschluß eines Schutz- und Trutz-
bündnisses. 1539 nahm Kurfürst Joachim II. von Brandenburg hier Quartier und
ein Jahr darauf der römische König Ferdinand.
Im Jahre 1632 ließ sich König Gustav Adolf von Schweden von der Stadt Mer-
gentheim huldigen und verlieh sie dann seinem General Horn, der sie das Jahr
zuvor eingenommen hatte, „als erb- und eigentümliche Herrschaft". 1645 kam der
große Kurfürst mit seinen Truppen durch, 1711 rastete hier Kaiser Karl VI. und
1741 Karl VII. auf der Fahrt zur Krönung in Frankfurt. Dem Historiker ist
Mergentheim weiterhin bekannt durch zwei Ereignisse von allgemein-politischer
Bedeutung. Im November 1387 wurde hier im Auftrag des römischen Königs
Wenzel von seinen Räten eine Einigung zwischen dem schwäbischen Städtebund
und den Fürsten erzielt und mehrere Jahrhunderte später, nach der Niederlage
Napoleons bei Aspern, war Mergentheim die erste deutsche Stadt, die kaum erst
württembergisch von Napoleons Gnaden, sich gegen ihn auflehnte und die württem-
bergische Besatzung gefangen nahm. Übrigens ist der Mergentheimer „Grund"
ältester Kulturboden. Der Name weist auf eine altchristliche Ansiedlung im Tauber-
grund hin, die jedenfalls zu der Zeit erfolgte, als der heilige Kilian das Christentum
in Franken einführte. Eine Kapelle mit dem Gnadenbild der Jungfrau war das Ziel
aller Gläubigen der Umgegend: „es geschah große Wallfahrt und Gelauf dorthin",
wie ein alter Chronist zu melden weiß. Um diese Kapelle herum entstanden dann
wohl die üblichen Ansiedlungen. Ums Jahr 1058 findet man zum erstenmal in den
Urkunden einen Ort Namens Mergintaim als Sitz des über die Grafschaft des
Taubergaus herrschenden Gaugrafen von Hohenlohe. Im Jahre 1182 übergab Al-
brecht von Hohenlohe das Patronatsrecht der Mergentheimer Kirche dem Johanniter-
orden, der es jedoch nicht lange behielt, da schon 40 Jahre später drei Brüder
Hohenlohe, Andreas, Heinrich und Friedrich, in Mergentheim eine Kommende des
deutschen Ritterordens errichteten. Von da ab datiert die kulturelle Vorherrschaft
dieses Ordens im ganzen Mergentheimer Gebiet. Infolge andauernder Vermehrung
seines Güterbesitzes wurde Mergentheim bald zu einer der bedeutendsten Kom-
menden der fränkischen Ballei. Heinrich von Hohenlohe, seit 1232 Deutschmeister
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