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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0270

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Brüder Boisseree behandelt, liegt vor. Ein zweiter
Band, der sich mit der Kunstpflege des Brüder-
paares und ihrer Bemühung zur Erhaltung der
monumentalen Bauten deutscher Vergangenheit,
und der Erforschung der Gotik beschäftigt, soll
folgen. Eine schier unerschöpfliche Menge Mate-
rials hat der Verfasser zusammengetragen. Vor
allem dienten als Quellen der Nachlaß der Brüder
an Schriften und Briefen, die erst zum Teile ediert
worden sind, ferner die Selbstbiographie Sulpizens
und seine Tagebücher. In zwölf Quartbänden
allein ist das Material zur Kunst und Kultur-
geschichte von Sulpiz Boisseree vereinigt. Hinzu
kommt die sehr umfangreiche Korrespondenz der
Brüder mit Goethe, der nur sehr zögernd und
herablassend dem Unternehmen der Brüder und
ihrer Forschung sein Interesse schenkte. Ferner
kamen wesentliche Beiträge aus den Briefen mit
Rauch und Schinkel, mit Schlegel, Schlosser, Tieck
und Schelling hinzu. In einleitenden Kapiteln
schildert der Verfasser die Vorläufer und zeit-
genössischen Sammler Kölns, die unter dem Ein-
fluß der entstehenden Romantik standen, den Son-
derling Baron von Hüpsch, der noch ganz im
Stil des alten Raritätenkabinetts alles nur irgend
mögliche sammelte, der aber unter viel Minder-
wertigem Stephan Lochners „Darbringung im
Tempel" sein eigen nannte. Neben ihm suchte
das der Zerstörung und Vernichtung preisgegebene
Kunstgut seiner Vaterstadt Ferdinand Franz Wallraf
zu retten, der aber bei seiner Erhaltungs- und
Rettungswut oft in der skrupellosesten Weise von
der Welt zuwege ging. Was er jedoch aus zum
Abbruch bestimmten Kirchen barg und so für die
Nachwelt rettete, wird seinen Namen in der Ge-
schichte der deutschen Kunst für alle Zeiten un-
vergeßlich machen.
Sulpiz und Melchior Boisseree aber sind die
ersten, deren Sammeln auf einem System, einem
geordneten Programm und weiser Beschränkung
beruhte. Und das macht sie eben zu den ersten
großen modernen Privatsammlern. In umfäng-
lichen Kapiteln gibt Firmenich-Richartz die Ent-
stehungsgeschichte ihrer Sammlung von dem
ersten Bilde aus der Schule des Meisters des
Marienlebens, das heute in der Burgkapelle in
Nürnberg hängt, bis zur Gallerie, die in Heidel-
berg ihr Heim fand. Es ist eine ganze Geschichte
der Romantik, die so entstanden, denn die Bois-
seree waren als Sammler und Forscher mit allen
führenden Geistern ihrer Zeit in Verbindung. So
kam es selbstverständlich, daß sie auch Fühlung
suchen mußten mit dem größten Geiste Deutsch-
lands, mit Goethe, der aber als hellenischer Geist

ihnen nur ungern entgegenkam und bei den
ersten Begegnungen sich allzusehr hinter dem
Staatsminister und der Exzellenz verschanzte, bis
auch er schließlich das regste Interesse an ihnen
nahm. Goethes Freundschaft bildet den Inhalt
der folgenden Kapitel und läßt auch den Olym-
pier in neuem interessanten Lichte erscheinen.
Die Schlußkapitel bilden dann „die Sammeltätig-
keit als Beruf und Geschäft", bis zum Ankauf der
Sammlung durch den König von Bayern, der sich
damit die beste deutsche Kunstsammlung, den
Grundstock der alten Pinakothek, sicherte, und bis
zur letzten Gesamtausstellung im Jahre 1828 in
Schleißheim. Ein Anhang bringt Goethes Be-
ziehung zu Sulpiz Boisseree aus Briefen und
Tagebüchern, die Beziehung zu Ludwig von
Bayern und das Verzeichnis der Gallerie, das
dem Kaufvertrag von 1827 beigegeben wurde.
Auszüge reichster Art aus Sulpizens Material-
sammlung zur Geschichte der nordischen Plastik
und Malerei und Mitteilungen über Werke alter
Meister aus seinen Briefen schließen den starken
Band.
Ein sorgfältiges, reiches Werk, das dem Ver-
fasser reinen Dank einbringen wird. Die Fülle
des Materials hat ihn nur oft zu weit geführt^und
die sorgfältige Zitierung der betreffenden Briefe
und Tagebuchstellen, die zu einer Reihe von
Klammern und Fußnoten, zu verschiedenartigen
Lettern usw. führen mußten, beeinträchtigen die
Lesbarkeit des Werkes stark, das aber für jeden
Forscher deutscher Kunst ebenso wie für die
Historiker der Romantik von unschätzbarem Werte
sein wird. Das versprochene Gesamtregister wird
den Wert des Ganzen noch erhöhen. Könnte sich
der Verlag entschließen, auch noch einen Tafel-
band mit den Werken der Boissereegallerie hinzu-
zufügen, so würde damit noch Größeres erreicht
sein. Hanns Schulze.
KARL O. HARTMANN, Stilwandlun-
gen u.Irrungen in den angewandten
Künsten. München und Berlin 1916.
Verlag von R. Oldenbourg.
Aus zwei verschiedenen Lagern werden Stim-
men laut, die von einer aus dem Orchester der
Zeit gewonnenen Stilform das Heil für eine neue
Kunst erhoffen.
Der äußerste Flügel des radikalsten, artistischen
Künstlertums versucht diese Einheit zu erreichen,
indem er an Stelle des bis jetzt gültigen Indivi-
dualismus, wie er sich im Impressionismus aus-
sprach, das Typische der Gebärde und die All-
gemeingültigkeit des Ausdrucks fordert. Folge-

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