DER MEISTER VON GROSSGMAIN
Mit elf Abbildungen auf fünf Tafeln Von ROBERT WEST
Im Chor der Pfarrkirche des österreichischen Gebirgsdorfes Großgmäin hängen
sechs Temperagemälde, die von allen Kennern zu dem Besten gerechnet werden,
was sich an spätgotischer Malerei in Österreich, insbesondere im salzbürgischen
Gebiet erhalten hat, ohne daß es doch bisher gelungen wäre, etwas Näheres
über Ursprung und Herkunft dieser Werke zu ermitteln. Das Ergebnis meiner
Forschungen ist ein im Wesentlichen negatives. Der Maler der Großgmainer
Tafeln entzieht sich jeder Identifizierung mit irgendeinem bekannten Meister
und das Ende jeden Vergleiches ist die Einsicht, daß wir es im Meister von
Großgmain mit einer ganz eigenartigen Künstlerpersönlichkeit zu tun haben, die
fremd und vornehm neben den übrigen uns bekannten Altsalzburger Malern am
Ende des 15. Jahrhunderts dasteht. Die Bilder haben aber einen so hohen Kunst-
wert, daß es sich lohnt, zusammenzustellen, was tatsächlich von ihnen bekannt
ist und was von berufener Seite an Vermutungen über die mögliche Urheber-
schaft dieses oder jenes Malers ausgesprochen worden ist. Daß diese Werke
bisher wenig beachtet geblieben sind, liegt zum Teil an der Gleichgültigkeit, mit
welcher die künstlerische Forschung das bayrisch-österreichische Alpengebiet be-
handelt hat. Grundlegende Arbeiten über altsalzburger Malerei besitzen wir nur
von der Hand Robert Stiaßnys und Otto Fischers. Stiaßhy nannte den Künstler-
kreis, der sich um Salzburg gruppiert, mit Recht den „südostdeutschen Winkel
der Unbekannten und Ungenannten". Aus dieser Unbekanntheit mit der Ge-
schichte der Salzburger Malerschulen und der noch ungenügenden Durchfor-
schung aller im Lande zerstreuten Werke erklärt sich auch das Dunkel, welches
über dieser plötzlich im Jahre 1499 in Großgmain, am Fuße des Untersberges
auftauchenden und dann ebenso wieder verschwindenden Künstlerpersönlichkeit
ausgebreitet ist. Die Bedeutung der Großgmainer Werke beschränkt sich jedoch
nicht nur auf ihren Rang innerhalb der lokalen Malerschulen, eine Geschichte der
deutschen Malerei kann an diesen Arbeiten so wenig wie an denen des allerdings
viel bedeutenderen Pacher vorübergehen. Sie sind wichtig schon wegen ihrer
Vermittlerrolle zwischen der oberitalienischen und der bayrischen Malerei.
Während des ganzen 19. Jahrhunderts hatte man den Meister von Großgmain
auf den Namen Bartholomäus Zeitblom getauft. Seit der verdienstvollen Forscher-
arbeit Stiaßnys ist dieser Name durch den: Rueland Frueaufs d. Ä. verdrängt worden.
Otto Fischer hat sich der Vermutung Stiaßnys ohne weiteres angeschlossen und
sie als anerkannte Tatsache in sein Buch über die altdeutsche Malerei in Salz-
burg eingetragen. Inzwischen wurde in dem 11. Band der österreichischen Kunst-
topographie durch Dr. Paul Buberl wieder ein Zweifel an der Identität Rueland
Frueaufs mit dem Meister von Großgmain ausgesprochen und hier der übliche
Ausweg gefunden, daß der Maler der Großgmainer Tafeln ein „künstlerisch höher
stehender, jüngerer Schüler oder Werkstattgenosse des Rueland Frueaufs d. Ä."
gewesen sein müsse. Prüft man alle diese Behauptungen auf ihren Wahrschein-
lichkeitsgehalt, so bleibt nur wenig Tatsächliches übrig und das Rätsel der Bilder
erscheint nach wie vor ungelöst.
