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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Künster, Gertrud: Beiträge zur Kenntnis des Sebaldusgrabes
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0327
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wieder. Die Ornamentstecher mögen nicht immer eigene Entwürfe dargestellt
haben, sondern auch ihrem Ideenkreis zusagende Füllungen anderen Meistern,
z. B. Malern entlehnt und so zur Verbreitung der Formen dieser Epoche bei-
getragen haben. Aber nach dem zu urteilen, was ich bisher von diesen italieni-
schen Meistern gesehen und zum Vergleich herangezogen habe, kann ich mich
nicht entschließen, Beziehungen zwischen ihnen und der Dekoration des Sebaldus-
grabes anzunehmen.
Von den Nielli habe ich bisher so wenig Abbildungen gesehen, daß ich über
ihren Einfluß mich nicht äußern kann; es ist nicht ausgeschlossen, daß sich hier
die eine oder andere Beziehung zur nordischen Renaissance finden ließe.
Die Buchillustration ist noch wenig daraufhin geprüft worden, was für Mo-
tive sie etwa für die Gießhütte geliefert haben könnte, und welche Rolle überhaupt
sie als Vermittlerin zwischen italienischem Kunstkreis und deutscher Plastik ge-
spielt haben könnte. Beziehungen zwischen der in Rede stehenden Gruppe und
dem Sebaldusgrab bestehen in der Tat und sind bereits bekannt. Weizsäcker1)
findet in einem Titelblatt der libri amorum von Conrad Celtes 1500 die Vorlage
für die Muse an einem der Sockel der Ostseite des Grabes. Seeger2) nimmt an,
daß für den auf der Panpfeife blasenden Satyr an dem als Konzert bezeichneten
Relief auf der Westseite eine Abbildung aus Ovids Metamorphosen der venezia-
nischen Ausgabe von 1497 herangezogen werden kann. Dort ist der Wettstreit
zwischen Apollo und Marsyas dargestellt. Ein ganz ähnlicher sitzender Marsyas,
wie wir die Figur kurz nennen wollen, findet sich übrigens in Dürers Gebetbuch-
Zeichnungen3). Bei der Nachprüfung der von Seeger gefundenen Beziehung war
mein Eindruck der, daß wohl die Phantasie unseres Künstlers durch derartige Pro-
dukte einer für ihn bisher fremden Gedankenwelt angeregt werden konnte, daß
aber die Vorlage nicht als unmittelbar gestaltender Faktor eingeschätzt werden
darf. Wie ganz anders kommt das Motiv des Sitzens bei Vischer zur Geltung;
in Gestalt und Ausdruck zeigt sich ein starkes Nachempfinden der Situation, wäh-
rend in dem Holzschnitt ein flaues, unbeholfenes Bild den Vorgang darstellt. Diese
musizierenden Satyrdarstellungen treffen wir in der italienischen Kunst überaus
häufig, z. B. bei Mantegna; auf einigen Kleinbronzen Riccios4) fand ich denselben
sitzenden Satyr wie am Sebaldusgrab. Zur Annahme einer direkten Beeinflussung
seitens des Holzschnittes liegt in dem Fall Vischer m. E. ebensowenig eine Nöti-
gung vor, wie man sie für Dürer in Erwägung zu ziehen geneigt sein dürfte.
Mayer5) teilt mit, daß ein kauernder, blasender Satyr antiker Herkunft einige Zeit
in Sta. Maria dei Miracoli in Venedig mit andern Antiken zu sehen war. Die Mög-
lichkeit scheint erwägenswert, daß Peter Vischer, wie Dürer, durch eigene An-
schauung dieses Werkes in der Lagunenstadt sich haben anregen lassen.
Man hat die Frage aufgestellt, ob sich alle Darstellungen an den Pilastersockeln
des Grabmals aus den Quellen der humanistischen Literatur ableiten lassen; Seeger")
sagt, daß Humanismus und Antike Peter Vischer derart beeinflußt haben, daß am
Fuß nirgends Darstellungen aus der christlichen Welt vorhanden sind; auch der
Tod an der Südseite ändere hieran nichts. Weiterhin sagt er, daß die mytholo-
(1) Weizsäcker, a. a. O., 1900, p. 309.
(2) Seeger, a. a. O. 1897, p. 94.
(3) nach Mayer in Giehlow, fol. 52.
(4) Bode, Ital. Plastik, 1891.
(5) Mayer, a. a. O., 1911, p. 16.
(6) Seeger, a. a. O., 1897, p. 85 und 87.

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