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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Die Zerstörung der Königsdenkmäler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0369

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Die Allegorien des Friedens, der Klugheit, der Stärke, der Gerechtigkeit und
zwei Bronzereliefs des Piedestals wurden von Pigalle, zum Teil noch nach Ent-
würfen von Bouchardon, ausgeführt137).
Ehrensalven erschütterten die Luft, als man am 17. Februar 1763 die eherne
Statue Ludwigs XV. am Hause Bouchardons vorüberführte.
Wenige Tage später sah man den Reiter hoch oben auf seinem Postament, dessen
obere Platte Pigalles Allegorien trugen, und die Pariser dichteten:
Oh! La belle statue! Oh! Le beau piedestal!
Les vertus sont ä pied et le vice ä cheval!188)
Noch kein Denkmal hatte die Gemüter so erregt wie die Reiterstatue Ludwigs XV.
von Bouchardon. Die Kritiken und Erörterungen wollten kein Ende nehmen. Ganz
Paris sprach von diesem Reiterbild. Die einen meinten, der König sei nicht ähnlich,
die andern stießen sich an der Rüstung des römischen Imperators, noch andere
meinten, das Pferd hätte den rechten Vorderfuß emporheben müssen und nicht
den linken; vor allem aber spöttelte man über die Tugenden des lasterhaften Königs189).
„Aber alle solche Ausstellungen verschwinden wie Staub, den der Wind bewegt,
vor dem Meisterwerk selbst," schreibt Grimm140). „Dieses große und herrliche
Denkmal wird bestehen bleiben, und wird der Nachwelt beweisen, daß Frank-
reich zu einer Zeit, die so wenig Großes hervorgebracht hat, doch einige Männer
von Genie besessen hat. Wie ich es betrachtete, empfand ich bitteren Schmerz bei dem
Gedanken, daß das Schicksal dem Künstler nicht erlaubte, sich seines Ruhmes zu
freuen, daß er nicht die Genugtuung hatte, die Feste zu erleben, mit denen man
dies Denkmal der Bewunderung von Jahrhunderten geweiht hat. Fürwahr, dieser
Gedanke tat mir weh. Denn es gibt Kunstwerke, die uns ein leidenschaftliches
Interesse für den Künstler einflößen, der sie schuf, und das Werk Bouchardons ge-
hört zu diesen Kunstwerken. Dieser Mann muß sehr fein organisiert gewesen sein,
sein Herz mußte rein, seine Seele mußte einer großen Hingabe fähig sein, um seinen
Werken diese Anmut und Gehaltenheit antiker Kunst, diese Einfalt und, ich möchte
sagen, diesen unaussprechlich süßen Zauber geben zu können, die sie vor anderen
Kunstwerken auszeichnen."
Ein deutscher Wandersmann stand noch im Jahre 1790 vor diesem Denkmal,
als die Wellen der Revolution sein stolzes Piedestal schon mit dumpfem Drohen
umspielten. Er hat das Urteil von Grimm bestätigt. „Nach meinem Geschmack,"
schrieb Friedrich Schulz in seinem Buch über Paris und die Pariser141), „ist die
Statue Ludwigs XV. die schönste unter allen in Paris. Die von Heinrich dem
Vierten, Ludwig dem Dreizehnten und Vierzehnten haben alle ihre in die Augen
springenden Fehler. Heinrich IV. ist zu klein auf seinem ungeheuren Pferde,
Ludwig XIII. zu dünn und zu lang, und Ludwig XIV. muß mit seinen Schenkeln
die unmäßige Bauchwölbung seines fetten Rosses widernatürlich umspannen. Das
Werk von Bouchardon dagegen ist das Einfachste und Edelste, was noch franzö-
sische Meister hervorgebracht haben, in der Bestimmung allerdings das Zwei-
deutigste. Denn die Inschriften sind zu schmeichelnd, als daß sie wahr sein könnten,
und die vier Tugenden werden von dem Reiter gleichsam überritten."
Gravelot hat mit Geschick und Anmut den feierlichen Umzug gezeichnet, den die
Stadthäupter von Paris, an ihrer Spitze der Herzog von Chevreuse, hoch zu Roß um
das Denkmal am Tage seiner Enthüllung veranstalteten. Auguste de Saint-Aubin
hat die Zeichnung gestochen142). Tafel 62, Abb. 32. Jeder einzelne dieser prächtig
gekleideten Reiter dünkte sich mehr in diesem Augenblick, als der Schöpfer dieser
Statue je von sich gedacht hatte. Kaum einer mochte sich die Frage stellen,

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