Wir wissen, daß Erzbischof Leonhard von Keutzschach (1495—1519) an der als
marianischer Wallfahrtsort wichtigen Kirche „Sta. Maria Muona" einen Umbau
vornahm, der im Jahre 1520 beendet gewesen sein kann, da in diesem Jahre der
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Mit elf Abbildungen auf fünf Tafeln Von ROBERT WEST
Im Chor der Pfarrkirche des österreichischen Gebirgsdorfes Großgmäin hängen
sechs Temperagemälde, die von allen Kennern zu dem Besten gerechnet werden,
was sich an spätgotischer Malerei in Österreich, insbesondere im salzbürgischen
Gebiet erhalten hat, ohne daß es doch bisher gelungen wäre, etwas Näheres
über Ursprung und Herkunft dieser Werke zu ermitteln. Das Ergebnis meiner
Forschungen ist ein im Wesentlichen negatives. Der Maler der Großgmainer
Tafeln entzieht sich jeder Identifizierung mit irgendeinem bekannten Meister
und das Ende jeden Vergleiches ist die Einsicht, daß wir es im Meister von
Großgmain mit einer ganz eigenartigen Künstlerpersönlichkeit zu tun haben, die
fremd und vornehm neben den übrigen uns bekannten Altsalzburger Malern am
Ende des 15. Jahrhunderts dasteht. Die Bilder haben aber einen so hohen Kunst-
wert, daß es sich lohnt, zusammenzustellen, was tatsächlich von ihnen bekannt
ist und was von berufener Seite an Vermutungen über die mögliche Urheber-
schaft dieses oder jenes Malers ausgesprochen worden ist. Daß diese Werke
bisher wenig beachtet geblieben sind, liegt zum Teil an der Gleichgültigkeit, mit
welcher die künstlerische Forschung das bayrisch-österreichische Alpengebiet be-
handelt hat. Grundlegende Arbeiten über altsalzburger Malerei besitzen wir nur
von der Hand Robert Stiaßnys und Otto Fischers. Stiaßhy nannte den Künstler-
kreis, der sich um Salzburg gruppiert, mit Recht den „südostdeutschen Winkel
der Unbekannten und Ungenannten". Aus dieser Unbekanntheit mit der Ge-
schichte der Salzburger Malerschulen und der noch ungenügenden Durchfor-
schung aller im Lande zerstreuten Werke erklärt sich auch das Dunkel, welches
über dieser plötzlich im Jahre 1499 in Großgmain, am Fuße des Untersberges
auftauchenden und dann ebenso wieder verschwindenden Künstlerpersönlichkeit
ausgebreitet ist. Die Bedeutung der Großgmainer Werke beschränkt sich jedoch
nicht nur auf ihren Rang innerhalb der lokalen Malerschulen, eine Geschichte der
deutschen Malerei kann an diesen Arbeiten so wenig wie an denen des allerdings
viel bedeutenderen Pacher vorübergehen. Sie sind wichtig schon wegen ihrer
Vermittlerrolle zwischen der oberitalienischen und der bayrischen Malerei.
Während des ganzen 19. Jahrhunderts hatte man den Meister von Großgmain
auf den Namen Bartholomäus Zeitblom getauft. Seit der verdienstvollen Forscher-
arbeit Stiaßnys ist dieser Name durch den: Rueland Frueaufs d. Ä. verdrängt worden.
Otto Fischer hat sich der Vermutung Stiaßnys ohne weiteres angeschlossen und
sie als anerkannte Tatsache in sein Buch über die altdeutsche Malerei in Salz-
burg eingetragen. Inzwischen wurde in dem 11. Band der österreichischen Kunst-
topographie durch Dr. Paul Buberl wieder ein Zweifel an der Identität Rueland
Frueaufs mit dem Meister von Großgmain ausgesprochen und hier der übliche
Ausweg gefunden, daß der Maler der Großgmainer Tafeln ein „künstlerisch höher
stehender, jüngerer Schüler oder Werkstattgenosse des Rueland Frueaufs d. Ä."
gewesen sein müsse. Prüft man alle diese Behauptungen auf ihren Wahrschein-
lichkeitsgehalt, so bleibt nur wenig Tatsächliches übrig und das Rätsel der Bilder
erscheint nach wie vor ungelöst.
Wir wissen, daß Erzbischof Leonhard von Keutzschach (1495—1519) an der als
marianischer Wallfahrtsort wichtigen Kirche „Sta. Maria Muona" einen Umbau
vornahm, der im Jahre 1520 beendet gewesen sein kann, da in diesem Jahre der
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