Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

DOI Artikel:
West, Robert: Der Meister von Grossgmain
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0263
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der vorigen Tafel. Auch hier hebt sich die Hauptfigur wieder durch die Ge-
schlossenheit und vornehme Ruhe ihrer koloristischen Haltung hervor. Die
Hautfarbe ist gelblicher wie bei den Frauen des ersten Bildes, was mich ver-
muten läßt, daß der kreidige, blutarme Teint dort dem Restaurator zuzuschreiben
ist. Diese Maria hat eher eine warme südlichere Färbung. Das weiße Tuch,
welches des ganzen Kopf wieder wie den einer Nonne Umhüllt, fällt in schönen,
das zarte Eirund des Gesichtes akzentuierenden Falten auf die Schultern herab,
und hier ist der Kontrast der weißen Farbe und der hellen rötlich violetten
Schatten darin zu der warmen Haut ein durchaus erfreulicher. Die Gewandung
ist dunkel pfaublau. Sehr schön ist auch die Haltung mit den gefalteten Händen.
Rechts und links von ihr sind je zehn Männer so gruppiert, daß sie einen ovalen,
vorne offenen Kranz bilden. Die Größe der Gestalten nimmt nach der im Hinter-
grund sitzenden Maria zu schnell ab, so daß wir die überzeugende Empfindung
von der Tiefe des angedeuteten Raumes erhalten, wodurch die Gestalt der Maria
dem Beschauer etwas entrückt wird. Der Ausdruck der Köpfe ist meist stumpf,
aber andächtig. Der Jüngling ganz vorn links ist ein Verwandter des jungen
Schriftgelehrten vom zweiten Bilde. Der Meister hat diese Figur seiner Gewohn-
heit gemäß wieder durch die relative Farblosigkeit ihrer Gewandung aus den
andern hervorgehoben. Das Kleid ist weiß, die eng anliegende Kappe schwarz,
andere Töne kommen an der Figur nicht vor, so daß sie sich schon durch diese
Strenge von den übrigen abhebt. Besonders wird die kühle Vornehmheit dieser
Farbengebung noch betont durch das leuchtende Rot, welches der gegenüber-
kniende Mann trägt. Jedoch findet das Weiß noch einmal ein Echo ganz im
Hintergrund rechts. Das koloristische Empfinden des Meisters forderte also
diese Wiederholung, ohne welche der Schwerpunkt der Komposition sich zu
stark nach links geneigt hätte. Dunkelgrün und hellrot bestimmen im Übrigen
den koloristischen Eindruck der Tafel.
Der Jüngling in Weiß ist wieder ein bezeichnendes Beispiel für die Art des
Meisters, seine Figuren unabhängig vom Bildganzen zu entwerfen. Er ist ohne jede
Rücksicht auf die übrige Gruppe, vorn an den Rand des Bildes gesetzt und er-
scheint auffallend teilnahmlos gerade im Kontrast zu den andern, die alle durch
gefaltete Hände oder andächtige Mienen ihr Bewußtsein des sich vollziehenden
Mysteriums ausdrücken. Dieser Jüngling ist so offenbar nur um seiner selbst
willen da, daß wir uns unwillkürlich fragen, was beabsichtigte der Meister mit
diesem Porträt, das keinen Bezug auf die Handlung hat. Mich erinnerte die Ge-
stalt an jene Selbstbildnisse, welche die Maler gern in einer Ecke ihrer Arbeit
anbrachten. Die Schleißheimer Galerie besitzt ein in der Münchner Frauen-
kirche hängendes Bild des heiligen Wolfgang (?), dessen zweifellose Ähnlichkeit
mit dem Jüngling der dritten Großgmainer Tafel auch mir die Überzeugung auf-
drängt, daß es sich hier um ein eigenhändiges Werk des Meisters von Groß-
gmain1) handelt. Es ist wie diese unsigniert. Wir haben also eine dreifache
Wiederholung desselben Porträtkopfes in den uns bekannten Werken des Meisters.
Der Gedanke liegt nahe, daß ihn das Interesse an der eignen Erscheinung zu
wiederholten Darstellungen reizte. Übrigens ist die Ähnlichkeit zwischen der
dritten Großgmainer Tafel und dem Münchner Bild viel größer als die zwischen
(r) Ich wurde auf dieses Bild durch Stiaßnys Ausführungen im Jahrbuch der Sammlungen
des Allerhöchsten Kaiserhauses aufmerksam. Er und vor ihm R. Vischer hielten es für
für ein Werk des Großgmainers, das etwa gleichzeitig mit den Großgmainer Tafeln an-
zusetzen wäre.

253
 
Annotationen