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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Die Zerstörung der Königsdenkmäler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0353

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mit Gras bewachsen, und auf dem Piedestal der Statue Ludwigs XIII. spielten
ahnungslos die Kinder42).
Äußerst unzulänglich sind die Nachbildungen, Stiche oder Zeichnungen, die uns
heute allein noch eine Vorstellung vermitteln können von einem Werk, auf das
sich des Bildhauers Michelangelo letzte Schöpfergedanken richteten, das seinem
Schüler das Leben kostete und schon den Römern so herrlich erschien, daß sie es
den Reliquien des Altertums ohne weiteres ebenbürtig an die Seite stellten.
Es ist merkwürdig, daß wir uns Heinrich II. heute eher zu Pferde vorstellen können
als Ludwig XIII. Tafel 52, Abb. 1. Eine Zeichnung Janets, die sich im Besitze Lenoirs
befand, gibt einen vollkommenen Begriff von der Art, wie sich Katharina de'Medici
das Reiterdenkmal des Gemahls gedacht haben mag43): ganz in eine herrliche
Rüstung gehüllt, die Linke auf das Szepter gestützt, mit der Rechten die Zügel
fassend, sehen wir die ritterliche Gestalt des Königs auf seinem prächtig geschmückten
Pferde sitzen. Auf die hohe Stirn ist das leichte Federbarett gedrückt, und die vor-
nehm geschnittenen Gesichtszüge sind äußerst individuell behandelt.
Wie anders erscheint der König auf einer Emaille, die gleichfalls Lenoir besaß44).
Tafel 52, Abb. 2. Hier hat ein französischer Künstler den König ganz nach dem Marc
Aurel auf dem Kapitol zu bilden versucht, nur hat er hinter ihm seine schöne und
kluge Geliebte, Diana von Poitiers, aufsitzen lassen, die den König so beherrschte,
daß man nach seinem Tode sagte: Le regne de Henri II fut celui de Diane de Poitiers.
Wir wissen, daß auch Daniello da Volterra sich eng an das einzige Vorbild einer
Reiterstatue angeschlossen hat, das ihm in Rom zur Verfügung stand, aber schon
Ferrucci bemerkte, daß er sein Pferd — rein äußerlich betrachtet — statt des
rechten Fußes den linken emporheben ließ.
Als Daniellos Bronzepferd noch im Palazzo Ruccellai stand, wurde es von An-
tonio Tempesta gestochen, und auf das Roß ein bärtiger Reitersmann in antik-
moderner Rüstung gesetzt mit einer zerbrochenen Lanze in der erhobenen Rechten.
Tafel 51, Abb. 5. Dieser Stich vor allem und einige Zeichnungen, die Bouchardon
machte45), als er das Reiterbild Ludwigs XV. gießen sollte, Tafel 61, geben uns
wenigstens von dem Pferde des römischen Meisters einen einigermaßen klaren Begriff
und lassen die Bewunderung gerechtfertigt erscheinen, die Mit- und Nachwelt diesem
riesenhaft-ungestümen, mächtig ausschreitenden, nüstern-schnaubenden Streitroß
dargebracht haben. Ja, angesichts dieses in allen Adern unruhig pulsierenden Lebens
würden wir vielleicht auch den heftigen Tadel verstanden haben, mit dem sich
Falconet viele Jahre später gegen Marc Aurels geheiligtes Standbild auf dem Ka-
pitol hervorgewagt hat46).
Was ist aus der Bronzestatuette dieses Reiterdenkmals geworden, die der General-
adjutant Martial Thomas im Jahre 1798 dem Musee des monuments frangais zum
Austausch anbot?47) Lenoir verfaßte über diese Statuette einen Bericht an den
Minister, in dem er die Erwerbung empfahl: Die Statuette stamme aus der Zeit
der Aufrichtung des zerstörten Originals und würde geeignet sein, mit den Statuetten
Ludwigs XIV. und Ludwigs XV. aufgestellt zu werden, die das Museum bereits
besitze. Weiter erfahren wir nichts, und da auch Montaiglon, der so sorgfältig
alle Erinnerungen an das Denkmal der Place Royale gesammelt hat, ihrer mit
keinem Wort gedenkt, so muß sie heute als verloren gelten.
Die Standbilder Ludwigs XIV. Place des Victoires.
Seit den Tagen römischer Kaiserherrlichkeit sind niemals wieder einem Kaiser
oder König bei seinen Lebzeiten so viele Standbilder errichtet worden wie Lud-

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